sehepunkte 18 (2018), Nr. 2

Valerie Edden (ed.): Þe Instytucyonys and Specyal Dedys of Relygyows Carmelitys

Bei vorliegendem Text handelt es sich um die mittelenglische Übersetzung von De institutione et peculiaribus gestis religiosorum carmelitarum decem libri in lege veteri exortorum et in nova perseverancium, eine Darstellung der Frühgeschichte des Karmeliterordens aus der Feder des Felip Ribot († 1391). Die Übersetzung geht auf Thomas Scrope, einen Karmeliter aus Norwich zurück und ist unikal in der Handschrift MS 192 der Bibliothek von Lambeth Palace, der offiziellen Residenz des Erzbischofs von Canterbury in der englischen Hauptstadt, überliefert. Es handelt sich dabei um eine Pergamenthandschrift, zweispaltig beschrieben, die aus zwei, in der Frühen Neuzeit zusammengebundenen Texten besteht. Der erste, im zweiten oder dritten Viertel des 15. Jahrhunderts entstandene Teil überliefert Ribots De institutione (fol. 1-43v), der zweite Scropes Übersetzung (fol. 47r-153v).

Felip Ribots Text ist für die Geschichte der Karmeliter in mehrfacher Hinsicht von Bedeutung. Über Jahrhunderte galt er als maßgebliche Darstellung der Ordensgeschichte - die aktuelle Geschichtsforschung sieht die Faktenebene heute kritisch, anerkennt jedoch den Beitrag, den Ribot zur Entwicklung spätmittelalterlicher Historiographie geleistet hat. Karmeliter aber lasen und verstanden über viele Generationen hinweg den Text nicht nur als Ansammlung historischen, ordensrelevanten Wissens, sondern beriefen sich auch in Hinblick auf die Ausbildung karmelitischer Identität, vor allem aber Spiritualität, immer wieder auf ihn. Auch Teresa von Avila sollte aus ihm schöpfen.

Ribot beginnt sein Werk mit einem Kommentar zum alttestamentarischen Propheten Elias, der von den Karmelitern als "Gründungsfigur" in Anspruch genommen wurde. Den Ordensbrüdern wurden somit von Beginn an die eigenen Wurzeln ins Bewusstsein gerufen, Wurzeln, die im Eremitentum gründeten, einer Lebensweise, die von den ersten Karmelitern an den Hängen des Berg Karmel im Heiligen Land gepflegt wurde. Nach dem Weichen vor muslimischem Druck in Richtung Europa und der Ansiedlung in Städten stellte sich die Frage nach dem eigentlichen Ordenspropositum mit Wucht: schloss man zu den bereits existierenden Bettelorden auf, musste die vita activa sehr viel stärker gewichtet werden, die vita contemplativa mithin zwangsläufig ins Hintertreffen geraten.

Der Katalane Ribot, über den nur wenig Gesichertes bekannt ist, der aber ab 1379 als Provinzial der katalanischen Ordensprovinz agierte, begriff sein eigenes Werk als Anthologie offizieller Texte aus der Frühzeit des Ordens, denen er später entstandene Materialien und eigene Kommentare hinzufügte. Es entstand nach 1379, da er sich selbst im Vorwort als Provinzial Kataloniens nennt und dürfte wohl vor 1390 abgeschlossen worden sein, als Francesc Marti, ein weiterer katalanischer Karmelit und Zeitgenosse Ribots, die Schrift in einem eigenen Traktat erwähnte. [1] Die Forschung konnte den Nachweis führen, dass die Texte, auf die sich Ribot so wortreich berief, insbesondere eine griechischsprachige, im Jahr 412 abgefasste Institutio primorum monachorum aus der Feder eines gewissen Johannes, vermeintlich 44. Bischof Jerusalems, wohl kaum existiert haben dürften.

Wie es um die Verbreitung von Ribots Text im ausgehenden 14. Jahrhundert in England bestellt war, lässt sich kaum sagen. Immerhin scheint jedoch ein Exemplar im Karmeliterkonvent zu Norwich vorhanden gewesen zu sein. Es diente Scrope als Grundlage seiner Übersetzung. Über seine Vita ist sehr viel mehr bekannt als über diejenige Ribots: Edden spricht zu Recht von einem "prolific writer who had a long and colourful life" (xv). Geboren um 1400 könnte Thomas wohl ein illegitimer Spross der Adelsfamilie Scrope sein. Biographisches Material liefert John Bale († 1563), der nach der Auflösung des Konvents in Norwich Zugriff auf dessen Bibliotheksbestände hatte und als zuverlässiger Gewährsmann gilt. Über die Grenzen dieser Glaubwürdigkeit wie über die Schwierigkeiten, mit Blick auf Thomas Scrope zwischen den Rollen eines Autors, Redaktors oder Übersetzers trennscharf zu unterscheiden, hat Edden einiges Erhellendes zu sagen (vgl. xvf.).

Scropes, in den 1440er Jahren entstandene Übersetzung zeigt sich nicht in allen Teilen gleichermaßen gelungen. Präsentieren sich die ersten Bücher vergleichsweise flüssig, offenbart sich in den Folgebüchern seine nicht immer über jeden Zweifel erhabene Beherrschung des Lateinischen. Insbesondere die Übersetzung päpstlicher Dokumente scheint Scrope Schwierigkeiten bereitet zu haben. Mit dem hochartifiziellen hypotaktischen Stil der Kurie war er augenscheinlich nicht vertraut und flüchtete sich so in allzu wörtliches Übersetzen, was zu einer gesteigerten Fehlerdichte führte. Kapitel 3 und 4 des neunten Buches sind ohne einen Blick in Ribots Originalversion überhaupt nicht zu verstehen. Mitunter liest Scrope auch einfach falsch in seiner Vorlage. Premissis wird da schon einmal als promissis, stola als schola, inserta als incerta missinterpretiert. Und die Übersetzung von Salutem in omni salutari (Gruß im Namen dessen, der unser aller Retter ist) als helth in our halthers helper zeigt, dass Scrope mit dem lateinischen Anredeformular kaum vertraut gewesen sein dürfte.

Alle Übersetzungsfehler Scropes erscheinen als solche auch im edierten Text, werden aber mit * markiert und im Kommentar diskutiert. Die Fehler der beiden Schreiber von MS 192 werden jedoch emendiert. Großschreibung, Worttrennung und Interpunktion folgen moderner Praxis. Eingefügte Paragraphen erleichtern den Überblick.

Der edierte englische Text (1-178) arbeitet mit einem einfachen Variantenapparat. Auf ihn folgt der Kommentar (79-233), in dem Emendationen im Haupttext begründet und Zitate nachgewiesen werden. Schwierige Worte werden glossiert. Als ausgesprochen nützlich für das Verständnis (zumindest für all diejenigen, die sich im Umgang mit mittelenglischen Texten etwas unsicher zeigen) erweist sich ein Glossar (235-247).

Man wird es wohl so sagen müssen: die Edition ist für Sprachhistoriker von größerer Bedeutung als für Ordenshistoriker, die weiterhin die kritische Edition des lateinischen Originals herbeisehnen dürften. Der exzellenten editorischen Arbeit Valerie Eddens tut dies jedoch keinen Abbruch.


Anmerkung:

[1] Paul Chandlers an der Universität Toronto 1991 verteidigte Dissertation mit einer Edition des lateinischen Textes von Ribots De institutione blieb bisher leider ungedruckt. Richard Copsey legte 2005 eine Übersetzung des Textes in modernem Englisch vor (The Ten Books on the Way of Life and Great Deeds of the Carmelites by Felip Ribot O.Carm.).

Rezension über:

Valerie Edden (ed.): Þe Instytucyonys and Specyal Dedys of Relygyows Carmelitys. Edited from London, Lambeth Palace, MS 192 (= Middle English Texts; 54), Heidelberg: Universitätsverlag Winter 2016, XXVI + 252 S., ISBN 978-3-8253-6709-1, EUR 58,00

Rezension von:
Ralf Lützelschwab
Friedrich-Meinecke-Institut, Freie Universität Berlin
Empfohlene Zitierweise:
Ralf Lützelschwab: Rezension von: Valerie Edden (ed.): Þe Instytucyonys and Specyal Dedys of Relygyows Carmelitys. Edited from London, Lambeth Palace, MS 192, Heidelberg: Universitätsverlag Winter 2016, in: sehepunkte 18 (2018), Nr. 2 [15.02.2018], URL: https://www.sehepunkte.de/2018/02/30206.html


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