Bereits im Vorwort (IX-XII) gibt Peter Hunt das Ziel seines Buches an: Es ist zur Benutzung in universitären Kursen zur griechischen und römischen Sklaverei, als ergänzendes Textbuch zur Sozialgeschichte sowie für interessierte Leser an vergleichenden Sklavereistudien und antiker Kulturgeschichte gedacht. Die möglichst ausschließliche Beschränkung auf englische neueste Literatur ist dezidiert gewollt (s. References: 221-237). Damit wendet sich der Autor vorrangig an amerikanische Studenten und Leser. Das wird besonders deutlich an der überwiegenden Auswahl seiner Vergleiche aus der Südstaatensklaverei (82; 99/100) und der entsprechenden Forschungsgeschichte (139). Seine Forschungsüberblicke beziehen sich auf amerikanische und englischsprachige Kontroversen. Nur in Ausnahmefällen eines Alleinstellungswertes des behandelten Spezialgebietes werden anderssprachige Autoren gewürdigt: (Strauss: Papyrologie, Kolendo: Ikonographie, Lauffer: Bergwerkssklaven). [1]
Der Aufbau des Buches ist pädagogisch geschickt und überzeugend. Hunt will kein Handbuch, sondern ein Studienbuch schreiben. Es kommt ihm nicht auf Chronologie und Lückenlosigkeit an, sondern auf eine Mischung von Überblicksdarstellungen im Sinne einer Makrogeschichte und vertieften mikroskopischen Einblicken in anekdotischen Erzählungen. Obwohl er weiß, dass die "antike Sklaverei" ein Forschungsprodukt ist, und es große Unterschiede zwischen griechischer und römischer Sklaverei gibt, hält er an einer gemeinsamen Behandlung der beiden Sklavereien aufgrund historischer Verbindungen und kultureller Ähnlichkeiten fest (2). Parallelen und Unterschiede hofft er damit klarer herausarbeiten zu können, was nicht immer der Fall ist (s.u.). Leicht schleicht sich bei ihm, Verfasser einer griechischen Kriegsgeschichte, eine Dominanz des Griechischen ein, die jedoch beim weiteren Fortschreiten des Buches mit den typisch römischen Thematiken von Freilassung, gesellschaftlicher Integration und sogenannten Humanisierungstendenzen in der Rechtspraxis zugunsten der Römer ausgeglichen wird. Das wird auch in der thematischen Gliederung erkennbar.
Einer Einführung in den historischen Kontext von der mykenischen Palastwirtschaft bis zu den frühmittelalterlichen Schollegebundenen (1-15) folgt ein Kapitel über die höchst kontroversen Definitionen von Sklaverei (17-29). Kontrovers geht es bei den Versklavungsarten, den sogenannten Quellen der Sklaverei weiter (31-48). In der großen Forschungsdiskussion um die Dominanz der Sklavenreproduktion in der römischen Kaiserzeit vor Kriegsgefangenschaft, Kindesaussetzung, Selbstverkauf und Piraterie (= Menschenhandel) stellt sich Hunt eindeutig auf die Seite von Walter Scheidel. [2] Scheidel gibt selbst zu, dass seine Statistiken auf reinen Analogieschlüssen zu späteren vorindustriellen Gesellschaften beruhen. Auch der Glaube mancher Forscher an die bei den antiken Autoren überlieferten Kriegsgefangenenzahlen ist erschüttert und dadurch nicht mehr belastbar. [3] Schließlich weist Hunt selbst 80 Seiten später im Rahmen seines Kapitels über Sexualität und Familienleben (99-116) darauf hin, dass Sklavennachwuchs nicht unter allen Umständen gewollt war: wegen der hohen Mortalitätsrate von Mutter und Kind, einem Risiko für alle Investitionen (111). Damit spricht er die Ambivalenz der Sklavenbesitzer zur natürlichen Reproduktion an. Um die Scheidel'sche Theorie nicht weiter zu entkräften, ist die Aussetzung neugeborener armer Kinder für Hunt ein Beweis für die Wertlosigkeit des Nachwuchses. Zwei Argumente stehen dagegen: Der Kinderverkauf ist den Eltern bis Konstantin verboten, Aussetzung nicht; Nachfrage nach und Geschäft mit ausgesetzten freien und unfreien Kindern blühen in der römischen Antike. [4] Das spricht eher für ein Nebeneinander der verschiedenen Quellen der Sklaverei und gegen die Dominanz einer einzigen.
Im Ökonomiekapitel (49-65) stuft Hunt das klassische Athen und das republikanische Rom im Finley'schen Sinne als Sklavenhalterstaaten ein, weil sie Profit aus der Sklaverei zogen. Da im römischen Kaiserreich, im Gegensatz zu Athen, freie Arbeit billig, Sklavenarbeit aber teuer und mit letzterer kein Profit mehr zu erzielen war, ist das kaiserzeitliche Rom eine "Gesellschaft mit Sklaven", eine neue Forschungsthese in der seit Moses Finley nicht zur Ruhe gekommenen Diskussion um die Charakterisierung von antiken und modernen Gesellschaften, die die Sklaverei kennen.
Im Politikkapitel (67-82) versucht Hunt auf eine andere These von Moses Finley eine neue ergänzende Antwort zu geben: Die Ermöglichung der attischen Demokratie durch die Existenz der Sklaverei sieht er in der Abschaffung der Schuldsklaverei durch Solon und im Beginn einer bipolaren Gesellschaft von freien reichen wie armen Athenern und unfreien abhängigen Fremden gegeben. Der Vergleich mit Rom passt hier nur insofern, als es ein anderes Modell, nämlich einer in Ständen und Schichten hoch stratifizierten Gesellschaft darstellt. Seine klugen Ausführungen zur Bedeutung der Sklaven, Freigelassenen und Eunuchen in der kaiserlichen Administration (75-82) müssen mit dem Kapitel über Freilassung und Freigelassene (117-135) zusammen gelesen werden. Im Kern geht es beim Vergleich Athen - Rom um ein geschlossenes demokratisches Gesellschaftssystem in Athen mit einem exklusiven Bürgerrecht und um ein offenes integratives höchst mobiles Stände- und Schichtensystem der römischen Gesellschaft bis in die Spätantike hinein mit offenem Bürgerrecht. Mikroskopische Einblicke in die Verflechtungen von Familienleben, erzwungener Sexualität, Emotionen und kühlen Profitberechnungen bei Herren und Sklaven ermöglichen die Erzählung der Edelprostituierten Neaira (103-105) und die kriminalistisch rekonstruierten Freilassungsinschriften der Paramonarierin Eisias (106/7). Stets bleibt Hunt differenziert und sensibel gegenüber seinen Quellen und deren Kontext.
Immer wieder hinterfragt Peter Hunt scheinbar gesicherte Positionen, so wenn er bezüglich der Sklavenaufstände (155-172) meint, dass es richtiger wäre zu fragen, warum es überhaupt zu Aufständen gekommen ist, weil sie alle scheitern mussten, als dass es nur so wenige gab. Gleiches gilt für die Frage nach der Abschaffung der Sklaverei: Verwunderlich ist nicht, warum die stoischen Gedanken von der Gleichheit aller Menschen und die Überzeugung der römischen Juristen von der Naturwidrigkeit der Sklaverei (Philosophie und Recht: 191-208) nicht zur Forderung der Abolition geführt haben, sondern dass nach einer mehrere Jahrtausende alten Akzeptanz der Sklaverei es überhaupt zum modernen Abolitionismus gekommen sei (208). Das Buch endet mit einem Ausblick in die Rezeption der antiken Sklaverei (Niedergang und Vermächtnis: 209-220) und einem 'intelligenten', gut strukturierten Index (239-248, Schreibfehler 248: woolworking statt woodworking Prostituierte).
Abschließend kann man sagen, auch wenn Peter Hunt neben den beiden Säulen griechische Philosophie und römisches Recht, die dritte Säule, die für das Fortleben der Sklaverei in Mittelalter und Neuzeit ausschlaggebend war, nämlich die Bibel, nicht aufführt, weil er das Christentum unzureichend und das Judentum überhaupt nicht in seine Darstellung mit einbezieht, so muss man doch uneingeschränkt anerkennen, dass er ein gelungenes Buch vorgelegt hat. Ob es für den studentischen Anfänger geeignet ist, bleibe dahingestellt.
Anmerkungen:
[1] Ergänzende Überblicksliteratur: Heinz Heinen (u.a.) (Hg.): Handwörterbuch der Antiken Sklaverei (HAS), 3 Bde., Stuttgart 2017; Leonhard Schumacher: Sklaverei in der Antike. Alltag und Schicksal der Unfreien, München 2001; Elisabeth Herrmann-Otto: Sklaverei und Freilassung in der griechisch-römischen Welt, Hildesheim 20183 (alle mit internationalen Bibliografien).
[2] S. Haupttexte der Kontroverse Walter Scheidel, William V. Harris in deutscher von den Autoren autorisierter Übersetzung, in: Elisabeth Herrmann-Otto (Hg.): Antike Sklaverei (= NWdF), Darmstadt 2013, 73-117.
[3] Karl-Wilhelm Welwei: Sub corona vendere. Quellenkritische Studien zu Kriegsgefangenschaft und Sklaverei in Rom bis zum Ende des Hannibalkrieges (= FAS; 34), Stuttgart 2000.
[4] Keith Bradley, Kai Ruffing, s.v. Aussetzung, in: HAS 1 (2017) 320/4.
Peter Hunt: Ancient Greek and Roman Slavery, Hoboken, NJ: Wiley-Blackwell 2018, XVI + 248 S., 6 Kt., 16 s/w-Abb., ISBN 978-1-405-18806-7, USD 84,95
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