FORUM Politik, Gesellschaft und Religion auf den frühneuzeitlichen britischen Inseln
Einleitung
Von Ute Lotz-Heumann
Ein Rezensionsforum über "Politik, Gesellschaft und Religion auf den
frühneuzeitlichen britischen Inseln" kann naturgemäß keinen Überblick
über die Literaturlage zu diesen Themenfeldern bieten, sondern nur
exemplarisch einige neuere Arbeiten und ihre thematischen sowie
methodischen Zugänge vorstellen. Für das Forum konnten sowohl
Rezensenten gewonnen werden, die zur frühneuzeitlichen Geschichte der
britischen Inseln arbeiten, als auch Rezensenten, die sich als Experten
für andere europäische Länder mit den Themen der von ihnen besprochenen
Bücher beschäftigen.
Methodisch eröffnen die hier vorgestellten Bücher ein breites
Spektrum: Neben Arbeiten, die theologiegeschichtlich ausgerichtet
sind oder mit makrohistorischem Blick nach der Entwicklung nationaler
Identität fragen, stehen Studien, die auch bereits im Titel eine
Verbundenheit mit kulturgeschichtlichen Fragestellungen ausdrücken:
"images and cultures of law", "political culture", "construction of
martyrdom", "meanings of manhood". Dies erweist sich zwar nach
Auffassung der Rezensenten als durchaus unterschiedlich erfolgreiches
Unternehmen, doch erlaubt die Methodenvielfalt, die sich in den letzten
Dekaden herausgebildet hat, nicht selten einen neuen Blick auf alte
Fragestellungen, wie beispielsweise Sebastian Barteleits Studie zur
Toleranz im England der 1650er Jahre zeigt.
Hinsichtlich des geografischen Zuschnitts steht zwar weiterhin auch
"England" im Mittelpunkt vieler Arbeiten, doch sind die Auswirkungen
der ursprünglich von John Pocock geforderten "new British history" [1]
insbesondere in der politischen, aber auch der Sozial- und
Religionsgeschichte unübersehbar: Roger Manning schreibt
Adelsgeschichte als eine Geschichte der drei Königreiche; J.P.D. Cooper
versteht "the Westcountry" als eine Peripherie der frühneuzeitlichen
englischen Krone unter anderen; die Geschichte der Reformation wird
zumindest unter Einschluss von England und Schottland, wenn nicht gar
unter dem Label "Britain and Ireland" [2]
vergleichend geschrieben; und last but not least lässt sich auch die
englische nationale Identität nicht ohne die Berücksichtigung des
"multiple kingdom" untersuchen.
Vor dem Hintergrund eines weitgehend konstanten Interesses der britischen und irischen Forschung an den großen Themen der
frühneuzeitlichen Geschichte - Reformation und ihre Folgen,
Staatswerdung sowie Konstanz und Wandel sozialer Gruppen - haben
kulturgeschichtliche Methoden und die "new British history"
zweifelsohne neue Perspektiven eröffnet. Trotzdem bleibt die
vergleichende Verankerung der Geschichte der britischen Inseln in der
europäischen Geschichte - auch darauf deuten die Rezensenten zum Teil hin
- weiterhin in hohem Maße Desiderat. Es ist zu hoffen, dass sich
dies in Zukunft ändern wird.
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Roger B. Manning: Swordsmen. The Martial Ethos in the Three Kingdoms, Oxford: Oxford University Press 2003 Paul Raffield:
Images and Cultures of Law in Early Modern England. Justice and
Political Power, 1558-1660, Cambridge: Cambridge University Press 2004 Rezensiert von: Ronald G. Asch
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K. J. Kesselring: Mercy and Authority in the Tudor State, Cambridge: Cambridge University Press 2003 Rezensiert von: Steven Ellis
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J.P.D. Cooper: Propaganda and the Tudor State. Political Culture in the Westcountry, Oxford: Oxford University Press 2003 Rezensiert von: James Lee
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Felicity Heal: Reformation in Britain and Ireland, Oxford: Oxford University Press 2003 Clare Kellar: Scotland, England, and the Reformation 1534-1561, Oxford: Oxford University Press 2003 Rezensiert von: Karl S. Bottigheimer
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Anne Dillon: The Construction of Martyrdom in the English Catholic Community, 1535-1603, Aldershot: Ashgate 2002 Rezensiert von: Jan-Friedrich Mißfelder
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Sebastian Barteleit: Toleranz und Irenik. Politisch-religiöse Grenzsetzungen im England der 1650er Jahre, Mainz: Philipp von Zabern 2003 Rezensiert von: Beat Kuemin
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Tim Cooper: Fear and Polemic in Seventeenth-Century England. Richard Baxter and Antinomianism, Aldershot: Ashgate 2001 Rezensiert von: Scott Dixon
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Alexandra Shepard: Meanings of Manhood in Early Modern England, Oxford: Oxford University Press 2003 Rezensiert von: Susan Karant-Nunn
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Krishan Kumar: The Making of English National Identity, Cambridge: Cambridge University Press 2003 Rezensiert von: Torsten F. Reimer
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Anmerkungen:
[1] Vgl. J.G.A. Pocock: British History. A Plea for a New Subject, in: Journal of
Modern History 47 (1975), pp. 601-628.; Steven G. Ellis: Tudor
Frontiers and Noble Power. The Making of the British State, Oxford
1995.
[2] Eine
Begrifflichkeit zu finden, unter der die beiden Inseln im Atlantik
("Atlantic archipelago"), die heute in das Staatsgebiet von
Großbritannien und Irland geteilt sind, gefasst werden können, ist
notorisch schwierig. Die häufig verwendete Bezeichnung "Britain and
Ireland" trägt mehr den staatlichen Verhältnissen des 20. Jahrhunderts
Rechnung als der frühneuzeitlichen Situation: Bereits im späten
Mittelalter erhob die englische Krone Anspruch auf Wales und Irland,
nach 1603 umfasste die englische Monarchie England, Wales, Irland und
Schottland. Auf die Gefahr der "political incorrectness" hin wurde für
den Titel diese Forums der Begriff der "frühneuzeitlichen britischen
Inseln" gewählt.
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