Ausgabe 5 (2005), Nr. 2
PDF-Fassung

FORUM
Politik, Gesellschaft und Religion auf den frühneuzeitlichen britischen Inseln

Einleitung

Von Ute Lotz-Heumann

Ein Rezensionsforum über "Politik, Gesellschaft und Religion auf den frühneuzeitlichen britischen Inseln" kann naturgemäß keinen Überblick über die Literaturlage zu diesen Themenfeldern bieten, sondern nur exemplarisch einige neuere Arbeiten und ihre thematischen sowie methodischen Zugänge vorstellen. Für das Forum konnten sowohl Rezensenten gewonnen werden, die zur frühneuzeitlichen Geschichte der britischen Inseln arbeiten, als auch Rezensenten, die sich als Experten für andere europäische Länder mit den Themen der von ihnen besprochenen Bücher beschäftigen.

Methodisch eröffnen die hier vorgestellten Bücher ein breites Spektrum: Neben Arbeiten, die theologiegeschichtlich ausgerichtet sind oder mit makrohistorischem Blick nach der Entwicklung nationaler Identität fragen, stehen Studien, die auch bereits im Titel eine Verbundenheit mit kulturgeschichtlichen Fragestellungen ausdrücken: "images and cultures of law", "political culture", "construction of martyrdom", "meanings of manhood". Dies erweist sich zwar nach Auffassung der Rezensenten als durchaus unterschiedlich erfolgreiches Unternehmen, doch erlaubt die Methodenvielfalt, die sich in den letzten Dekaden herausgebildet hat, nicht selten einen neuen Blick auf alte Fragestellungen, wie beispielsweise Sebastian Barteleits Studie zur Toleranz im England der 1650er Jahre zeigt.

Hinsichtlich des geografischen Zuschnitts steht zwar weiterhin auch "England" im Mittelpunkt vieler Arbeiten, doch sind die Auswirkungen der ursprünglich von John Pocock geforderten "new British history" [1] insbesondere in der politischen, aber auch der Sozial- und Religionsgeschichte unübersehbar: Roger Manning schreibt Adelsgeschichte als eine Geschichte der drei Königreiche; J.P.D. Cooper versteht "the Westcountry" als eine Peripherie der frühneuzeitlichen englischen Krone unter anderen; die Geschichte der Reformation wird zumindest unter Einschluss von England und Schottland, wenn nicht gar unter dem Label "Britain and Ireland" [2] vergleichend geschrieben; und last but not least lässt sich auch die englische nationale Identität nicht ohne die Berücksichtigung des "multiple kingdom" untersuchen.

Vor dem Hintergrund eines weitgehend konstanten Interesses der britischen und irischen Forschung an den großen Themen der frühneuzeitlichen Geschichte - Reformation und ihre Folgen, Staatswerdung sowie Konstanz und Wandel sozialer Gruppen - haben kulturgeschichtliche Methoden und die "new British history" zweifelsohne neue Perspektiven eröffnet. Trotzdem bleibt die vergleichende Verankerung der Geschichte der britischen Inseln in der europäischen Geschichte - auch darauf deuten die Rezensenten zum Teil hin - weiterhin in hohem Maße Desiderat. Es ist zu hoffen, dass sich dies in Zukunft ändern wird.




Roger B. Manning: Swordsmen. The Martial Ethos in the Three Kingdoms, Oxford: Oxford University Press 2003
Paul Raffield: Images and Cultures of Law in Early Modern England. Justice and Political Power, 1558-1660, Cambridge: Cambridge University Press 2004
Rezensiert von: Ronald G. Asch

K. J. Kesselring: Mercy and Authority in the Tudor State, Cambridge: Cambridge University Press 2003
Rezensiert von: Steven Ellis

J.P.D. Cooper: Propaganda and the Tudor State. Political Culture in the Westcountry, Oxford: Oxford University Press 2003
Rezensiert von: James Lee

Felicity Heal: Reformation in Britain and Ireland, Oxford: Oxford University Press 2003
Clare Kellar: Scotland, England, and the Reformation 1534-1561, Oxford: Oxford University Press 2003
Rezensiert von: Karl S. Bottigheimer

Anne Dillon: The Construction of Martyrdom in the English Catholic Community, 1535-1603, Aldershot: Ashgate 2002
Rezensiert von: Jan-Friedrich Mißfelder

Sebastian Barteleit: Toleranz und Irenik. Politisch-religiöse Grenzsetzungen im England der 1650er Jahre, Mainz: Philipp von Zabern 2003
Rezensiert von: Beat Kuemin

Tim Cooper: Fear and Polemic in Seventeenth-Century England. Richard Baxter and Antinomianism, Aldershot: Ashgate 2001
Rezensiert von: Scott Dixon

Alexandra Shepard: Meanings of Manhood in Early Modern England, Oxford: Oxford University Press 2003
Rezensiert von: Susan Karant-Nunn

Krishan Kumar: The Making of English National Identity, Cambridge: Cambridge University Press 2003
Rezensiert von: Torsten F. Reimer


Anmerkungen:

[1] Vgl. J.G.A. Pocock: British History. A Plea for a New Subject, in: Journal of Modern History 47 (1975), pp. 601-628.; Steven G. Ellis: Tudor Frontiers and Noble Power. The Making of the British State, Oxford 1995.

[2] Eine Begrifflichkeit zu finden, unter der die beiden Inseln im Atlantik ("Atlantic archipelago"), die heute in das Staatsgebiet von Großbritannien und Irland geteilt sind, gefasst werden können, ist notorisch schwierig. Die häufig verwendete Bezeichnung "Britain and Ireland" trägt mehr den staatlichen Verhältnissen des 20. Jahrhunderts Rechnung als der frühneuzeitlichen Situation: Bereits im späten Mittelalter erhob die englische Krone Anspruch auf Wales und Irland, nach 1603 umfasste die englische Monarchie England, Wales, Irland und Schottland. Auf die Gefahr der "political incorrectness" hin wurde für den Titel diese Forums der Begriff der "frühneuzeitlichen britischen Inseln" gewählt.



sehepunktehistoricum.netArchivAbonnementEditorialRedaktionBeiratRichtlinienImpressum sehepunkte