Das zu besprechende Buch ist aus einer gleichnamigen Dissertation erwachsen, die 2015 im Fachbereich Geschichts- und Kulturwissenschaften der Justus-Liebig-Universität Gießen angenommen wurde. Die Arbeit behandelt die ländliche Besiedlung im römischen Spanien und stößt deshalb gleich in doppelter Hinsicht in eine Forschungslücke: Zum einen sind Arbeiten zu den hispanischen Provinzen in der deutschsprachigen klassischen Archäologie doch eher unterrepräsentiert; zum anderen sind Siedlungen auf dem Land im Imperium Romanum immer noch wesentlich weniger bekannt als Städte. Aus methodischer Hinsicht sind die in der Arbeit behandelten Fragen von großem Interesse, so in welcher Form Surveys miteinander verglichen, statistische Tests Korrelationen und Kausalitäten nachweisen und Forschungsergebnisse zur landwirtschaftlichen Produktion übertragen werden können.
Die Gliederung folgt einem bewährten Schema mit einem einleitenden Teil allgemein zur Themenstellung, zu Methode und Geographie und einem analytischen Hauptteil, dem auch ein zwischengeschalteter Exkurs zuzurechnen ist, bevor ein Fazit sowie Kataloge und Tabellen das Buch beschließen.
Das erste Kapitel ist freilich sehr knapp und kann viele Punkte nur anreißen, so dass die Auswahl an angegebener Literatur etwas zufällig wirkt. Als größte Schwierigkeit von Untersuchungen, die auf unterschiedliche Surveys aufbauen, hat sich die Vergleichbarkeit deren Ergebnisse herausgestellt. Insofern ist das zweite Kapitel, in dem der Autor sein Vorgehen beschreibt und vor allem ausführt, wie er die entstehenden Probleme umgehen oder lösen will, von zentraler Bedeutung. Der Autor ist sich natürlich dieses Sachverhalts bewusst und - dies ist positiv herauszuheben - artikuliert es ausdrücklich. Sein Lösungsvorschlag liegt vor allem darin, dass er auf eine konkrete Benennung der einzelnen Siedlungstypen wie beispielsweise villa verzichtet, sondern die Fundstellen aufgrund des Fundmaterials in - vier - Statusklassen einteilt. Dies ist jedoch eine eher kosmetische Vorgehensweise, die nicht mit anderen Methoden wie der von Mamoru Ikeguchi und Alessandro Launaro vergleichbar ist. [1] Grundsätzlich bleiben als Probleme bestehen, dass nicht geklärt ist, inwiefern die Methoden der einzelnen Surveys miteinander vergleichbar sind, und dass die Kategorie site ohne weiteres Hinterfragen übernommen wird. [2] Grundsätzlich kann deshalb das vorgeschlagene Vorgehen nicht garantieren, dass wirklich eine gemeinsame Vergleichsbasis geschaffen wurde. Zudem werden die Funde als Grundelemente der Untersuchung weitgehend ausgespart: Es erfolgen keine Angaben über die Fundmengen, so dass nie ersichtlich wird, auf welcher Basis Aussagen über Chronologie und Status einer Fundstelle gemacht werden. Dies ist umso misslicher, als die beiden Bücher, die als Materialgrundlage vom Autor verwendet wurden, nicht zur Standardausstattung einer klassisch-archäologischen Institutsbibliothek gehören.
Das zentrale vierte Kapitel (samt Exkurs) bietet dann eine eingehende Analyse der drei Regionen, des Beckens von Vera, des Camp de Tarragona und des oberen Almanzora-Tals. Die Untersuchungen sind sehr klar strukturiert, so dass auch eine Leserin/ein Leser, der nicht mit den Lokalitäten vertraut ist, der Argumentation gut folgen kann. Nacheinander werden diachrone Aspekte, insbesondere die Entwicklung der Siedlungszahl, synchrone Aspekte, im Wesentlichen die mengenmäßige Verteilung der verschiedenen Siedlungskategorien zueinander, und der eventuelle Zusammenhang zwischen geographischen Parametern (Höhenlage, geologische Beschaffenheit, Anbindung an Verkehrswege) und Status sowie Funktion der Siedlungen untersucht. Der Autor kommt hier zu durchaus überraschenden Ergebnissen mit wohl allgemein gültiger Aussagekraft, wenn z. B. kein Zusammenhang zwischen Geologie und der Standortwahl hergestellt werden kann. Die starke Differenzierung der Untersuchungsparameter hat jedoch zur Folge, dass die zur Verfügung stehende Sample-Größe sehr gering sein kann, wie der Autor auch selbst bemerkt: Kennzeichnend ist der Satz "Aufgrund der geringen Datenmengen sind weitere Präferenzen bezüglich Status oder Funktionen der Siedlungen nicht zu bestimmen" (60). Ebenso macht Jan Schneider doch stark einschränkende Bemerkungen zur Siedlungsgröße (z. B. 41, 44 und 45).
Ein ausführliches Fazit sowie eine englische Zusammenfassung beschließen den Textteil des Buches. Die folgenden farbigen Karten sind sehr übersichtlich und in ausreichender Größe gedruckt. Der anschließende Katalog gibt in abgekürzter Form zu sämtlichen Fundplätzen neben Koordinaten und Höhenlage Datierungen und Klassifizierungen zu Status, Größe und Funktion an. Es folgen tabellarische Übersichten zur Laufzeit der für die Datierung entscheidenden Keramikformen, wobei auffällt, dass anscheinend keine der zur Bestimmung herangezogenen Schriften nach dem Jahr 1993 erschienen ist. Sicherlich einer der interessantesten Abschnitte der gesamten Arbeit ist unter Abschnitt VII 'Statistische Tests' aufgeführt: In übersichtlicher Form werden die Ergebnisse von Testreihen vorgestellt, die den Zusammenhang zwischen zwei Größen überprüfen. So kann beispielsweise eine Relation zwischen der Ausdehnung und der Kontinuität einer Siedlung sowohl im Vera-Becken als auch im Camp de Tarragona nachgewiesen werden, zwischen der Ausdehnung der Siedlung und ihrer Entfernung zum städtischen Zentrum jedoch nicht. Besonders spannend (und weiter erklärungsbedürftig) sind Tests, die für die beiden Arbeitsgebieten zu jeweils unterschiedlichen Ergebnissen führen, so bei der Verbindung von Steigung und Erschließung (T-1.12; T-2.19). Die Sprache ist manchmal etwas umständlich, aber immer gut lesbar. Druckfehler sind selten; störend sind jedoch die vielen nicht gelöschten Trennstriche in nun nicht mehr getrennten Wörtern.
Fazit: Jan Schneider legt eine Arbeit vor, die ein in mehrfacher Hinsicht sehr interessantes Thema behandelt. Der Aufbau ist sehr klar, das Vorgehen verständlich beschrieben und stringent. Freilich wäre die Methode, um Surveyergebnisse miteinander zu vergleichen, noch zu optimieren. Auch wenn die Endergebnisse der Arbeit wohl zutreffend sind, so bleiben deshalb doch Zweifel an ihrer Tragfähigkeit. Trotz dieses Einwands bietet das Buch viele Anregungen und kann nicht nur von Personen, die sich mit dem ländlichen Hispanien, sondern generell mit Stadt-Umland-Beziehungen im Imperium Romanum beschäftigen, mit Gewinn gelesen werden.
Anmerkungen:
[1] Mamoru Ikeguchi, A comparative study of settlement patterns and agricultural structures in ancient Italy. A methodology for interpreting field survey evidence, in: Kodai Journal of Ancient History 10 (1959/2000), 1-59; Alessandro Launaro: Why, what and how to compare. Site trends and population dynamics in Roman Italy (200 BC - AD 100), in: Peter Attema /Günther Schörner (Hrsg.): Comparative issues in the archaeology of the Roman rural landscape. Site classification between survey, excavation and historical categories. Portsmouth 2012, 117-132.
[2] Vgl. dagegen die Diskussion bei einer ähnlich gelagerten Arbeit: Daniel R. Stewart: Reading the landscapes of the rural Peloponnese. Landscape change and regional variation in an early 'provincial' setting. Oxford 2013, 11-14.
[3] Isaías Arrayás Morales: Morfología histórica del territorio de Tarraco (ss. III-I A.C.). Barcelona 2005; Esther Chávez-Alvarez et al.: Protohistoria y antigüedad en el Sureste peninsular. El poblamiento de la depresión de Vera y valle del río Almanzora (Almería). Oxford 2002. Beide Bücher sind beispielsweise nicht in Österreich verfügbar.
Jan Schneider: Ländliche Siedlungsstrukturen im römischen Spanien. Das Becken von Vera und das Camp de Tarragona - zwei Mikroregionen im Vergleich, Oxford: Archaeopress 2017, VI + 214 S., zahlr. Farbabb und Kt., ISBN 978-1-78491-554-4, GBP 35,00
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