KOMMENTAR ZU

Achim Thomas Hack: Rezension von: Andreas Mohr: Das Wissen über die Anderen. Zur Darstellung fremder Völker in den fränkischen Quellen der Karolingerzeit, Münster: Waxmann 2005, in: sehepunkte 6 (2006), Nr. 7/8 [15.07.2006], URL: http://www.sehepunkte.de/2006/07/9744.html

Von Andreas Mohr

In der sechsten Ausgabe der diesjährigen 'sehepunkte' hat Achim Thomas Hack eine Rezension publiziert, in der er zu der Bewertung gelangt, meiner Arbeit "keinen nennenswerten Nutzen [...] für die Wissenschaft" zubilligen zu können; ein Urteil, auf das ich mit dieser Replik antworten möchte. Der Ansatz meiner Studie geht gerade deshalb über den bisherigen Forschungsstand hinaus, weil er zum einen eine vergleichende Analyse verschiedener fränkischer Fremdenbilder bietet und zum anderen die Fragen nach dem Wissen über die Anderen mit Blick auf manche Völker - wie Angelsachsen oder Langobarden - überhaupt zum ersten Mal aufgreift. Weder stellt jedoch Hack den von mir gewählten komparativen Forschungsansatz vor, noch geht er auf die aus der Ethnogeneseforschung stammenden Überlegungen zum gentilen Kulturkonzept der karolingischen Franken näher ein. Auch die meisten Ergebnisse meiner Untersuchung erwähnt er mit keinem Wort, ein strukturelles Versäumnis seiner Rezension, die das Publikum über die konkreten Inhalte der Studie weitgehend im Unklaren lässt. Stattdessen bemängelt Hack Einzelpunkte meiner Arbeit. Dazu im Folgenden:

Hacks Kritik richtet sich zunächst auf eine vermeintlich mangelhafte Rezeption der Forschungsansätze zur Reise- und Pilgerliteratur des Spätmittelalters. Zu Beginn von Kapitel 1.5 ('Forschungslage') gehe ich jedoch auf genau diesen Forschungskontext ein: "Hierbei beruht die Analyse der Vorstellungswelten und der Wissensgeschichte jedoch in erster Linie auf der Erschließung der Pilger- und Reiseliteratur des ausgehenden Mittelalters" (38). In der zugehörigen Fußnote zitiere ich auch Arnold Esch, auf dessen Forschungsansatz Hack hinweist.

"Sehr problematisch" sei, laut Hack, mein Umgang mit den Quellen. Hierbei bezieht er sich einzig auf meine Verwendung des Codex Carolinus. Er zitiert einen Satz der Einleitung, in dem ich darauf eingehe, dass dieser päpstliche Briefkorpus in erster Linie von Gregor III. und Hadrian I. verfasst wurde, wozu er schreibt: "Von den 99 Briefen des Codex Carolinus stammen 2 von Gregor III. und 49 von Hadrian I., die übrigen 48 von Zacharias I., Stephan II., Paul I., Stephan III. und Konstantin II. Wer solche Sätze schreibt, kann unmöglich die genannte Quelle ernsthaft gelesen haben". Hadrian I. als der Verfasser der numerisch und prozentual größten Gruppe von Briefen innerhalb dieser Sammlung und Gregor III. als der für den Untersuchungszeitraum relevante Vorreiter der päpstlichen Korrespondenz mit den Frankenherrschern des 8. Jahrhunderts können durchaus als die hauptsächlichen Protagonisten der Entstehung des Codex Carolinus hervorgehoben werden. Abgesehen davon, dass hier ein quellenkritisches Missverständnis von Seiten Hacks vorzuliegen scheint - der Codex Carolinus stellt keine Quelle aus 'einem Guss' dar, sondern eine Sammlung von Einzelbriefen - ist die Kritik Hacks an der von mir vorgenommenen Bewertung der Papstbriefe weder inhaltlich noch statistisch nachzuvollziehen. Bei einer Grundgesamtheit von 99 Briefen entfallen als größte absolute Häufigkeit 49 Briefe auf Papst Hadrian I.; der nächst größere Anteil an der Grundgesamtheit entfällt auf Papst Paul I. und dessen römische Helfer mit 32 Briefen. Es erscheint also nicht nur legitim, Papst Hadrian I. als hauptsächlichen Urheber der Briefsammlung zu bezeichnen, dies ist sogar der einzig statistisch zulässige Schluss. Da die von Hack erwähnten beiden Briefe Gregors III. die chronologisch frühesten des Codex sind, scheint es nicht unangebracht, in diesem Pontifex den 'Eröffner' des nachfolgenden Briefverkehrs späterer Päpste zu erblicken.

Weiter kritisiert Hack eine auf S. 44 befindliche Fußnote, in der ich gemeinsam mit den Reichsannalen und Einhards Vita Karoli Magni fünf Briefe des Codex Carolinus zitiere. Allerdings handelt es sich hierbei um eine Sammelfußnote, in der das gesamte von mir benutze Quellenkorpus querschnittartig danach befragt wird, mit welcher ethnisch gefärbten Terminologie die byzantinischen Fremden in diesen Texten bezeichnet werden. Dieser Überblick impliziert keineswegs, dass fränkische Schriften und Quellen aus päpstlicher Feder ein und dasselbe seien oder von mir derart aufgefasst und dargestellt würden. Im Gegenteil weise ich an vielen Stellen der Arbeit inhaltlich analytisch auf die Unterschiede zwischen der päpstlichen und fränkischen Sichtweise und Abfassungssituation hin, z.B.: "Wenn auch seit Pippin Freundschaftsabkommen zwischen Papst und fränkischem Herrscher bestanden, [...] so ist doch deutlich zwischen der päpstlichen und der fränkischen Perspektive bei der Darstellung der Byzantiner in den Quellen dieser Zeit zu unterscheiden" (223).

Hack stuft meine Terminologie als "unnötig kompliziert" ein; er schreibt: "Hinzu kommen Neubildungen wie zum Beispiel 'Pagane' als Substantiv zu 'pagan', das wiederum das problematische Wort 'heidnisch' ersetzen soll, dadurch aber nicht weniger problematisch wird, [...]". Ich verwende den Begriff 'pagan' jedoch nicht synonym mit bzw. als Ersatz für 'heidnisch'. Vielmehr benutze ich 'pagan' derart, dass dieser Terminus polytheistische, nicht-christliche Völker bezeichnet, also die nicht oder noch nicht christlichen Sachsen, Normannen und Slawen. Demgegenüber spreche ich monotheistische Nicht-Christen wie die muslimischen Araber und Berber - auch wenn ich sie zur besseren Lesbarkeit in den Kapiteln 3.2.2 und 4.1 in der Tat zweimal unter den Überschriften 'Das Wissen über pagane Fremde' und 'Die Darstellung paganer Kriegsgegner' mitbehandelt habe - gerade nicht mit jenem Terminus an, sondern bezeichne sie als Angehörige einer Schriftreligion (Muslime). Von diesem Sprachgebrauch weiche ich nur ab, wenn die muslimischen Fremden in den Quellen explizit als 'pagani' bezeichnet oder durch den jeweiligen Urheber einer Textpassage offensichtlich der Sphäre der 'pagani' zugerechnet werden. Der Begriff 'pagan' transportiert in diesem Sinne eine größere inhaltliche Trennschärfe als die pauschale Bezeichnung 'heidnisch', die im üblichen Sprachgebrauch ohne Differenzierung auf sämtliche Nicht-Christen angewendet wird. Hierzu führe ich aus: "Der Kulturaustausch des lateinischen Westens mit den diesen Raum umgebenden Regionen, [...] brachte es [...] mit sich, dass die Einwohner der Reiche Karls des Großen und seiner Nachfolger mit paganen polytheistischen Kulten ebenso wie mit der monotheistischen Religion des Islam [...] in Kontakt [...] gerieten" (106).

Hack fährt fort: "Aus dem Bereich der Semiotik ist vor allem 'Schreiber' zu nennen, [...] damit werden stets die Verfasser der Quellentexte bezeichnet, während man sonst darunter vor allem Kopisten versteht, jedenfalls Personen, die nicht selbständig Texte formulieren". Etliche meiner Quellen - vor allem Annalenwerke - sind anonym überliefert. Überlieferungsmäßig lassen manche Texte mehrere Schreiberhände im handschriftlichen Material erkennen und auch bei Schriften, deren Urheber wir namentlich fassen können, geht unsere Kenntnis nur in wenigen Fällen noch über eben diesen Namen hinaus. Da sich also oftmals nicht sagen lässt, wer sich nun wirklich als 'Verfasser' hinter diesen anonymen Schreiberhänden verbirgt, schien es mir in einigen Passagen angebracht, vorsichtiger von 'Schreibern' als vollmundig von 'Verfassern' zu sprechen.

Hack kritisiert mein Arbeitsergebnis, demzufolge die Einwohner des byzantinischen Herrschaftsbereiches in den fränkischen Quellen pauschal als 'Greci' bezeichnet werden: "Der Rezensent gesteht offen ein, dass auch er die Bewohner Deutschlands oft pauschalisierend als 'Deutsche' bezeichnet, obwohl er eigentlich genau weiß, dass hier viele Türken, Spanier und Italiener, Dänen, Friesen und Sorben, nicht zuletzt Sinti und Roma leben, die er keinesfalls zu diskriminieren beabsichtigt". Vergleiche zwischen ungleichzeitigen politisch-kulturellen Gebilden, wie jener zwischen dem in antik-imperialer Tradition stehenden Byzantinischen Reich und dem modernen Verfassungsstaat der Bundesrepublik Deutschland, sind stets anachronistisch. Die großräumigen, nicht-griechischsprachigen Siedlungsgebiete des byzantinischen Einflussbereiches sind nicht mit der Wohnsituation heutiger Migranten in Deutschland gleichzusetzen, zumal eben Letztere keine geschlossenen, großflächigen Sprachräume besiedeln und selbst die erwähnten Friesen, Sorben, Dänen, Sinti und Roma in aller Regel deutschsprachige Muttersprachler oder doch wenigstens bilingual aufgewachsen sind.

Zudem behauptet Hack, ich hätte nicht reflektiert, dass "in Wirklichkeit [...] ein großer Teil der 'Sarazenen', mit denen die Franken in Kontakt kamen, Angehörige bzw. Nachkömmlinge eines Berberstammes [waren], die zeitweise mit den arabischstämmigen Muslimen in Konflikt standen". Abgesehen davon, dass Hack den inzwischen in der Ethnogeneseforschung obsoleten 'Stammesbegriff' auf die Berber überträgt, analysiere ich den Kapiteln 2.1.7 und 2.2 meiner Arbeit intensiv die ethnogenetischen Verhältnisse des muslimischen Herrschaftsbereiches und beschreibe an mehreren Stellen ausführlich, dass in diesem Raum neben Arabern auch andere ethnische Gruppen wie Berber oder Perser lebten.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass Hack lediglich einzelne Punkte meiner Arbeit herausgreift und diese zum Anlass einer Fundamentalkritik nimmt. Da jene Einwände jedoch bei näherer Betrachtung nicht aufrecht zu erhalten sind, erfüllt sein Beitrag nicht die Kriterien einer für das Publikum informativen Rezension.


REPLIK

Von Achim Thomas Hack

Andreas Mohr, dessen Dissertation von mir in der siebten/achten (nicht: der sechsten) Ausgabe der "sehepunkte" rezensiert worden ist, glaubt sich schwer missverstanden und ungerecht behandelt: "Zusammenfassend ist festzustellen, dass Hack lediglich einzelne Punkte meiner Arbeit herausgreift und diese zum Anlass einer Fundamentalkritik nimmt. Da jene Einwände bei näherer Betrachtung nicht aufrecht zu erhalten sind, erfüllt sein Beitrag nicht die Kriterien einer für das Publikum informativen Rezension." Aus diesen Vorwürfen werde ich mich im Folgenden nur mit "jene(n) Einwände(n)" beschäftigen und zeigen, dass sie durchaus "aufrecht zu erhalten sind". Dabei ist es unumgänglich, eine Reihe von Selbstverständlichkeiten zu wiederholen, die die meisten Leser nur langweilen werden. Das sei - gewissermaßen zur Warnung - in aller Offenheit gleich vorausgeschickt.

Wie man schon bei der ersten Lektüre leicht feststellen kann, geht Mohr nur auf einen Bruchteil meiner Kritikpunkte ein: Indem er ihnen widerspricht, glaubt er, meine "Fundamentalkritik" (und um eine solche handelt es sich in der Tat) für obsolet erklären zu können. Selektivität ist also vor allem ihm selbst vorzuwerfen und nicht allein dem Rezensenten. Hätte dieser indes das Werk Mohrs Punkt für Punkt kommentiert, wäre die Rezension vermutlich deutlich länger als die zu besprechende Arbeit geraten - ohne dass sich freilich am Grundtenor irgendetwas geändert hätte.

Noch einmal zum Codex Carolinus. Mohr hatte in seiner Dissertation behauptet, die Briefe dieser Sammlung seien "hauptsächlich von den Päpsten Gregor III. und Hadrian I. abgesandt worden" (S. 34). Nun verteidigt er die Position, "dass dieser päpstliche Briefkorpus in erster Linie von Gregor III. und Hadrian I. verfasst wurde". Zunächst einmal zur sprachlichen Seite. Schaut man im Fremdwörter-Duden nach, so findet man dort "Korpus" mit allen drei im Deutschen möglichen Genera: "der Korpus" meint den Leib Christi am Kreuz, "das Korpus" eine Sammlung von Texten, "die Korpus" - heute veraltet - einen Schriftgrad von 10 Punkt. Im vorliegenden Fall ist offensichtlich die zweite Bedeutung gemeint, so dass es also korrekt "dieses päpstliche Briefkorpus" heißen muss. Geht man weiter zur inhaltlichen Seite, so ist einzuwenden, dass die genannte Briefsammlung weder von Gregor III., noch von Hadrian I. (oder irgendeinem anderen der Päpste) "verfasst" worden ist. Verfasst wurden von diesen allenfalls die Briefe selbst, auf keinen Fall aber das Korpus. Die Sammlung geht nämlich auf keinen Geringeren als Karl den Großen zurück, wie nicht erst moderne Forscher herausgefunden haben, sondern jeder Leser schon im Vorwort des Codex Carolinus erfährt. Wurden die Briefe der Codex Carolinus nun "hauptsächlich" oder "in erster Linie" von Gregor III. und Hadrian I. verfasst? Mohr verficht erneut diese Ansicht und führt als Argumente die Priorität und die Häufigkeit an. Auch hier erheben sich wieder sprachliche Bedenken, die aber gegenüber den historisch-logischen hintanstehen. Nimmt man nämlich das Kriterium des höchsten Alters, so müssten Gregor III. und Zacharias (und gerade nicht Hadrian I.) genannt werden. Geht man dagegen von der größten Häufigkeit aus, so sind Hadrian I. und Paul I. (und auf keinen Fall Gregor III.) zu erwähnen. Wenn man aber ebenso viele Kriterien aufstellt wie man Papstnamen nennt, opfert man zwangsläufig die Logik. Ich bleibe deshalb dabei: Mohr hat seine Kenntnisse über den Codex Carolinus aus einem kurzen Artikel im Lexikon des Mittelalters bezogen, den er noch nicht einmal richtig wiederzugeben in der Lage ist. Da sein Irrtum - die Briefe des Codex Carolinus stammten hauptsächlich von Gregor III. und Hadrian I. - aber dermaßen grundlegende Fragen betrifft, kann ich nicht glauben, dass er sich auch nur eine halbe Stunde lang mit dieser Quelle auseinandergesetzt hat. Seine nachträglichen Rechtfertigungsversuche sind nichts anderes als eine Farce und bezeugen die völlige Hilflosigkeit des Verfassers.

Damit aber nicht genug. Mohr unterstellt mir, ich halte den Codex Carolinus für eine "Quelle 'aus einem Guss'". Warum? Den einzigen Anhaltspunkt, den ich (mit viel Phantasie!) dafür finde, ist die Tatsache, dass ich "Quelle" im Singular verwende, wie es dem allgemeinen Usus entspricht. Sollte man denn den Codex Carolinus als "Quellen" im Plural bezeichnen? Und die Reichsannalen, die ebenfalls von mehreren Verfassern stammen, etwa auch? Mohr scheitert offenbar auch in diesem Falle an der deutschen Sprache. Wenn er mir auf dieser Basis ein "quellenkritisches Missverständnis" unterstellt, ist das nicht nur ein Affront, sondern zeigt vor allem, wie der Verfasser arbeitet.

Wozu diese Unkenntnis der grundlegenden Tatsachen führt, zeigt der Umstand, dass Mohr die päpstlichen Briefe unter die "fränkischen Schriftzeugnisse" verbucht - nicht nur einmal, sondern wiederholt (mein zweiter Beleg wird stillschweigend übergangen). Mohr rechtfertigt sich nun, es handle sich um eine Sammelfußnote, in dem das gesamte von ihm benutzte Material dargeboten werde. Das mag schon sein, doch löst es nicht das Problem. Dieses besteht ganz einfach darin, dass der Verfasser ausgerechnet eine römische Quelle auswählt, um herauszufinden, was die Franken über fremde Völker dachten.

Mohr moniert nun, meine Kritik beziehe sich ausschließlich auf den Codex Carolinus. Daher ein weiteres Beispiel. Auf Seite 69 schreibt Mohr: "Ebenso verfahren die 'Annales regni Francorum', deren Sprachgebrauch sich eng an den Wortlaut der Metzer Annalen anlehnt." Nun muss man gewiss kein Karolingerspezialist sein um zu wissen, dass es sich in Wirklichkeit genau umgekehrt verhält: die Älteren (!) Metzer Annalen lehnen sich an den Sprachgebrauch der Annales regni Francorum an. Im Übrigen hätte zur besseren Information auch schon ein Blick in die MGH-Edition der Annales Mettenses Priores genügt, in der diese Abhängigkeit schon im Druckbild (Petite-Satz) angezeigt wird. Man würde vielleicht von einem Schnitzer sprechen, wenn es sich um einen Einzelfall handelte. Leider wimmelt es aber in der ganzen Arbeit von Fehlern dieser Art.

Gehen wir weiter zum Begriff "Pagane". Ich hatte in meiner Rezension den Neologismus (als Substantiv) kritisiert - darauf geht Mohr gar nicht ein - und nur in einem Nebensatz auf die Problematik des Ausdruckes hingewiesen. Darauf geht nun Mohr ausführlich ein, wodurch er aber die Fragwürdigkeit seiner Terminologie nur noch zusätzlich unter Beweis stellt. Zunächst einmal ist "pagan" ein vollständiges Synonym für "heidnisch", das als Fremdwort allenfalls ein wenig gelehrter klingen mag. Zum Beweis genügt der Blick in jedes beliebige Wörterbuch. Mohr verwendet, wie er jetzt erklärt, die beiden Synonyma als unterschiedliche Termini: der eine schließt die monotheistischen Muslime ein, der andere dagegen nicht. Wie er es mit den ebenfalls monotheistischen Juden hält, verrät Mohr allerdings nicht. Konkret: Jassir Arafat und Bassam Tibi sind als Muslime für ihn offenbar "Pagane", Mahatma und Indira Gandhi als polytheistische Hindus dagegen "Heiden". Diese merkwürdige "Differenzierung" wird in Mohrs Dissertation nicht erklärt und noch nicht einmal konsequent durchgeführt. In den zeitgenössischen Quellen, um deren Sicht es ja gehen soll, kann sie allein schon deshalb nicht vorkommen, weil, wie bereits gesagt, "heidnisch" nur die Übersetzung von "paganus" ist.

Der Ausdruck "Heiden" mit allen seinen Ableitungen ist ein Terminus, der der religiösen Polemik entstammt. Er wird aus jüdischer oder christlicher Perspektive für alle Andersgläubigen gebraucht, die aus religiösen Gründen abgelehnt werden. Der Ausdruck ist nicht nur diskriminierend für alle, die damit bezeichnet werden, sondern fasst sie darüber hinaus pauschalisierend zu einer Gruppe zusammen, die nur ein einziges - und zwar negatives - Merkmal eint: nicht Christen bzw. nicht Juden zu sein. Begriffe mit einer solchen Hypothek eignen sich für den wissenschaftlichen Gebrauch unter keinen nur irgendwie denkbaren Umständen.[1] Wenn Mohr dennoch diese Terminologie verteidigt, übernimmt er völlig unbedacht die religiöse Objekt- in die wissenschaftliche Meta-Sprache. Gerade in einer Arbeit, die "das Wissen über die Anderen" zum Gegenstand hat, ist dies ein geradezu unverzeihlicher Fehler.

Vieles weitere müsste noch angefügt werden. Zum Beispiel, dass Verfasser nicht allein schon deshalb zu "Schreibern" degradiert werden dürfen, weil ihr Name nicht überliefert ist. Dass es zweierlei ist, forschungsgeschichtliche Linien aufzuzeigen und Literaturtitel bunt gemischt in Fußnoten aufzuführen. Dass Vergleiche stets hinken und wissenschaftliche Begriffe fast immer anachronistisch sind, aber dennoch erkenntnisfördernd sein können. Dass es auch im frühen Mittelalter Gesellschaften mit einer Vielzahl ethnischer Minderheiten gab, die mehr oder weniger stark an eine Mehrheit angepasst waren (z. B. Griechen, Syrer, Angelsachsen, Langobarden etc. in der Stadt Rom). Dass zwischen Sarazenen, Arabern, Berbern, Muslimen etc. nicht nur hin und wieder, sondern konsequent unterschieden werden muss, gerade im Hinblick auf die Frage, welchen Aspekt die fränkischen Autoren an diesen "Fremden" wahrnehmen.

Ich breche meine Entgegnung auf Mohrs Einwände damit ab. Wenn es die Aufgabe einer Rezension ist, nicht nur über den Inhalt, sondern auch über das wissenschaftliche Niveau einer Arbeit zu unterrichten, so fällt das Resümee kurz und eindeutig aus. Mohrs Untersuchung weist leider eine solche Fülle von Mängeln in grundlegenden Fragen auf, dass ich einen wissenschaftlichen Nutzen nicht mehr erkennen kann. Wer sich davon selbst überzeugen will, kann das Buch an einer beliebigen Stelle aufschlagen.

Anmerkung:

[1] Vgl. dazu Hubert Cancik: Art. Heidentum, in: Ders./Burkhard Gladigow/Karl-Heinz Kohl (Hgg.): Handbuch religionswissenschaftlicher Grundbegriffe III, Stuttgart/Berlin/Köln 1993, 64-66; Hubert Mohr: Art. Heiden, in: Ders./Christoph Auffarth/Jutta Bernhard (Hgg.): Metzler Lexikon Religion. Gegenwart - Alltag - Medien II, Stuttgart/Weimar 1999, 10f.