Angesichts der Zerstörungen im Bürgerkrieg haben die architektonischen Überreste des antiken Syrien in den letzten Jahren auch in der Forschung große Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Weniger bekannt sind dagegen die Spuren der spätantiken Architektur und des frühchristlichen Lebens im Südkaukasus und besonders diejenigen auf dem Gebiet des heutigen Ostgeorgien, wo in der Antike das Königreich Iberien (Eigenbezeichnung: Kartli) lag. Die Verbreitung des Mönchtums in Iberien wird gemäß lokaler Legende eng mit einer im sechsten Jahrhundert aus (As-)Syrien eingewanderten Gruppe von Mönchen in Verbindung gebracht. Emma Loosley Leeming, Spezialistin für das spätantike Syrien, folgt den Spuren dieser Mönche und stellt die generelle Frage nach kulturellen Kontakten zwischen Iberien und Syrien.
Nach der Eingrenzung des Forschungsgebietes unternimmt sie den Versuch, die (as)syrischen Väter genauer zu identifizieren. Als Ziel wird der kulturelle Vergleich zwischen Iberien und Syro-Mesopotamien (3f.) angegeben. Kapitel eins fragt nach dem ethnischen Hintergrund der Väter und nach der Überlieferung außerhalb Georgiens und thematisiert historische Probleme der georgischen Sprache und Schrift. Loosley Leeming stellt fest, dass die Bezeichnungen 'syrisch' und 'assyrisch' in der georgischen Tradition synonym für die Väter genutzt werden. Indem sie nun den iranischen Einfluss auf das antike Iberien herausarbeitet, kommt die Autorin zu einer differenzierteren Unterscheidung zwischen den beiden Begriffen. Diese Unterscheidung wird im Verlauf der Studie zur Grundlage der genaueren Eingrenzung ost- und westsyrischer Einflüsse.
Das zweite Kapitel vergleicht die Entwicklung der frühchristlichen Architektur. Darauf folgt ein längerer Abschnitt, der die Forschungsgeschichte auf syrischer und georgischer Seite in den Blick nimmt. An die Beschreibung von Eigenheiten der Epocheneinteilung und der damit verbundenen Forschungsprobleme schließt sich ein Überblick über die frühen Christen in Iberien und ein Abschnitt über die Entwicklung der Kirchenarchitektur im syrischen Raum an. Der Feuertempel und die christlichen Basiliken von Nekresi werden als Beispiele für iberische Architektur eingeführt. Sehr schön zeigt Loosley Leeming, wie hier Zoroastrismus und Christentum im vierten und fünften Jahrhundert parallel existierten.
Das dritte Kapitel beschäftigt sich mit materiellen Wechselwirkungen und gelangt zu dem Schluss, dass es keinen iberischen Einfluss auf Syrien und nur wenig in umgekehrter Richtung gab. Im vierten Kapitel untersucht sie die Verbindung Iberiens mit dem Kult der Styliten und widmet sich seiner lokalen Ausprägung. Aus der Untersuchung (98) folgert sie, dass auch hier die syrischen Einflüsse nicht stark waren und der lokale Kult höchstens durch syrische Einwirkung inspiriert wurde. Dagegen will sie jedoch direkte Einflüsse aus Mesopotamien erkennen.
Das fünfte Kapitel widmet sich der kirchlichen Architektur: Loosley Leeming betont, dass die Forschung als 'syrisch' zumeist die Architektur des syrischen Westens ansieht. Die ostsyrische Architektur beschreibt sie demgegenüber als einen Mix sāsānidischer und lokaler semitischer Einflüsse (110) - ein Befund, der die Autorin direkt zur südiberischen Kirche von Bolnisi und deren dekorativen Elementen führt.
Das sechste Kapitel vergleicht die Ausstattung der Kirchen sowie die liturgische Praxis. Trotz offensichtlicher Ähnlichkeiten in der Altaranordnung argumentiert Loosley Leeming konsequent gegen syrische Einwirkung und plädiert stattdessen für Einflüsse aus Jerusalem und Nordmesopotamien. Anschließend diskutiert sie die Wirkung der im Sāsānidenreich bedeutsamen 'Kirche des Ostens' auf das iberische Christentum; ein Thema, das bereits in den vorhergehenden Kapiteln öfter angeschnitten wurde.
Im siebten Kapitel kommt Loosley Leeming zu dem Schluss, dass es auch in den literarischen Quellen keine Zeugnisse für engere Kontakte zwischen Iberern und Syrern gibt. Es folgt eine Untersuchung zu den Väternamen, wobei auch die Silberschale des Flavius Dades einbezogen wird, deren historische Einordnung allerdings heute so nicht mehr haltbar ist. [1] Auch hier fehlten Verbindungen nach Syrien. Gleiches gelte für epigrafische Zeugnisse, da bislang keine syrischen Inschriften in Iberien gefunden worden sind. Das alles führt zur These, dass die (as)syrischen Väter nicht gleichzeitig als Gruppe, sondern über einen längeren Zeitraum verteilt nach Iberien gekommen seien, und dass sie nicht alle aus der gleichen Gegend stammten, sondern Flüchtlinge aus unterschiedlichen Regionen gewesen seien.
Das letzte Kapitel verortet das Höhlenmönchtum im christlichen Kontext. Kontakte nach Syrien vor dem achten Jahrhundert sieht die Autorin auch hier nicht nachweisbar. Anschließend geht die sie nochmals auf die Bergbewohner und die Christianisierung Iberiens ein und konstatiert erneut Ähnlichkeiten der iberischen Liturgie mit der Kirche des Ostens und mit Nordmesopotamien.
Ein ausführliches Fazit schließt die Darstellung ab. Hier stellt Loosley Leeming fest, dass die Gebiete westlich des Surami-Passes aus wirtschaftlicher Sicht stets dem mediterranen Kulturkreis angehörten, während die Gebiete östlich der iranischen Sphäre zuzuordnen seien. Schließlich gelangt sie zu dem Urteil, man könne sicher von den assyrischen Vätern sprechen, da diese aus Nordmesopotamien kämen. Eine ausführliche Bibliografie (mit Bezug auf verwendete Quellen) sowie ein Index runden das Buch ab.
Die vorliegende Studie zeugt von profunder Kenntnis des syrischen Raumes und berücksichtigt wichtige georgische Forschungen. Allerdings werden gerade letztere oft einseitig dargestellt, denn es gibt einige georgische Wissenschaftler, die (wie der zitierte Nodar Bakhtadze oder Manana Odisheli) sehr wohl auf Augenhöhe mit der internationalen Forschung stehen. Ein zweiter Kritikpunkt ist, dass wichtige und gerade im Bereich der frühchristlichen Architektur Kaukasiens zentrale Forschungen und Erkenntnisse von Annegret Plontke-Lüning (z.B.: im Falle Bolnisis und dem sich von dort ausbreitenden Stils der Gogarene-Werkstatt [2]) nicht berücksichtigt wurden und mit Giorgi Chubinashvili ein - auch aus Sicht der heutigen georgischen Forschung - veralteter Forschungsstand als Ausgangspunkt gewählt wurde. Auch fehlen wichtige Monumente wie die berühmten Mosaikböden von Dzalisi (50km NW von Tbilisi), bei denen sich deutlich westsyrische Einflüsse in der Mitte des dritten Jahrhunderts erkennen lassen. [3]
Es ist das Verdienst der Studie, den Blick auf das das antike Kaukasien zu schärfen. Ansätze aus den cross-cultural studies werden produktiv für die historische Forschung genutzt. Das Buch ist als Einstieg in die christliche kaukasische Kunst- und Religionsgeschichte auch für Nicht-Spezialisten gut geeignet.
Anmerkungen:
[1] Siehe dazu jetzt Jean Coert / Tassilo Schmitt: Wer war Fl. Dades? Überlegungen zum Verständnis einer Inschrift aus dem kaukasischen Iberien, in: Advances in Ancient Black Sea Studies. Historiography, Archaeology and Religion, hgg. von Victor Cojocaru et. al., Cluj-Napoca 2019, 347-390.
[2] Annegret Plontke-Lüning: Frühchristliche Architektur in Kaukasien. Die Entwicklung des christlichen Sakralbaus in Lazika, Iberien, Armenien, Albanien und den Grenzregionen vom 4. bis zum 7. Jh., Wien 2007, 208.
[3] Manana Odišeli: Spätantike und frühchristliche Mosaike in Georgien (= Schriften der Balkan-Kommission, antiquarische Abteilung; Bd. 20), Wien 1995, 17-20 u. 26.
Emma Loosley Leeming: Architecture and Asceticism. Cultural Interaction between Syria and Georgia in Late Antiquity (= Texts and Studies in Eastern Christianity; Vol. 13), Leiden / Boston: Brill 2018, XVIII + 236 S., ISBN 978-90-04-37363-1, EUR 125,00
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