STELLUNGNAHME ZU

Axel Gotthard: Rezension von: Johannes Burkhardt: Der Krieg der Kriege. Eine neue Geschichte des Dreißigjährigen Krieges, Stuttgart: Klett-Cotta 2018, in: sehepunkte 19 (2019), Nr. 9 [15.09.2019], URL: http://www.sehepunkte.de /2019/09/32405.html


Von Johannes Burkhardt

Nachdem der Rezensent Axel Gotthard die Bedeutung des wunderbaren erfahrungsgeschichtlichen Panoramas des Dreißigjährigen Krieges von Hans Medick nicht begreifen wollte (sehepunkte 19 (2019), Nr. 5), ist nun mein Buch über denselben Krieg dran. Das könnte ich auf sich beruhen lassen, angesichts eines Rezensenten, der in Fachkreisen schon für seine seriell absprechenden Urteile in mokantem Ton bekannt ist. Denn wer das Buch liest, kann sich leicht überzeugen, dass jeder unterstellende, ironisierende oder vermeintlich besserwissende Satz der Rezension in seinem eigentlich gemeinten Zusammenhang abgesichert und begründet ist. Wer wird aber das Buch zur Hand nehmen, wenn er in der Rezension nicht erfährt, worum es in dieser "neuen Geschichte" des Dreißigjährigen Krieges wirklich geht?

Wie vorhersehbar hat nämlich der Rezensent die ihm von den "sehepunkten" angebotene Gelegenheit dazu genutzt, meinen seit 1992 diskutierten "Staatsbildungskrieg" ein weiteres Mal zurückzuweisen, um mehr Platz für seine Religionskriegslesart zu schaffen. Es ist dies eine alte Deutungskontroverse, die aus unterschiedlichen Forschungsansätzen entstanden ist. Der Autor des neuen Buches hat seinerzeit die Gründe für die Bellizität der ganzen Frühen Neuzeit analysiert und in den Entwicklungsproblemen des Staatsbildungsprozesses erkannt, typologisiert und die entscheidende Weichenstellung im Dreißigjährigen Krieg verortet. Demgegenüber hat Gotthard an den Religionsgravamina in regionalen deutschen Archiven angesetzt, diese Befunde dann aber verallgemeinert und so die lange verbreitete Religionskriegslesart wiederaufgenommen. Dabei habe ich selbst immer wieder die Konfessionskontroversen als den wichtigsten Nebenkonflikt gekennzeichnet, medial noch erweitert und europäisiert, aber auch ihre Grenzen durch die von Anfang an (!) querstehende Bündniskonstellation und das mäßigende institutionelle (!) Potenzial des föderalen Reichssystems aufgezeigt. Der Rezensent will das nicht wahrhaben und nochmals Punkte für seine exklusiv konfessionspolitische Sicht des Krieges machen.

Doch dem Rezensenten ist leider entgangen, dass dies alles gar nicht mehr Gegenstand des zu rezensierenden Buches war. Natürlich durften darin auch die Probleme um Staat und Religion nicht übergangen werden, aber übergeordnet ist doch eine ganz andere Perspektive: die Friedenssuche. Die Friedensinitiativen und -schlüsse, die der Rezensent als letzten Punkt anspricht, sind nicht "über den Band verstreut", sondern das eigentliche Thema. Unmissverständlich ist das in der Vorrede programmatisch angekündigt und am Ende im Rahmen aktueller frühneuzeitlicher Friedensforschung bilanziert. Die Friedensfrage wird jedoch in der historischen Darstellung nicht isoliert behandelt, sondern im Kontext des Kriegsverlaufs von Anfang an und durchgehend konsequent verfolgt. Der Rezensent "stört" sich an allerlei zugehörigem oder nichtzugehörigem Kleingehäkel, will aber diesen wahrhaft roten Faden nicht sehen, der den argumentativen Zusammenhang überhaupt erst herstellt.

Das gilt auch für die Stilkritik, die vielleicht sogar freundlich abfedernd gemeint ist, aber die Ernsthaftigkeit des ganzen Unternehmens beschädigt. Ein Autor kann sich eigentlich freuen, wenn ihm bescheinigt wird, dass die Lektüre "nie langweilig" werde, und er verstehe, "Sachverhalte in griffigen Formulierungen zu verdichten". Natürlich kann das auch für jemanden zu viel des Guten werden, aber dass dieses Buch über den Krieg der Kriege "durchgehend unterhaltsam" sei, ja "lustiger Plauderton" zum Nachteil der Analyse dominiere, muss ich denn doch mit allem Nachdruck zurückweisen. Hat der Rezensent die einführenden 40 Seiten zur Vermessung dieser Kriegskatastrophe und die daraus entwickelte bedrängende Schlüsselfrage des ganzen Buches nicht gelesen? Wer S. 51f. aufschlägt, kann über diesen Rezensionsstil nur den Kopf schütteln.

Nein, dieses Buch ist kein plauderndes Allerlei, sondern eine wirklich "neue Geschichte" des Kriegs der Kriege, die seine Länge und seinen Umfang als eine herausfordernde Gelegenheit begreift, einmal zu erkunden, inwieweit er uns auch und gerade als Großbaustelle des Friedens - einmal mehr, einmal weniger - chancenreich etwas zu sagen hat. Das gilt für die deutsche wie für die europäische Friedenssuche und gewinnt darüber hinaus universalgeschichtliches Interesse. Das Buch erscheint 2020 auch in chinesischer Übersetzung.


Anmerkung der Redaktion: Axel Gotthard hat auf eine Replik verzichtet.