Von Manfred Clemenz
Der Rezensent scheint sich in der Klee-Literatur und im Werk Klees nicht sonderlich auszukennen. Kern-Argument seiner Kritik ist, ich würde Werk und Künstler in eins setzen, indem ich - unter anderem - zeige, dass sich in Klees Spätwerk seine Erfahrungen mit Emigration und Krankheit widerspiegeln. Klee, so der Rezensent, habe in seinem Spätwerk auch ein heiteres Bild, Kinderspiel, gemalt, was gegen meine Argumentation spräche. Die Klee-Literatur geht allerdings überwiegend davon aus, dass im Werk Klees - in seinen beiden letzten Jahren - tatsächlich seine Krankheit zum Ausdruck kommt. Die schiere Quantität derartiger Bilder, auch der Satz Klees, er komme nunmehr (1940, auf dem Höhepunkt seiner tragischen Erkrankung) "nicht von ungefähr ins tragische Geleis, viele meiner Blätter weisen darauf hin", machen dies deutlich (vgl. S.256 meines Buches). Klee hat Bilder geschaffen wie Von der Liste gestrichen (1933) Gezeichneter (1935), Verzweifelt rudern, Friedhof oder Angstausbruch (1939) u.a.m., die, sei es aufgrund seiner Amtsenthebung durch die Nationalsozialisten, sei es durch seine Krankheit, zweifellos auf seine Person verweisen. Ich habe nirgendwo eine 1:1 Relation von Werk und Künstler unterstellt, sondern von Klees künstlerischen Chiffren, Metaphern oder "Hieroglyphen" (Werner Hofmann) gesprochen und diese analysiert, Chiffren, in die immer wieder tradierte Sujets und Stilelemente eingehen (in Angstausbruch etwa der Einfluss Picassos).
In Abschnitt 3 seiner Rezension insinuiert der Autor, ich würde unwissenschaftlich arbeiten: ich hätte "allzu taktisch" "einige neuere Arbeiten" in den Hintergrund gedrängt. Er bezieht sich dabei auf meine exemplarische Aufzählung einiger "neuerer" Arbeiten in meiner Einleitung. (S.12). Allein ein Blick ins Personenregister hätte ihm jedoch gezeigt, dass zahlreiche weitere neuere Arbeiten zu Wort kommen, teilweise sehr ausführlich: u.a. die neueren Arbeiten von Werckmeister, von Franciscono, Wedekind, Haxthausen, Prange, Eckstaedt, Suter, Schneider-Brody, Hopfengart, Eggelhöfer. Eine erschöpfende Darstellung der Klee-Literatur ist nicht möglich und die Auswahl muss vom jeweiligen Text her begründet werden. Dass ich dabei einen in der Klee-Literatur unbedeutenden Aufsatz von Monika Goedl (1996) nicht erwähnt habe, wie Lander moniert, ist vor diesem Hintergrund verständlich, als Vorwurf allerdings absurd. Selbst nach Auskunft des Rezensenten wiederholt sie lediglich, was zahlreiche andere Autoren, auch ich, geschrieben haben.
Völlig aus der Luft gegriffen ist, was der Rezensent anschließend schreibt, ich hätte die "historische Einordnung von Kunstrezeption und -interpretation als elementaren Bestandteil kunstwissenschaftlicher Forschung" ignoriert. Ich habe zunächst auf Dutzenden von Seiten die älteren Texte (vor 1933) ausführlich rezipiert, und in Kap. 6 auf insgesamt 15 Seiten die Literatur zur "Re-Mythisierung und Ent-Mythisierung" Klees nach 1945 beschrieben (u.a auch bei Heidegger und Adorno), einmal davon abgesehen, dass die oben genannten "neueren" Autoren ebenfalls ein wesentlicher Teil meiner Darstellung der Rezeptionsgeschichte sind. Auch meine ausführliche Darstellung von Klees Beziehung zur deutschen Frühromantik ist ein Teil der Rezeptionsgeschichte. All dies wird vom Rezensenten ignoriert. Ebenfalls auf gezielt selektiver Lektüre beruht, wenn der Rezensent mir unterstellt, die Künstlerlegende des "Selbstlehrlings" sei mir nicht bekannt, ein eindeutiger sachlicher Fehler, ich habe darauf hingewiesen (S.11).
Der Rezensent spitzt seine Unterstellung unwissenschaftlichen Arbeitens im vorletzten Abschnitt zu. Ausgangspunkt sind zwei Klee-Zitate, in denen Klee von seinem Fehlen "leidenschaftlicher Menschlichkeit" spricht, einmal in Bezug auf sich selbst, das andere Mal in Bezug auf seine Kunst. Mit großem Scharfsinn und argumentativem Aufwand stellt der Rezensent fest, dass zwischen beiden Aussagen ein Unterschied besteht, und ich wiederum Kunst und Künstler in eins gesetzt habe. Ich habe diesen Unterschied nicht bestritten. Ich habe vielmehr festgestellt, und dass es (a.) für mich einen gemeinsamen "Kern" in beiden Aussagen gibt, nämlich Klee Distanzierung von "leidenschaftlicher Menschlichkeit", einmal in der Kunst, das andere Mal in seiner Person und dass dies (b.) ein Hinweis darauf ist, dass es sich hier um authentische Aussagen Klees handelt. Klee wiederholt diese Aussagen, etwas variiert, auch an anderen Stellen, etwa in der berühmten Tagebucheintragung 1007, in der er sich von Franz Marc abgrenzt ("Meiner Kunst fehlt leidenschaftliche Art der Menschlichkeit", andererseits: "Ich bin kosmischer Anhaltspunkt, nicht Species", und sich selbst als "Neutralgeschöpf" sieht).
Wenn der Rezensent aus dieser Passage generell eine "Unschärfe der Begrifflichkeiten und Kategorien, die beinahe durchgängig aufscheint" (kursiv MC) schlussfolgert, so fällt dieser Vorwurf auf ihn selbst zurück: In seinem Furor, Künstler und Werk zu trennen, ignoriert er "durchgängig", dass es Künstler, wie etwa Klee, aber auch van Gogh oder Picasso, gibt, die selbst beides in der Tat miteinander in Verbindung bringen (das Verhältnis also "synthetisch" sehen, wie es Heinrich Wölfflin formulierte). Beide Seiten strikt zu trennen, ist keineswegs der Heilige Gral einer wahren Kunstgeschichte, sondern, um Wölfflin noch einmal zu zitieren, Ausdruck "bornierte(r) Einseitigkeit und Mangel an Begabung.[1]
Wie wenig der Rezensent selbst mit wissenschaftlichen Kategorien umgehen kann, zeigt er am Schluss dieses Abschnitts, wenn er am Beispiel des "Kristall" erneut versucht, mir einen Kategorienfehler nachzuweisen. "Kristall" spielt in der Kunstgeschichte immer wieder eine Rolle: in der Frühromantik, im Expressionismus, im Kubismus etc.. Klee hatte sich selbst mit Kristall identifiziert ("Ich Kristall"), als Ausdruck, dass er sich - in Abgrenzung von seinem Freund Franz Marc - als vergeistigtes, jenseitiges "Neutralgeschöpf" sieht, hatte zugleich vergleichbare Körpermetaphern wie etwa "Überkrustung" für sich in Anspruch genommen. Wie der Rezensent zurecht feststellt, stelle ich eine "Analogie" zwischen diesen Körpermetaphern und Klees Erkrankung an Sklerodermie fest, die durch eine Verhärtung und Überkrustung der Haut, später auch der inneren Organe charakterisiert ist. Dies ist ein Gedanke, der bereits häufiger in der Klee-Forschung aufgetaucht ist. Einer der bedeutendsten Klee-Forscher, Jürgen Glaesemer, hatte sogar postuliert, Klees Erkrankung sei Ausdruck seiner Persönlichkeit. Ich bin hier vorsichtiger und stelle keinen derartigen kausalen, sondern vielmehr einen metaphorischen Zusammenhang her, indem ich sage, Klees Körperbild "bilde" sich auf der Haut ab. Ich weise selbst darauf hin, dass dies "spekulativ" ist, und bezeichne die Parallele zwischen Klees Körperbild und seiner realen verhärteten Haut als "beklemmend und unheimlich". Der Rezensent. macht daraus: "Kunst, Mythos und Künstlerkörper sind hier endlich eins geworden und spätestens mit dieser Bemerkung habe der Autor die Grenzen wissenschaftlicher Nachvollziehbarkeit überschritten" (kursiv MC). Eine derartige Gleichsetzung von "Kunst, Mythos und Künstlerkörper" besteht allerdings nur in der Phantasie des Rezensenten und zeigt tatsächlich einen Mangel an synthetischer Reflexion. Es ist an dieser Stelle weder von Mythos, noch von Kunst die Rede, sondern davon, dass sich Klees eigenes metaphorisches Körperbild auf seinem realen Körper widerspiegelt.
Besonders abwegig ist, ich hätte Klee als "misogynen Unsympath" dargestellt. Ich habe, wie jeder Biograph Licht- und Schattenseiten des Protagonisten dargestellt. Dass er misogyne Züge hatte (die sich bereits in seinen Inventionen von 1905 zeigten), ist weitgehender Konsens in der "neueren" Klee-Literatur. Darüber hinaus habe ich Klee stets als großen Künstler und zugleich leidenden Menschen geschildert. Ich empfehle dem Rezensenten, die letzten Seiten meines Buches.
Das Kernproblem der Rezension ist, dass sie mit einem zentralen Punkt meines Buches überfordert ist, nämlich mit dem aus kunstwissenschaftlicher Perspektive komplexen Problem, wie das Verhältnis Kunst und Künstler zu behandeln ist. Man kann ein Werk zweifellos ausschließlich nach immanenten Kriterien behandeln, im Falle Klees ist es jedoch so, dass Klees autobiographische Texte (Tagebuch, theoretische Schriften, pädagogischer. Nachlass etc) zweifellos zeigen, dass für Klee ein unauflösbarer, geradezu symbiotischer Zusammenhang zwischen seiner Person und seinem Werk besteht, ein Nachweis, der sich durch mein ganzes Buch zieht. Hier ist der Zusammenhang in der Tat "zwingend". Der Rezensent bestreitet dies (was sein gutes Recht ist), er hätte sich dann aber mit dem Material und meiner Analyse ernsthaft auseinandersetzen müssen. Statt dessen "agiert" der Rezensent seinen Widerspruch, indem er mir unsinnige Positionen unterstellt. Dies zeigt sich besonders darin, dass er meiner Feststellung, in Klees Spätwerk spiegele sich auch sein tragisches Lebensschicksal (Emigration, Isolierung Krankheit), ein einziges Gegenbeispiel entgegenhält. Es gibt im wissenschaftlichen Vorgehen fast immer Gegenbeispiele; gemäss der "Logik der Forschung" (Popper), hätte sich der Rezensent dann mit der Relevanz potentiell theoriefalsifizierender Daten auseinandersetzen müssen. Auch hier scheint er überfordert zu sein. Der "Fall Matisse", d.h. sein Spätwerk, ist in der Tat anders gelagert, aber auch hier stellt sich die Frage, wie eine künstlerische "Gegenwelt" letztlich doch mit der biographischen Welt zusammenhängt.
Ein weiteres Thema, das die Rezension ignoriert, obwohl es sich durch den gesamten Text meines Buches zieht, ist der Geltungsanspruch der Klee'schen Kunst. Klee macht immer wieder klar, dass er sich als "kosmogenetischen" Künstler versteht, der die "Schöpfung" fortführt. Handelt es sich dabei lediglich um eine narzisstische Selbstüberhöhung des Künstlers oder ist sein Werk ohne Berücksichtigung dieses Geltungsanspruchs nicht zu verstehen? Ich tendiere zu Letzterem. Damit stellt sich allerdings die Frage, ist dieser Geltungsanspruch auch dem Werk immanent oder ausschließlich eine Setzung des Künstlers, oder beides? In diesem Falle wären Werk und Künstlerpersönlichkeit miteinander verkoppelt und müssten "synthetisch" analysiert werden. Generell lässt sich die Frage stellen, ob angesichts der Entwicklungen der modernen Kunst (Dadaismus, Surrealismus, concept art, postkoloniale und feministische Kunst u.a.) die herkömmliche Dichotomie von Genesis und Geltung, von Künstlerintention und Werkimmanenz, überhaupt noch trennscharf aufrechterhalten lässt - ein weites Feld der Kunstreflexion.
Ich resümiere: die Behauptung, ich würde relevante Teile der neueren Klee-Forschung ausklammern, elementare Bestandteile der kunstwissenschaftlichen Forschung ignorieren und schließlich spekulativ-unwissenschaftlich argumentieren, ist weder durch die Fakten noch die Vorgehensweise meines Buches belegbar. Sie beruhen auf Unterstellungen und Phantasien des Rezensenten. Ich möchte den Rezensenten abschließend darauf hinweisen, dass zahlreiche renommierte Klee-Experten (u.a. auch aus dem Paul-Klee-Zentrum) mir gerade besonders gründliches, fundiertes und abgewogenes wissenschaftliches Arbeiten, ja einen "Durchbruch" in der Klee-Forschung attestiert haben.
Anmerkung:
[1] Heinrich Wölfflin (1921), Kunstgeschichtliche Grundbegriffe, S.XI. Mit Wölfflin bin ich der Ansicht, dass Stilanalyse eine eigenständige Dimension der Kunstgeschichte ist, die nicht reduktionistisch auf den Künstler zurückgeführt werden kann, dass aber das Künstler-"Temperament" (Wölfflin) sehr wohl eine Rolle spielt, welchen "Stil" ein Künstler entwickelt.
Von Tobias Lander
Als Rezensent von "Der Mythos Paul Klee" möchte ich auf die Stellungnahme des Autors Manfred Clemenz reagieren und hoffe, dadurch einige Unklarheiten oder Missverständnisse ausräumen zu können. Polemische Anwürfe wie der, ich sei mit dessen Thesen "überfordert" und unterstelle "unsinnige Positionen" oder das sarkastische "mit großem Scharfsinn" werde ich aus Gründen der Höflichkeit ignorieren.
Ich gratuliere dem Autor zunächst, dass sein Werk von namhaften Klee-Experten als Durchbruch der Klee-Forschung tituliert wurde, welche natürlich nur einen kleinen Teil kunstwissenschaftlicher Forschung ausmacht. Der Ansatz meiner Kritik ist dagegen eher globaler Natur und bezieht sich vor allem auf die methodische Vielfalt der Untersuchung. Es liegt in der Natur der Sache, dass die Kombination verschiedener methodischer Ansätze der Leserin / dem Leser die Lektüre erschwert, allerdings konstatiere ich dies lediglich und moniere dies nicht. In meinen eigenen Publikationen pflege ich häufig selber einen interdisziplinären Ansatz und variiere auch die Methodik, wenn sich dies anbietet, weshalb ich ein solches Vorgehen für respektabel, aber eben auch für anspruchsvoll und zuweilen für problematisch halte. Dass einzelne Kapitel des Klee-Bandes von mir positiv herausgehoben werden, tut dem übrigens keinen Abbruch, da die Probleme einer multimethodischen Betrachtung das Zusammenspiel der einzelnen Kapitel im Gesamttext betreffen.
Der Autor mag mir zurecht vorwerfen, dass ich das Werk im Mittelpunkt der kunstwissenschaftlichen Analyse wissen will - was ich auch deutlich kommuniziert habe; von einem "Furor, Leben und Werk zu trennen", kann aber keine Rede sein. Selbstverständlich akzeptiere ich, dass sich Klees Lebensschicksal in seinem Werk spiegelt, genauso wie bei Vincent van Gogh, Pablo Picasso, Frida Kahlo, Francis Bacon, Jörg Immendorff - diese willkürliche Liste ließe sich noch weiter fortführen, erst recht, wenn man die Künstler wie Susan Sontag als "exemplarisch Leidende" begreift, und selbst dann, wenn man das Leiden des Künstlers an seiner Situation - wie in Tobias G. Natters neuestem Werk zu Egon Schiele geschehen - zum Teil als "Vermarktungslinie" definiert. "Natürlich komme ich nicht von ungefähr ins tragische Geleis, viele Blätter weisen darauf hin", schreibt Klee wenige Monate vor seinem Tod an Will Grohmann, und diese vom Autor angeführte Selbsteinschätzung bezweifle ich keineswegs: Allerdings erscheint mir eine Analyse des Spätwerks unvollkommen, wenn man nicht bedächte, dass "viele" - aber eben nicht alle - Arbeiten Klees als Spiegel seiner Lebensumstände zu deuten sind. Ich behaupte nicht, dass Gegenbeispiele wie das erwähnte Gemälde Kinderspiel das Tragische unsichtbar machen würden (dass es nur "ein einziges" ist, wie mir Clemenz vorhält, resultiert aus dessen Beispielhaftigkeit verbunden mit den Zwängen einer obligaten Beschränkung des Textumfangs); was ich lediglich einfordere, ist ein die Betrachtung vervollständigendes: 'aber', welches andere Aspekte der Bilderfindung als gleichwertig zulässt.
Dass Klee nach der Lektüre von Clemenz' Werk als "mysogyner Unsympath" dasteht, liegt genau an diesem Primat des Biographischen. Der diesbezügliche Schluss meiner Rezension möge deshalb auch bitte nicht als Kritik verstanden werden, sondern als subjektiver Seufzer eines Klee-Freundes, der kein Gemälde des Künstlers mehr ohne den Gedanken an seine unangenehme Künstlerpersönlichkeit betrachten können wird.
Es schmeichelt mir geradezu, dass der Autor einen richtungsweisenden Gelehrten wie Heinrich Wölfflin bemüht, um meinen angeblichen "Furor, Künstler und Werk zu trennen", zu verdammen: Clemenz schreibt in seiner Replik: "Beide Seiten strikt zu trennen, ist keineswegs der Heilige Gral einer wahren Kunstgeschichte, sondern, um Wölfflin noch einmal zu zitieren, Ausdruck 'bornierte(r) Einseitigkeit und Mangel an Begabung'". Es wäre respektlos, den Doyen der formalistischen Kunstgeschichte in der Geiselhaft dieser Argumentation zu belassen, weshalb ich an dieser Stelle leider nicht umhinkomme, die angeführte Textstelle korrekt zu zitieren: Wölfflin schreibt auf Seite XI der vom Autor zitierten fünften Auflage der Kunstgeschichtlichen Grundbegriffe (1921) folgendes:
"Was aber die Frage anbelangt: 'Künstlergeschichte oder Kunstgeschichte?', so ist diese uralt und wird nicht aufhören, solange es vorwiegend analytisch und vorwiegend synthetisch begabte Köpfe gibt. Das Wünschbare wäre ja ein Gleichmaß in der Begabung, aber dieses ist selten, und man muß froh sein, wenn man sich gegenseitig versteht und nicht die bornierte Einseitigkeit das Feld behauptet".
Mir einen Mangel an kunstwissenschaftlicher Begabung mithilfe eines verfälschten Zitats zu unterstellen, zeugt von einer Chuzpe, die ich hier nicht weiter kommentieren will.
Trotz meiner Kritik an der Publikation liegt mir jedwede wissenschaftliche Rufschädigung fern: Es wird eben im Klappentext und in der Einleitung eine Konfrontation zwischen der "harmonisierenden Darstellungen der bisherigen Klee-Biographik" und den Ergebnissen des Autors aufgebaut, die aufgrund vorangegangener und in späteren Kapiteln nachvollzogener Forschungsleistungen nur zum Teil erkennbar wird. Sollten meine Formulierungen hierzu allzu scharf ausgefallen sein, lag das wohl an einer überzogenen Erwartungshaltung meinerseits, wofür ich mich nur entschuldigen kann.
Zu keinem Zeitpunkt habe ich behauptet, Manfred Clemenz sei die Künstlerlegende des "Selbstlehrlings" unbekannt (wie kommt der Autor auf diese Idee?), sondern will sie lediglich als Beispiel des in der kunstwissenschaftlichen Forschung üblichen kritischen Umgangs mit Selbstäußerungen von Künstlern verstanden wissen. Bezüglich meines Vorwurfs einer begrifflichen Unschärfe kann ich nur wiederholen, dass "Klees Distanzierung von 'leidenschaftlicher Menschlichkeit" als "Kern" der erwähnten Aussagen nicht zwischen der Ent-Menschlichung der Person und des Werkes unterscheidet. Man möge mir glauben, dass mir die verschiedenen Erscheinungsformen des 'Kristallinen in der Kunstgeschichte nicht fremd sind, ebenso wenig, dass deren Bedeutung variiert. In diesem Zusammenhang scheint mir Klees Kristallbegriff nicht mit der Körpermetapher der "Überkrustung" in Deckung zu bringen zu sein. Frühere Rezensionen zielen übrigens in eine ähnliche Richtung, etwa jene in der NZZ vom 03. 01. 2017:
"Die zusammenhanglose Erwähnung von Zitaten ist nach wie vor en vogue. Vermutlich hat Haxthausen vor dieser kommunikationstechnischen Unsitte warnen wollen, auf der Clemenz partiell sein Buch aufbaut. Dies befremdet vor allem am Schluss des Buches, wo Clemenz den fragwürdigen Versuch unternimmt, das Beispiel des Kristalls und der Kristallisierung auf Klees Sklerodermie [...] zu beziehen".
Clemenz schreibt im betreffenden Kapitel, dass man die Überlegungen zu Klees Sklerodermie als Spiegelung seines Körperbilds "als spekulativ zurückweisen" möge: Und genau das erlaube ich mir in meiner Rezension zu tun - nicht mehr und nicht weniger.
Zusammengefasst: Weder behaupte ich, der Autor würde "relevante Teile der neueren Klee-Forschung ausklammern", noch, dass er unwissenschaftlich gearbeitet habe. Ich bedaure, dass der Autor die positiven Aspekte meiner Rezension anscheinend in keiner Weise würdigen kann. Ansonsten bleibt mir nur, auf die Instanz der denkenden Leserin / des denkenden Lesers zu verweisen, die / der Clemenz Text gegen meine Analyse desselben abzuwägen vermag. Möglicherweise kann die Leserin / der Leser meine Ausführungen ebenso wenig nachvollziehen wie der Autor der besprochenen Klee-Biografie: Dann muss ich es eben aushalten, dass meine Rezension als Ausdruck "bornierte(r) Einseitigkeit und Mangel an Begabung", wie dies Clemenz orakelt, begriffen wird. Als Verfechter einer leidenschaftlichen Diskussionskultur kann ich problemlos damit leben.