Die Frage, ob digitale Spiele als didaktisches Instrument zur Vermittlung von historischen Inhalten dienen können, begleitet die historischen Game Studies von Anfang an. Die ersten Beurteilungen hierzu fielen überwiegend negativ aus. Mittlerweile hat sich der geschichtsdidaktische Blick auf digitale Spiele gewandelt, sodass sich etwa die Ansicht durchgesetzt hat, dass es sich um ein Medium mit zahlreichen Ausprägungsformen und entsprechend unterschiedlichen didaktischen Potenzialen handelt.
Welche dies sind, erörtert der Geschichtsdidaktiker Alexander Preisinger in seinem 2022 erschienen Buch "Digitale Spiele in der historisch-politischen Bildung". Nach einem einleitenden Vorwort, indem er etwa digitale Spiele als Teil der populären Geschichtskultur beschreibt, wendet er sich dem Thema in sechs inhaltlichen Kapiteln zu. Der Autor möchte mit seiner Monografie die Potenziale der Verwendung von digitalen Spielen im Schulkontext aufzeigen. Der Fokus liegt dabei auf Anwendungsmöglichkeiten, die über das direkte Spielen im Unterricht hinausgehen.
Die ersten vier Kapitel nähern sich dem Thema schrittweise an, wodurch sich deren Lektüre vor allem für Leser:innen empfiehlt, die sich bisher wenig mit digitalen Spielen auseinandergesetzt haben. Alexander Preisinger liefert hier zahlreiche Verweise, wo tiefergehende Informationen aus dem akademischen sowie dem populärkulturellen Bereich zu finden sind.
In dem Kapitel "Das (digitale) Spiel als Begriff, Kulturgut und historisches Lernmedium" stellt der Autor etwa verschiedene Spieldefinitionen vor und geht dabei auch auf sich wandelnde gesellschaftliche Bedeutungen und Funktionen dieses kulturellen Phänomens ein. In den darauf aufbauenden Kapiteln "Basiswissen digitale Spiele" und "Game Studies und Spielanalyse" beschreibt er unter anderem verschiedene Begrifflichkeiten und Konsumationsmöglichkeiten in Zusammenhang mit digitalen Spielen sowie den bisherigen akademischen Umgang mit dem Medium. Diejenigen, die das Medium und entsprechende Diskurse kennen, können diese Abschnitte des Buches ohne Gefahr, der späteren Argumentation nicht folgend zu können, überspringen.
Im anschließenden Kapitel "Digitale Spiele als Teil der Geschichtskultur" stellt Alexander Preisinger Konzepte wie Geschichtsbewusstsein und Geschichtskultur vor und ordnet verschiedene Geschichtsprodukte gesellschaftlich ein. Ebenso gibt er einen kurzen, aber anschaulichen Überblick über die bisherige Entwicklung der historischen Game Studies und zählt zentrale Forschungsbereiche und Problemfelder auf. Entsprechend eignet sich dieses Kapitel als Einstiegspunkt in die Lektüre vor allem für diejenigen Leser:innen, die zwar mit dem Medium an sich vertraut sind, sich bisher aber kaum mit historischen Inhalten darin beschäftigt haben.
Das Kernthema des Buches erreicht Alexander Preisinger im sechsten Kapitel "Historisches Lehren und Lernen mit digitalen Spielen". Er beschreibt hier zunächst mögliche Lerneffekte des digitalen Spielens, beispielsweise hinsichtlich des räumlichen Vorstellungsvermögens, der Frustrationstoleranz sowie der allgemeinen Kreativität. Er reflektiert die vorgestellten Studienergebnisse dabei kritisch und stellt fest, dass Vergleichsstudien und Meta-Analysen zum Zeitpunkt noch fehlen.
An Ende des Kapitels wendet sich der Autor schließlich konkret der Verwendung digitaler Spiele im Geschichtsunterricht zu. Zunächst stellt er fest, dass es zwar viele Studien zum Thema gebe, aber "nur selten auf Stundenbilder, Methoden und konkretisierte Verlaufskonzepte für den schulischen Einsatz" (107) bezogen. Diesen Leerstand geht Alexander Preisinger an, indem er zunächst einen von ihm zusammengetragenen Katalog aus 30 verschiedenen Methoden vorstellt, wie sich digitale Spiele im Unterricht verwenden lassen. Diese decken unterschiedliche Medienkompetenzbereiche ab und sind frei miteinander kombinierbar. Der Katalog enthält etwa die Methoden "Alternative Geschichtsschreibung" (129), "Museum digitaler Objekte" (137) und "Transformation zu Texten" (141).
Deren Darstellung ist sehr eingängig und verständlich beschrieben, wobei durch gelegentlichen Bezug aufeinander deutlich wird, wie sie in ein Netz aus verschiedenen Methoden eingebunden werden können. Alexander Preisingers Vorschläge sind vielfältig, so bieten Methoden wie "Cover analysieren" (132) oder "Rezensionen historischer Spiele untersuchen" (137f.) sehr unterschiedliche Herangehensweisen an das Medium. Im Katalog tauchen auch Methoden auf, die an früherer Stelle im Buch bereits ausführlich beschrieben wurden, etwa die "Historische Spielanalyse" (135f.), weswegen dieser Abschnitt des Buches als erster Kulminationspunkt des bis dahin Geschriebenen verstanden werden kann.
Das letzte, zentrale Kapitel besteht schließlich aus konkreten Unterrichtsentwürfen, die die zuvor vorgestellten Methoden anhand verschiedener Themen und mit bestimmten digitalen Spielen als Beispiele in die Praxis umsetzen. Das Themenspektrum ist dabei sehr breit und reicht vom offen gehaltenen "Geschichte spielbar machen" (166) bis zum spezifischen "Die Iranische Revolution 1979" (206). Es finden sich dabei "Klassiker" wie "Mittelalterbilder im digitalen Spiel" (163), aber auch eher ungewöhnliche Themen, die in den Game Studies bisher selten diskutiert wurden, etwa "Wissenschaftsgeschichte des 17. Jahrhunderts" (173) oder "Wien um 1900" (185).
Der Schwerpunkt des Katalogs liegt grundsätzlich eher auf historischen und geschichtswissenschaftlichen Themen, es werden aber auch gegenwärtige politische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Bereiche behandelt, beispielsweise "Demokratie und Medien" (213) oder "Fake News, Filterblase und 'postfaktische' Gesellschaft" (223).
Alexander Preisinger stellt die einzelnen Unterrichtsentwürfe mithilfe eines übersichtlichen Schemas und einem einleitenden Text vor und ergänzt dies dann mit Unterrichtsverlaufsvorschlägen und verwendbaren Materialien (Spielerezensionen, Interviews, Werbematerial und dergleichen) beziehungsweise Hinweisen darauf, wo diese zu finden sind.
Die Beschreibungen der digitalen Spiele sind dabei zwar kurz, machen aber trotzdem deutlich, um was für eine Art Spiel es sich handelt. Die Unterrichtsentwürfe scheinen sich eins zu eins umsetzen zu lassen wie vorgeschlagen, können aber auch umgestaltet, ergänzt oder gekürzt werden. Gerade wenn man sie als Möglichkeit zur Inspiration betrachtet, liefern sie einen noch viel größeren Fundus als nur 25 Unterrichtsentwürfe.
Für Praktiker:innen stellt Alexander Preisingers Buch einen zugänglichen Einstieg in die Thematik dar und beschreibt verschiedene niedrigschwellige Ansätze, digitale Spiele didaktisch einzusetzen. Bei den Grundlagenkapiteln (2 bis 5) handelt es sich in weiten Teilen um eine pointierte Zusammenfassung des aktuellen Forschungsstandes im Bereich der (historischen) Game Studies.
Mit der Materie vertraute Leser:innen, die sich vor allem im didaktischen Bereich neues Wissen aneignen oder sich für die praktische Verwendung digitaler Spiele inspirieren lassen wollen, können problemlos bei Kapitel 6 einsteigen. So ist Alexander Preisingers Monografie sowohl für diejenigen, die mit dem Medium noch kaum Berührungspunkte hatten, eine angenehme Einstiegslektüre, bietet aber auch Erfahreneren viele Ansätze, das Beschriebene weiterzuentwickeln und darauf aufbauend eigene Verwendungsmöglichkeiten digitaler Spiele im Unterricht zu entwickeln.
Alexander Preisinger: Digitale Spiele in der historisch-politischen Bildung (= Methoden Historischen Lernens), Frankfurt/M.: Wochenschau-Verlag 2021, 262 S., ISBN 978-3-7344-1323-0, EUR 16,90
Bitte geben Sie beim Zitieren dieser Rezension die exakte URL und das Datum Ihres letzten Besuchs dieser Online-Adresse an.