Dass ein Blick in das Inhaltsverzeichnis eines Buchs oft ausreicht, um erahnen zu können, ob man es gern oder ungern lesen wird, zeigt vorliegendes Buch von Marco Cristini. Es ist in zehn Hauptkapitel unterteilt, die wiederum in sehr gut konsumierbare Unterkapitel gegliedert sind. Nach einem - gerade für Bücher mit spätantiker Thematik nicht unwichtigen - Hinweis, wie er mit bestimmten Namen und Begriffen umgeht (XI), startet das Buch mit einer kurzen Einleitung. Dort stellt er heraus, dass Baduila bislang nur wenig Aufmerksamkeit in der Forschung erfahren hat. Er möchte die erste Biographie Baduilas unter Heranziehung aller verfügbaren Quellen vorlegen (3). Cristini reiht sich damit in eine Reihe von Biographien spätantiker Akteure ein, die in den letzten Jahren entstanden sind, behandelt aber explizit eine bisher nur am Rande beachtete Persönlichkeit. [1]
Im ersten Hauptkapitel (5-29) wird untersucht, welche Rolle Baduila in den Quellen des 6. Jahrhunderts spielt. Das bedeutet konkret, sich mit Prokop zu beschäftigen, der das Bild Baduilas bis in die heutige Forschung hinein prägt. Im Vergleich zu früher weiß man heute aber ziemlich gut, worauf man achten muss, wenn man sich mit Prokops historiographischem Werk beschäftigt, da dessen historische Hintergründe, Intentionen und literarische Komposition sowie Technik gut erforscht sind. Prokop, der jahrelang Belisar diente, ab 540 den Gotenkrieg aber nur aus der Ferne verfolgte, gestaltete in vielfältiger Weise das Bild Baduilas: mal ist er idealer Herrscher, mal tragischer Held, mal illegitim. Bei Jordanes wird Baduila dagegen negativ dargestellt, auch hier stellt Cristini dar, aus welchen Motiven heraus Jordanes sein Baduila-Bild kreiert. Im Anschluss werden noch der Liber Pontificalis und andere historiographische Quellen thematisiert, unter anderem die Fortsetzung der Chronik des Marcellinus comes. Abschließend erklärt Cristini noch, warum er den Namen Baduila anstelle von Totila verwendet, da nur die Namensform Baduila auf den Münzen erscheint. Etwas verwunderlich ist, dass Cristini zwar ankündigt, die Biographie auf Grundlage aller verfügbaren Quellen zu schreiben, in seiner Quellenübersicht aber nur historiographische Quellen behandelt. Münzen, Papyri und Inschriften werden im weiteren Verlauf des Buchs herangezogen, aber einführende Bemerkungen gibt es in dem Übersichtskapitel nicht.
Im Anschluss folgen Kapitel, die jeweils einem bestimmten Thema gewidmet sind: von den "military campaigns" und der "foreign policy" über soziale Reformen und die Münzprägung Baduilas bis hin zu dessen Rezeption im späteren 6. Jahrhundert.
Das Kapitel über die "military campaigns" (41-103) gibt einen guten Überblick über die Gotenkriege der 540er Jahre und endet mit der Niederlage Baduilas und dessen Tod nach der Schlacht von Busta Gallorum im Jahr 552. Es wird deutlich gemacht, dass Baduila "shared more in common with the barbarian warlords" (103). Auch diplomatisch hatte Baduila kein besonderes Glück, vor allem blieben seine drei Gesandtschaften an Justinian, jeweils erfolgt nach militärischen Siegen seinerseits, erfolglos (Kapitel 4).
Eine der bekanntesten Episoden, in der Baduila eine Rolle spielt, schildert Gregor der Große in seinen Dialogi. Gregor behandelt dort die Zusammenkunft Baduilas mit dem berühmten Abt des Klosters Monte Cassino, Benedikt. Wie diese Episode und andere Zusammenkünfte mit geistlichen Würdenträgern zeigen, war Baduila nicht gerade zimperlich im Umgang mit ihnen, schreckte auch vor Mord nicht zurück, konnte sie andererseits aber auch mit höchstem Respekt behandeln (Kapitel 5).
In Kapitel 6 beschäftigt sich Cristini mit den angeblichen "social reforms" von Baduila, die ihm insbesondere von der älteren Forschung zugeschrieben wurden (145-147). Cristini setzt sich auch hier wieder intensiv mit dem Narrativ Prokops auseinander. Im Gegensatz zu Prokops Darstellungen wird Baduila als gotischer Herrscher aber wohl nur sehr eingeschränkt die Möglichkeit gehabt haben, Steuern und Abgaben einzutreiben und Landbesitz umzuverteilen, da ihm vor allem der entsprechende Verwaltungsapparat fehlte und die Einwohner Italiens sich wenig kooperativ zeigten, da der Ausgang des Krieges nicht absehbar war. Dass Sklaven in größerem Stil in Baduilas Truppen dienten, wie oft behauptet, ist ebenfalls wenig wahrscheinlich, da sie nur wenig militärische Kampfkraft zu bieten hatten.
Im folgenden Kapitel 7 beschäftigt sich Cristini mit der Münzprägung Baduilas, aufgeteilt nach den Gold-, Silber- und Kupferprägungen. Es zeigt sich, dass Baduila dieses wichtige Medium für politische Botschaften nutzte, insbesondere, indem er sich selbst mit Namen und Abbild auf den Münzen darstellen ließ und immer wieder auf Kaiser Anastasios I., unter dem Theoderich Herrscher in Italien war, rekurrierte, während Justinian unerwähnt bleibt. Wie nicht anders zu erwarten, spielten die Zeitumstände eine wichtige Rolle bei der Entwicklung der Münzbilder.
In den abschließenden Kapiteln seines Buchs geht Cristini auf viele weitere unterschiedliche Aspekte der Herrschaftszeit Baduilas ein. So lässt er sich zu Beginn sehr gut als "warlord" charakterisieren, der nach Festigung seiner Macht den großen Gotenkönig Theoderich als Vorbild nahm und sich auch - wie seine Münzprägung zeigt - kaiserlicher Attribute bediente (Kapitel 8), um seine eigene Legitimation zu stärken. Anschließend beleuchtet Cristini den vielschichtigen Bereich von "Loyalty and Identity in Baduila's Italy" (195-220), ehe er im letzten Kapitel das Nachleben Baduilas thematisiert, so beispielsweise in der Pragmatica Sanctio von 554, wo er als illegitimer Herrscher und Barbar dargestellt wird (221-223). In anderen Quellen des 6. Jahrhunderts wird er dagegen als Gotenkönig wahrgenommen (227-229). Den Abschluss bildet ein kurzer Epilog (231-234), der die Ergebnisse der Studie konzise zusammenfasst und mit dem Satz endet: "[...] Baduila was a Post-Roman warlord who attempted to establish his own kingdom, but who ultimately failed" (234).
Abschließend findet sich eine hilfreiche chronologische Übersicht, die die Jahre 540-562 umfasst (235-239). Zwei Karten Italiens, die ausreichend sind, um sich einen Überblick zu verschaffen, schließen sich ebenso an wie die Bibliographie des Bandes (241-274), die einige eigenwillige Worttrennungen kennt - diese ungewöhnlichen Worttrennungen begleiten übrigens das ganze Buch, ohne aber den Lesefluss zu stören. Ganz am Ende des Buchs (275-280) steht ein kombiniertes Register, das hauptsächlich Namen und Orte verzeichnet, aber auch Quellentexte sowie Sachthemen nennt.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Marco Cristini ein lesenswertes, gut recherchiertes und ein argumentativ und im Umgang mit den Quellen überzeugendes Buch gelungen ist, in dem vor allem immer wieder sorgsam darauf eingegangen wird, wie man die Aussagen der Quellen, insbesondere Prokops, zu bewerten hat. Es ist allerdings nicht unbedingt ein Buch für Einsteiger in die Materie, da Vieles als bekannt vorausgesetzt wird. Marco Cristinis Studie ist ein wichtiger Beitrag zur Erforschung der Geschichte des 6. Jahrhunderts.
Anmerkung:
[1] Zu nennen wären hier - als willkürliche Auswahl - etwa Dariusz Brodka: Narses. Politik, Krieg und Historiographie im 6. Jahrhundert n. Chr., Berlin u.a. 2018 (Studies in Classical Literature and Culture; 7); Peter Eich: Gregor der Große. Bischof von Rom zwischen Antike und Mittelalter. Paderborn 2016; David Alan Parnell: Belisarius & Antonina. Love and War in the Age of Justinian, Oxford / New York 2023; oder Hans-Ulrich Wiemer: Theoderich der Große. König der Goten, Herrscher der Römer, München 2018.
Marco Cristini: Baduila. Politics and Warfare at the End of Ostrogothic Italy (= Istituzioni e Società; 27), Spoleto: Fondazione Centro Italiano di Studi sull'alto Medioevo 2022, XII + 280 S., ISBN 978-88-6809-365-5, EUR 30,00
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