Die Erkenntnis, dass der Einsatz kultureller Medien ein wichtiges Instrument zur Durchsetzung wirtschafts-, sicherheits- und außenpolitischer Ziele sein konnte, hatte sich in den USA in den 1940er Jahren breit gemacht und zu verstärkten Bemühungen um die sogenannte Cultural Policy als Teil der auswärtigen Politik geführt. Auch die britischen Regierungen, die noch in den Zwischenkriegsjahren Kulturpropaganda in Friedenszeiten grundsätzlich als distasteful und un-English abgelehnt hatten, setzten seit ungefähr 1943 in ihren Planungen für die Nachkriegszeit auf die Verwendung kultureller Medien, um Einfluss auf die Nachkriegsordnungen zu gewinnen und den eigenen Einflussbereich auszudehnen. Das zeigte sich nicht nur in ihrer Besatzungspolitik in Deutschland, sondern ebenso in Ländern wie Griechenland, die für Großbritannien u.a. aus geostrategischen Interessen wichtig waren.
Mit der britischen Informations- und Kulturpolitik in Griechenland zwischen 1943 und 1950 - von den Briten selbst als Projection of Britain bezeichnet - setzt sich die umfangreiche Monografie von Gioula Koutsopanagou vor dem Hintergrund der politischen Entwicklung in Griechenland sowie des einsetzenden Kalten Krieges detailliert auseinander. Auf der Basis umfangreicher Quellenstudien in britischen und griechischen Archiven erörtert die Verfasserin nicht nur die Grundlagen und Ziele der britischen Politik sowie den entsprechenden Organisationsapparat, sondern untersucht auch eingehend den Einsatz einzelner kultureller Medien in Griechenland sowie die Beziehungen zwischen den Verantwortlichen in London und den britischen Kulturvermittlern vor Ort. Dadurch ergibt sich ein facettenreiches Bild der britischen Kulturpolitik in Griechenland in den für das Land formativen Jahren. Diese waren durch die Befreiung, den Bürgerkrieg, die von den Briten forcierte Wiedereinsetzung der Monarchie und schließlich den 1947 aus finanziellen Gründen erfolgten Rückzug der Briten von ihrer Unterstützung der griechischen Regierung und Armee gekennzeichnet.
Für die Briten war es das wichtigste Ziel ihrer Informations- und Kulturpolitik, die britischen Werte und den britischen way of life zu vermitteln, um die Griechen auf Großbritannien hin zu orientieren und so - vor allem in Konkurrenz zu den USA - Einfluss in dem Land zu gewinnen. Dass angesichts der finanziellen, ökonomischen und militärischen Schwäche der declining power Großbritannien der Einsatz kulturpolitischer Mittel eine Kompensation für fehlende tatsächliche Macht war, wie die Verfasserin mehrfach ausführt, ist keineswegs eine neue Erkenntnis. Dies wurde bereits in Arbeiten zu britischen Besatzungs- und Kulturpolitik nach dem Zweiten Weltkrieg hervorgehoben, die die Verfasserin aber leider nicht zur Kenntnis nimmt. Das Besondere an diesem Buch hingegen ist, dass es erstmalig auf Grundlage bislang nicht ausgewerteter Akten minutiös aufzeigt, wie diese Politik in Griechenland umgesetzt wurde und welche Erfolge sowie Misserfolge ihr beschieden waren.
Zunächst erörtert Koutsopanagou eingehend, welche Ministerien, Institutionen und Organisationen in London sowie in Griechenland selbst mit der Vermittlung britischer Werte und des britischen way of life befasst waren. Hier spielten u.a. das Ministry of Information (MOI) beziehungsweise das Central Office of Information (COI), das Information Research Department (IRD) und das Information Policy Departement (IPD) des Foreign Office sowie die britische Botschaft in Athen, der British Information Service (BIS) in Griechenland, das British Council (BC) und die BBC eine wichtige Rolle. Auch widmet sich die Verfasserin in diesem und der Rolle und Bedeutung einzelner Persönlichkeiten, die für die Durchführung britischer Informations- und Kulturpolitik prägend waren. Hier ist insbesondere der britische Botschafter in Athen, Reginald Leeper, zu erwähnen.
Das zweite Kapitel untersucht die verschiedenen, von britischen Beamten vor Ort verfassten Berichte für London, aus denen die im Land durchgeführten Aktivitäten in den Bereichen Presse, Rundfunk, Filme, Vorträge, Bücher usw. hervorgehen, verbunden mit kritischen Anregungen zum weiteren Vorgehen. Aus diesen Berichten werden zugleich auch die ab 1948 einsetzenden Veränderungen in der britischen Informations- und Kulturpolitik deutlich, welche zunächst vor allem auf die Projection of Britain gerichtet war, dann aber zunehmend antikommunistische Propaganda beinhaltete. Eine ähnliche Entwicklung war auch in anderen Zielgebieten britischer auswärtiger Kulturpolitik, wie beispielsweise den deutschen Besatzungszonen, erkennbar, bedingt durch den sich verschärfenden Kalten Krieg und die Abhängigkeit von den USA, die im Gegensatz zu den Briten schon immer mehr auf antikommunistische Propaganda gesetzt hatten.
In den folgenden Kapiteln widmet sich die Verfasserin dann einzelnen Informations- und Kulturbereichen wie Rundfunk, Schulunterricht, Sprachvermittlung, Bücher und Filme und zeigt die unermüdlichen Bemühungen der Briten auf, ihre Werte und Lebensvorstellungen zu vermitteln. Dabei kam vor allem der Vermittlung der englischen Sprache eine zentrale Rolle zu. Diese Bemühungen zur Projection of Britain, für die in weiten Teilen das British Council verantwortlich war, standen dabei in steter Konkurrenz zu den entsprechenden Aktivitäten anderer Mächte wie Frankreich und insbesondere den finanziell starken USA. Es gab gewissermaßen einen dauerhaften Wettkampf zwischen diesen westlichen Mächten um die Köpfe und Herzen der Griechen.
Dieses gründlich recherchierte, mit viel Detailwissen gespickte Buch stellt eine unentbehrliche Lektüre für die Beschäftigung mit den britisch-griechischen Beziehungen in der zweiten Hälfte der 1940er Jahre und der britischen Einflussnahme auf das politische und kulturelle Leben in Griechenland in dieser Zeit dar.
Gioula Koutsopanagou: British Information and Cultural Policy in Greece, 1943-1950. Exercising Public Diplomacy in the Formative Early Cold War Years (= Byzantine and Neohellenic Studies; Vol. 13), Bruxelles [u.a.]: Peter Lang 2022, XVII + 453 S., ISBN 978-3-0343-1831-0, EUR 79,95
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