Welche verdeckten Operationen britische Spione und Spezialeinheiten seit 1945 durchführen, das ist das Thema der hier zu besprechenden Monografie. Basierend auf bislang unveröffentlichten Archivquellen und Interviews mit Beteiligten erzählt der Historiker Rory Cormac erstmals nach, auf welche Art und Weise die britische Politik ihre außenpolitischen Interessen und Ziele mittels verdeckter Operationen (covert action) in der Vergangenheit durchsetzte und weiterhin durchsetzt. [1] Diese Operationen gehen im Unterschied zum nachrichtendienstlichen Sammeln und Auswerten von Informationen einen Schritt weiter. Covert action macht vor dem Hoheitsbereich anderer Staaten nicht Halt, sondern nimmt ganz gezielt Einfluss, um gewünschte Änderungen aktiv herbeizuführen. Das dafür notwendige Instrumentarium reicht von Manipulation über den Einsatz paramilitärischer Kräfte bis hin zu Mordanschlägen.
Cormac hat einen "britischen Weg" bis in die Gegenwart herausdestilliert. Er charakterisiert diesen als inhärent vorsichtig und defensiv, immer darauf ausgerichtet, den Status quo zu erhalten. Besonders wichtig ist ferner glaubwürdige "Abstreitbarkeit" (deniability) für den Fall, dass covert action öffentlich bekannt wird. Darüber hinaus war und ist stets politische Integration gegeben - durch enge Anbindung des Secret Intelligence Service (SIS, auch als MI6 bekannt) an das Außenministerium. Großbritannien, so Cormac, strebe eher danach, Einfluss als Macht auszuüben.
In der Frühphase des Kalten Krieges war covert action meistens eine reaktive Maßnahme. Die einzige Ausnahme war die Operation Valuable in Albanien, das aufgrund des "großen Bruchs" zwischen Jugoslawien und dem Sowjetblock geographisch exponiert war. Aber nachdem im Herbst 1949 sechs Agenten-Teams mit dem Fallschirm abgesetzt worden waren, wurden diese schnell ausgeschaltet. Auch der Versuch, zwischen November 1950 und Oktober 1951 39 Agenten einzuschleusen, endete in einem Fehlschlag. Ein Drittel der Männer überlebte nicht. Hauptgrund hierfür dürfte nicht so sehr der Verrat durch den abtrünnigen Kim Philby gewesen sein, sondern die Tatsache, dass man sich zu sehr auf albanische Oppositionsgruppen verlassen hatte. Der Fehlschlag führte dazu, dass man gegenüber dem Ostblock auf "Nadelstiche" setzte und gewaltsame Operationen sowie Sabotage praktisch ausschloss. Es ging darum, einen Keil zwischen die verschiedenen nationalistischen Strömungen und den Stalinismus zu treiben. Vor allem "schwarze" Propaganda sollte die sowjetische Autorität in den Satellitenstaaten untergraben und Dissens verbreiten. Erst Ende der 1970er Jahre ging man daran, den sowjetischen Einfluss aktiv zurückzudrängen - durch Waffenlieferungen und Training für die afghanischen Mudschaheddin bzw. Unterstützung für die polnische Solidarność, wobei letztere im Vergleich zu den USA indirekter und weniger risikobetont erfolgte.
Im Kontrast zu dieser zurückhaltenden Vorgangsweise wurde der Mittlere Osten zum Exerzierfeld britischer covert action. Erstes Versuchsfeld war der Iran, wo 1951 die Regierung Mohammad Mossadegh an die Macht gekommen war, deren Nationalisierungspolitik die Interessen Londons gefährdete. Innerhalb von zwei Jahren wurde der Sturz des Premiers bewerkstelligt, wobei der SIS mittels Falschpropaganda und Bestechung dem Putsch den Weg bereitete, der CIA aber die Ausführung der Operation überließ. Mit besonderer Vehemenz bekämpfte man den ägyptischen Präsidenten Gamal Abdel Nasser - und das schon ab 1955, ein Jahr vor der Nationalisierung des Suez-Kanals. Es soll geplant gewesen sein, Nasser unter anderem mit einem Dartpfeil, einem manipulierten Elektrorasierer oder vergifteter Schokolade zu ermorden. Als ausführende Organe erwogen wurden Nassers Arzt, die Muslimbrüderschaft, ein deutscher Söldner und sogar der Special Air Service (SAS). Diese Sondereinheit sollte im weiteren Verlauf immer mehr zum militärischen Arm der covert action werden. Eine gemeinsam mit Frankreich betriebene Intervention Ende 1956 zur Rückgewinnung der Kontrolle über Suez endete in einem Rückzug, aber die verdeckten Operationen gingen weiter. Im Jemen, wo sich Nasser seit 1962 in einem Bürgerkrieg verstrickt hatte, wurde der ägyptischen Armee ein verlustreiches "Vietnam" bereitet. Dafür genügte der inoffizielle Einsatz einiger Söldner und ehemaliger SAS-Soldaten, die den lokalen Widerstand anleiteten. Ein ähnlicher "geheimer Krieg" wurde 1972 auch im Oman geführt, wo es bei minimalem Kräfteeinsatz und unter Ausschluss jeglicher Öffentlichkeit gelang, eine Rebellion niederzuschlagen.
Ein weiterer wichtiger Schauplatz von covert action war Indonesien, wo Mitte der 1960er Jahre eine kommunistische Machtergreifung drohte. Der SAS führte zwischen 1964 und 1966 Aufklärungsvorstöße von Malaysia aus durch, die aber keine große Wirkung hatten. Als dann Ende 1965 das Militär putschte und kommunistische Parteigänger massakrierte, betrachtete die britische Regierung das Geschehen mit Wohlwollen. Nicht viel anders war es im Kongo, wo Großbritannien sich bei der Ermordung des ersten schwarzen Premierministers, Patrice Lumumba, 1961 zwar nicht direkt die Hände schmutzig machte, aber mit zum Ausgang des Geschehens beitrug. Im Gegensatz zu diesen fernen Konflikten wurde der jahrzehntelange Antiterrorkampf in Nordirland in unmittelbarer Nähe ausgefochten. Das führte dazu, dass der Einsatz von Methoden, wie sie während der Dekolonisierung in Kenia zur Anwendung kamen, kontrovers diskutiert wurde. Auch wenn es keine offizielle "shoot to kill policy" gab, ermöglichte "Abstreitbarkeit" ein Klima, in dem es immer wieder zu extralegalen Tötungen kam.
Auch nach 2001 griff Großbritannien immer wieder auf covert action zurück - so etwa in Libyen beim Sturz von Muammar al-Gaddafi 2011 und in Syrien, wo nicht nur der SAS mit Carte blanche gegen den Islamischen Staat kämpfte, sondern wo auch das für elektronische Überwachung zuständige Government Communications Headquarters (GCHQ) Terroristen im Cyberbereich ins Visier nahm. Unter dem Strich, so Cormac, hätten die verdeckten Operationen eine gemischte Bilanz hinterlassen: Es habe eindeutige Fehlschläge wie in Albanien, Ägypten und Syrien gegeben, dagegen aber auch Erfolge im Iran, in Indonesien und im Oman. In Nordirland wiederum hätten die Geheimoperationen der Irisch-Republikanischen Armee schweren Schaden zugefügt, sich aber mitunter als kontraproduktiv erwiesen. In Libyen kam es zwar zu einem schnellen Regimewechsel, aber danach stürzte das Land ins Chaos. Ebenso gelang es, die ägyptische Militärmacht im Jemen zu schwächen, das verhinderte freilich nicht, dass sich Großbritannien 1967 aus Aden zurückzog.
Cormacs Buch ist angesichts der aktuellen Diskussion rund um hybride Kriegführung hochaktuell. Es macht deutlich, dass Beeinflussungsstrategien und fake news keine Neuheit sind, im Gegenteil: "Russia may be up to its old tricks, but Britain has been here before." Deswegen werde covert action weiterhin eine Konstante bleiben - trotz aller Ambivalenzen und der durchwachsenen Bilanz. (286) "Disrupt and Deny" ist zweifellos eine wichtige Neuerscheinung im Bereich der Intelligence Studies, die hoffentlich Anstöße für ähnliche Fallstudien gibt. Das einzige Manko besteht darin, dass der Quellenzugang weiterhin schwierig bleibt - so sind relevante SIS-Akten nach wie vor überwiegend unter Verschluss.
Anmerkung:
[1] Zum Thema vgl. u.a. Christopher Andrew: The Defence of the Realm. The Authorized History of MI5, London 2009; Keith Jeffery: MI6. The History of the Secret Intelligence Service, 1909-1949, London u.a. 2011; Calder Walton: Empire of Secrets. British Intelligence, the Cold War and the Twilight of Empire, London 2013; Richard J. Aldrich / Rory Cormac: The Black Door. Spies, Secret Intelligence and British Prime Ministers, London 2016.
Rory Cormac: Disrupt and Deny. Spies, Special Forces, and the Secret Pursuit of British Foreign Policy, second impression, Oxford: Oxford University Press 2018, XII + 394 S., ISBN 978-0-19-878459-3, GBP 20,00
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