Der von Mairi E. Gkikaki herausgegebene Sammelband mit zwölf Beiträgen, die überwiegend auf Vorträgen basieren, die im Rahmen eines Workshops an der British School at Athens 2019 gehalten wurden, behandelt die Nutzung von Tokens (gr. Symbola) in der Antike mit einem Schwerpunkt auf Funden in Athen. Tokens sind für Forschende in den Altertumswissenschaften besonders deshalb interessant, da sie Einblicke in alltägliche Abläufe und Praktiken ermöglichen, die über die schriftliche Überlieferung in der Regel nur schwer zugänglich sind.
Tokens werden in der Einleitung des Bandes entsprechend ihrer Funktionen definiert, wenngleich der Sammelband keine Lösung für das Problem bietet, dass diese Quellengattung abstrakt bleibt und ihre Interpretation durch einen oft nicht vorhandenen Kontext problembehaftet ist. Gleichwohl liefert der Band, und das sei bereits an dieser Stelle vorweggenommen, einen wertvollen Beitrag, dieser Quellengattung systematisch näherzukommen. Der Mehrwert der Beiträge besteht insbesondere darin, dass sie schwer zugängliches Material so aufbereiten, dass es für die Bearbeitung übergeordneter Fragestellungen nutzbar wird.
Die Publikation ist in vier Teile gegliedert. Zunächst wird anhand von vier Fallstudien die breite Anwendung von Tokens in klassischer und hellenistischer Zeit in Athen illustriert. Im zweiten Teil des Bandes werden in drei Beiträgen neue Funde ausgewertet. Der dritte Teil fokussiert ikonografische Nike- und Alexanderdarstellungen auf Tokens. Abschließend werden Tokens außerhalb von Athen, in Sizilien, Jerusalem und Ephesos, behandelt.
Im Folgenden sei auf die wichtigsten Erkenntnisse des Bandes verwiesen: Die von Finglass analysierten literarischen Belege für geteilte Tokens ("split symbola", 23) zeigen, dass diese als Medien dienen konnten, mit denen Beziehungen über die Polis-Grenzen hinaus festgehalten wurden. Kierstead legt überzeugende Argumente dafür vor, dass die Athener bereits im 5. Jahrhundert v.Chr. komplexe Losprozesse durchführten, um eine proportionale Beteiligung der Demen an der Vergabe niedriger Ämter sicherzustellen. Unter Einbeziehung des Kleinias-Dekrets macht Gkikaki deutlich, dass Tokens in klassischer Zeit im Kontext der Finanzverwaltung eingesetzt wurden. Die Präsentation von 23 Tokens aus Ton (4. Jahrhundert v.Chr.) durch Makrypodi ermöglicht vorsichtige Einblicke in die Organisation der Volksversammlung nach 404 v.Chr. und zeigt, dass diese vermutlich zur Entlohnung der Teilnehmer eingesetzt wurden. Die von Karra vorgestellten 19 Bleimarken (hellenistische Zeit) aus dem näheren Umfeld der Akropolis liefern Hinweise darauf, dass diese auch in einem privaten Kontext und zudem als "unofficial money" (173) eingesetzt werden konnten.
Schäfer zeigt durch die Darstellung der Göttin Nike auf Tokens aus dem hellenistischen Athen, dass sich in diesen eine politische Symbolik widerspiegelt, mit der die Macht des Staates personifiziert werden sollte. Die von Mondello analysierten Bleitokens der römischen Kaiserzeit (3. Jahrhundert) können als Belege für die Alexanderverehrung gelten. Sie unterstreichen, wie tief verwurzelt die Erinnerungskultur an Alexander in der athenischen Gesellschaft war. Der Beitrag zu Sizilien von Crisà liefert neue Bezugspunkte für die Kontinuität der griechischen Kultur in Sizilien nach der römischen Eroberung im 3. Jahrhundert v.Chr. Die von Bulgurlu und Coşkun ausgewerteten Funde aus Ephesos zeigen, wie vielfältig Tokens in der Gesellschaft einer Polis eingesetzt werden konnten. Die Untersuchung weist darauf hin, dass Tokens in Ephesos zwar vornehmlich von Institutionen, aber auch von Privatpersonen verteilt werden konnten, um etwa die Vergabe von Gütern zu organisieren.
Die breite Anlage des Bandes liefert zahlreiche Ausgangspunkte sowohl für übergeordnete Fragestellungen als auch für die Auseinandersetzung mit den Details der alltäglichen administrativen Praxis in Athen. Hervorzuheben sind etwa die Tokens, die Einblicke in die Nutzung von Losverfahren im 5. Jahrhundert v.Chr. liefern, da es gerade in diesem Zeitraum schwer ist, konkrete Lostechniken zu rekonstruieren. Die Stärke zahlreicher Beiträge besteht in der Verbindung von Funden mit der literarischen und epigraphischen Überlieferung.
Wünschenswert wäre eine einheitlichere Gliederung der Beiträge gewesen, was die Identifikation der Relevanz der einzelnen Texte für die eigene Forschung erleichtert hätte. Nicht alle Beiträge enthalten beispielsweise eine Zusammenfassung, in der die wesentlichen Erkenntnisse zusammengeführt werden. Vereinzelt finden sich zudem Wiederholungen, die grundlegende Bemerkungen zu Tokens betreffen. Mit Blick auf die umfassende Einleitung des Bandes hätte man hier kürzen können. Zudem hätte der Mehrwert des Bandes weiter gesteigert werden können, wenn die Texte stärker mit der aktuellen Forschung, etwa zur institutionellen Entwicklung Athens, verknüpft worden wären. Willkommen wäre außerdem eine Zusammenführung und Auswertung der Einzelergebnisse am Schluss des Bandes gewesen.
Insgesamt zeigt der Band, dass in dem von den Autoren und Autorinnen zusammengestellten Material großes Potenzial zur Diskussion übergeordneter Fragestellungen liegt. Dies gilt insbesondere für die institutionelle Entwicklung Athens in klassischer Zeit, aber auch darüber hinaus.
M.E. Gkikaki (ed.): Tokens in Classical Athens and Beyond. Politics, Communities, Contexts (= Liverpool Studies in Ancient History), Liverpool: Liverpool University Press 2023, XII + 356 S., 126 s/w-Abb., ISBN 978-1-80085-613-4, GBP 88,00
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