Während moderatio und modestia als zwei der römischen Kerntugenden gelten, wurde luxuria stets mit kritischem Blick beäugt. Die Demonstration von Luxus vor aller Augen war in allen Gesellschaftsschichten verpönt - ganz besonders bei den 'sozialen Aufsteigern', aber auch bei den etablierten traditionellen Eliten Roms. Sie wurde wahrgenommen als bewusstes, unangemessenes Ausbrechen aus dem gängigen Normen- und Wertekanon der römischen Gesellschaft, so dass mit Hilfe zahlreicher Sumptuarengesetze sowohl in der Republik als auch in der Kaiserzeit dagegen vorzugehen versucht wurde.
Die hier zu besprechende Monographie von Jordi Pérez González, Post-Doc an der Universitat de Girona, befasst sich exakt mit diesem Luxus, stellt aber nicht dessen juristische oder soziale Perspektive ins Zentrum, sondern nimmt die ökonomischen Akteure in den Blick. Die Einleitung umreißt den Rahmen des Unterfangens: Der Band ist das Ergebnis einer fünfjährigen Recherche der epigraphischen Evidenz zu Konsumenten und Produzenten von Luxusgütern als zwei unterschiedlichen sozialen Gruppen, die als materielle Nutznießer der römischen Expansion gelten dürfen. Der chronologischen Rahmen reicht von der augusteischen Zeit bis zum Ende der Severer, allerdings sind auch Inschriften aus sullanischer bzw. caesarischer Zeit im Katalog aufgenommen worden. Geographisches Zentrum der Überlegungen ist v.a. Rom.
Die Studie zerfällt in zwei Teile - während sich Pérez González im ersten, einführenden Teil (27-90; Luxury retail trade in universal Rome) dem Luxushandel zuwendet, widmet sich der zweite Teil (93-179; Sumptuary Craftsmen) in je einem eigenen Kapitel den Berufsgruppen der aurifices, margaritarii, gemmarii, purpurarii und unguentarii sowie diesen jeweils nahestehenden Handwerkern und Händlern als denjenigen Personen, die konkret an der Fertigung kostspieliger und hochpreisiger Waren beteiligt waren.
Im ersten Kapitel (27-40) präsentiert Pérez Gonzáles die urbanen Gegebenheiten, die für Handel, Produktion und Konsumption von Luxusgütern von zentraler Bedeutung waren und umreißt zentrale Marktorte wie das macellum Liviae, die römischen horrea oder das Umfeld der via sacra. Im zweiten Kapitel (40-90) wendet er sich dann den Handelswegen zu und stellt die zentralen Routen zu Wasser und zu Land vor, auf denen entsprechende Wertgegenstände auch aus weit entfernten Regionen in die Metropole am Tiber gelangten, etwa die Routen über das Rote Meer und Ägypten sowie die sogenannten Seidenstraße(n).
Der umfangreichere zweite Teil (93-179) umfasst fünf Kapitel über die Produzenten von ausgewählten Luxusgütern in der Stadt Rom. Pérez González verfolgt hier einen prosopographischen Ansatz, der auf der Auswertung von Grabinschriften und anderem epigraphischen Material beruht. So kann er einerseits Aussagen über den sozialen Stand der Handwerker sowie über deren Verbindungen in die römischen Eliten bis hin zur kaiserlichen Familie treffen, andererseits aber auch die Spezialisierungen einzelner Berufsgruppen genauer fassen. Bedauerlich ist dabei, dass er seine diesbezüglichen Ergebnisse nicht mit bereits vorliegenden Spezialstudien zur beruflichen Spezialisierung, insbesondere deren methodisch-terminologischen Rahmen, in Beziehung setzt. [1] Auch fehlt für das in den letzten Jahren stark expandierende wissenschaftliche Feld der antiken Textilforschung Einiges an neuerer Literatur zu den purpurarii. [2] Überhaupt hätte es die Rezensentin begrüßt, wenn die hier vorgelegten Inschriften stärker mit den bereits in der Forschungsliteratur vertretenen Positionen verknüpft worden wären. Beispielsweise referiert Pérez González unterschiedliche Sichtweisen zu den bei Sueton erwähnten Einschränkungen der Verwendung von Purpur unter Nero und bietet darunter eine graphische Übersicht zur chronologischen Verteilung des epigraphischen Befundes zu den purpurarii, vestiarii und sericarii Roms (Abb. 18), verortet seine Ergebnisse aber nicht innerhalb der Diskussion.
Beschlossen wird der Band durch den gut aufgearbeiteten, umfangreichen Katalog der gut 200 analysierten Inschriften (203-290), eine Bibliographie (291-344) sowie Indizes (345-369) zu literarischen Quellen, Orten, Sachen, Personen und einem 'reference index'. Leider fehlt ein Index der verwendeten Inschriften in Ergänzung zum Inschriftenkatalog, der für die Benutzung des Bandes hilfreich gewesen wäre. So ist es etwas mühsam, zu prüfen, ob und wo eine bestimmte Inschrift besprochen wurde.
Die Studie verdeutlicht das enorme Potential der Inschriften für das Verständnis der antiken Wirtschaftsgeschichte. Abgesehen vom oben bereits Genannten erfolgt keine genauere Präzisierung, was Peréz González als Luxusartikel auffasst. Zwar gibt er in der Einleitung eine Definition, die die "rarity of the good and its distant origin" betont (15), erläutert aber nicht, warum seine Arbeit beispielsweise exklusive Lebensmittel [3] oder Kleiderluxus abseits von Purpur ausklammert (die sericarii kommen zwar vor, hier wird aber - im Gegensatz zu Purpur - nicht auf Quellen zur Herstellung von Seide rekurriert). Umgekehrt erklärt die Zugrundelegung dieser Definition die Betrachtung von Waren aus Gold nur unzureichend, da ein Großteil des verarbeiten Goldes aus den hispanischen Bergwerken stammte (108 mit Abb. 11). Die Kapitel des zweiten Teils hätten von Zusammenfassungen der zentralen Ergebnisse profitiert, wie auch der gesamten Arbeit ein abschließendes Kapitel gut getan hätte. So bleiben die z.T. sehr interessanten Inschriften und Graphiken (für die ein sorgfältigeres Lektorat gut gewesen wäre; so sind die Legenden teils in Spanisch, teils in Französisch, teils fehlen sie ganz) etwas isoliert und manche Chance auf tiefer gehende Einblicke bleibt ungenutzt.
Ungeachtet der angeführten Kritikpunkte wird die Arbeit v.a. wegen der sehr verdienstvollen Zusammenstellung der Inschriften, die weitere Beschäftigung der altertumswissenschaftlichen Forschung mit ökonomischen Fragestellungen bereichern und hoffentlich dazu beitragen, der antiken Wirtschaftsgeschichte einen festen Platz unter den Kernthemen der Erforschung der antiken Welt einzuräumen.
Anmerkungen:
[1] Kai Ruffing: Die berufliche Spezialisierung in Handel und Handwerk. Untersuchungen zu ihrer Entwicklung und zu ihren Bedingungen in der römischen Kaiserzeit im östlichen Mittelmeerraum, Rahden/Westf. 2008 (Pharos 24).
[2] Etwa Ben Lowe: Purpurarii in the Western Mediterraean, in: Treasures from the Sea: Sea-silk and Shell purple dye in antiquity, hg. von Francesco Meo / Hedvig Enegren Landenius Enegren, Oxford 2017, 154-158; Fernández Uriel Pilar: Purpurarii: un trabajo y un oficio en África romana, in: L'Africa romana: i luoghi e le forme dei mestieri e della produzione nelle province africane, hg. von Marco Milanese / Cinzia Vismara / Paola Ruggeri, Rom 2010, 427-440; L. Hughes: 'Dyeing' in Ancient Italy? Evidence for the purpurarii, in: Ancient textiles. Production, crafts and society, hg. von Carole Gillis / Marie-Louise Nosch, Oxford 2007, 87-92.
[3] Etwa Werner Tietz: Dilectus ciborum. Essen im Diskurs der römischen Antike, Göttingen 2013.
Jordi Pérez González: Sumptuary specialists and consumer elites in Romes world order (= Instrumenta; 75), Barcelona: Edicions. Universitat de Barcelona 2021, 382 S., ISBN 978-84-9168-769-6, EUR 50,00
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