sehepunkte 19 (2019), Nr. 11

Rose-Marie Herda-Mousseaux: La Fabrique du luxe

Der hier besprochene Katalog erschien anlässlich der gleichnamigen Ausstellung im Pariser Musée Cognacq-Jay unweit der Place des Vosges (29. September 2018 bis 27. Januar 2019). Im Fokus stehen die marchands merciers, spezielle Händler im Paris des 18. Jahrhunderts. Ihnen wurde das Herstellen von Objekten untersagt, dafür war ihnen als einziger Gilde gestattet, Erzeugnisse aus verschiedenen Materialien miteinander zu kombinieren. Alle anderen Handwerke waren verpflichtet, lediglich mit einem Werkstoff zu arbeiten: Ein Schreiner durfte beispielsweise nur mit Holz arbeiten, ein Goldschmied nur mit Edelmetallen. Sollte ein Tisch mit feuervergoldeten Bronzen verziert werden, kamen die marchands merciers ins Spiel, die als Mittler zwischen den einzelnen Handwerken dienten und die fertigen, kompositen Objekte in ihren Geschäften verkauften.

Der Katalog ist in drei Teile gegliedert: Auf eine kurze Einleitung von Rose-Marie Herda-Mousseaux, der Direktorin des Musée Cognacq-Jay, folgen die drei Hauptteile mit jeweils einem kurzen einleitenden Aufsatz. Diese drei Aufsätze enthalten die grundlegenden Informationen zu den marchands merciers und dem Kontext, in dem sie operierten. Der erste Teil widmet sich der Gilde der marchands merciers im Allgemeinen. Geschrieben hat ihn Carolyn Sargentson, die 1996 eine bis heute aktuelle Monografie über diese Händler verfasst hat. [1] Letztlich gibt der sehr knappe Text die Kernpunkte dieser Publikation wieder. Im zweiten Teil steht die Verteilung der Geschäfte der marchands merciers innerhalb der Stadt im Fokus und ihre daraus ablesbare Verortung im sozialen Gefüge der aristokratischen Gesellschaft im Paris des 18. Jahrhunderts. Schließlich widmet sich der dritte Teil den Verkaufsstrategien der Händler. Zwar gibt der Autor Stéphane Castellucio hauptsächlich seine eigenen, älteren Forschungsergebnisse sowie jene von Sargentson wieder, gleichzeitig demonstriert er in dem klar gegliederten Aufsatz jedoch die verschiedenen Methoden der Händler. Vor allem macht er anhand von Werbeannoncen einzelner Händler in Zeitschriften plausibel deutlich, dass die marchands merciers letztlich die Werbung erfanden und ihre Strategien als Vorläufer des heutigen Marketings verstanden werden können.

Auf spezifischere Aspekte fokussierte Aufsätze ergänzen die drei Hauptteile. Im ersten Teil demonstriert Rose-Marie Herda-Mousseaux anhand der Porzellanblüten aus der Porzellanmanufaktur Vincennes (seit 1756 Sèvres) gut nachvollziehbar die koordinierende Rolle der marchands merciers. Auch wenn die Händler nicht im handwerklichen Sinne Objekte herstellten, schufen sie doch neuartige Dinge, die als Inbegriff von Luxus galten. Teil 2 und 3 des Katalogs bestehen hauptsächlich aus Beiträgen, die sich jeweils einem marchand mercier beziehungsweise einer Dynastie widmen. Leider sind nur die berühmtesten Händler vertreten, weniger bekannte marchands merciers wie etwa Jacques-François Machart finden keine Erwähnung. Zwar ist eine systematische Übersicht wie die vorliegende über die Hauptakteure wertvoll, doch es ist eine vertane Chance, dass nicht auch den unbekannteren Händlern zu mehr Sichtbarkeit verholfen wurde.

Neben weiteren Händlerbiografien setzt sich Teil 3 aus einem Aufsatz zur Kreation von Luxusobjekten sowie einem zum System der Kredite zusammen. Besonders interessant ist Natacha Coquerys Aufsatz über das Kreditsystem, da er die einschlägige Literatur zu den marchands merciers um einen neuen Aspekt erweitert. Coquery ist Professorin an der Université Lumière-Lyon-II und hat zahlreiche Publikationen zum Thema Handel und Luxus verfasst hat, unter anderem ein Buch zum "L'hôtel aristocratique. Le marché du luxe à Paris au XVIIIe siècle" (Paris 1998). Anhand erhaltener Rechnungsbücher einiger marchands merciers zeigt sie nun auf, dass ihr Geschäftsmodell im Wesentlichen aus einem Kreislauf an Schulden bestand: Die Kunden erwarben die Waren auf Kredit, woraufhin die Händler im Gegenzug ihren Lieferanten die Zahlungen schuldig blieben. Nur wer diese schwierige Balance der gewährten Kredite und eigenen Schulden beherrschte, blieb im Geschäft. Darüber hinaus zeigt Coquery, dass sich anhand der Kredite auch die Hierarchie der einzelnen Gewerbe ablesen lässt, denn Schulden konnten nur gegenüber sozial schlechter gestellten Schichten gemacht werden.

Zwischen die Aufsätze sind thematisch passende Zitate aus zeitgenössischen Quellen eingestreut, die den Katalog um eine sinnvolle Dimension erweitern. Schließlich finden sich im Anhang die vereinfachten Stammbäume von drei marchands merciers, die etwas willkürlich gewählt und dadurch verzichtbar erscheinen. Zudem demonstriert ein Aufsatz anhand der Sammlung des Museums die Partnerschaften einiger konkreter Händler mit ihren exklusiven Zulieferern. Dieser direkt an Objekten aus der Sammlung des Museums orientierte Text ist in den Anhang verbannt, hätte aber durchaus einen Platz im Hauptteil verdient.

Die Beiträge werden mittels ausgesprochen zahlreiche Farbabbildungen illustriert, die durch viele Vergleiche weit über die in der Ausstellung gezeigten Objekte hinausgehen und dem Thema Luxus mehr als gerecht werden. Darüber hinaus ergänzen Genreszenen und zeitgenössische Stadtansichten von Paris die Erzeugnisse der marchands merciers. Dadurch wird der historische Kontext visuell greifbar. Der einzige Wermutstropfen ist, dass diese Abbildungen teilweise etwas weit von den entsprechenden Textstellen entfernt sind, so dass beim Lesen der Aufsätze viel geblättert werden muss.

Die Navigation im Katalog ist auch deshalb etwas schwierig, weil die Einstreuung der Biografien der marchands merciers und der Aufsätze nicht unmittelbar nachvollziehbar ist. Da die Beiträge über die Händler chronologisch und nicht alphabetisch angeordnet sind, ist eine gezielte Suche ohne das Inhaltsverzeichnis nicht möglich. Auch das System der einleitenden und weiterführenden Aufsätze ist auf den ersten Blick nicht ganz verständlich, obwohl die ergänzenden Beiträge grün hinterlegt sind.

Alles in allem ist "La Fabrique du luxe" ein attraktiver Katalog, der die wichtigsten Informationen über die marchands merciers knapp auf den Punkt bringt. Gegenüber dem Text überwiegen die Abbildungen deutlich und die gesamte Ästhetik des Buchs wird seinem Thema absolut gerecht. Zwar konnten für die Beiträge auf diesem Gebiet führende Autoren gewonnen werden, durch die Knappheit und im Wesentlichen eher summarische Qualität der Texte ist die Veröffentlichung jedoch eher für ein breiteres Publikum geeignet. Dies ist für einen Ausstellungskatalog aber durchaus angemessen - vor allem, wenn er die Welt der marchands merciers im Paris des 18. Jahrhunderts sowohl ästhetisch als auch inhaltlich so anschaulich vor Augen führt.


Anmerkung:

[1] Carolyn Sargentson: Merchants and Luxury Markets. The marchands merciers of Eighteenth Century Paris, London 1996.

Rezension über:

Rose-Marie Herda-Mousseaux: La Fabrique du luxe. Les marchands merciers parisiens au XVIIIe siècle, Paris: Musées de la Ville de Paris 2018, 176 S., zahlr. Abb., ISBN 978-2-7596-0400-5, EUR 29,90

Rezension von:
Joana Mylek
Institut für Kunstgeschichte, Ludwig-Maximilians-Universität München
Empfohlene Zitierweise:
Joana Mylek: Rezension von: Rose-Marie Herda-Mousseaux: La Fabrique du luxe. Les marchands merciers parisiens au XVIIIe siècle, Paris: Musées de la Ville de Paris 2018, in: sehepunkte 19 (2019), Nr. 11 [15.11.2019], URL: https://www.sehepunkte.de/2019/11/32849.html


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