STELLUNGNAHME ZU

Christiane Moll: Rezension von Robert M. Zoske: Flamme sein! Hans Scholl und die Weiße Rose. Eine Biografie, München: C.H.Beck 2018; Jakob Knab: Ich schweige nicht. Hans Scholl und die weiße Rose, Stuttgart: Theiss 2018, in: sehepunkte 19 (2019), Nr. 1 [15.01.2019], URL: http://www.sehepunkte.de /2019/01/31413.html


Von Jakob Knab, Kaufbeuren

Jeder Autor freut sich, wenn sein neues Buch die gebührende Beachtung findet. Auch kritische Rezensionen fallen unter diese Rubrik. Indes: die vorbezeichnete Rezension fordert zum Widerspruch heraus. Im Blick auf manche Verkürzungen und Verzerrungen der vorbezeichneten Rezension möchte ich klarstellen, dass ich eine Biografie zu Hans Scholl verfasste, aber keine umfassende Geschichte der Widerstandsgruppe Weiße Rose. Dies ist der Rezensentin offenkundig entgangen. In sieben Schritten möchte ich meinerseits die eigentümliche Arbeitsweise der Rezensentin samt ihrer Hermeneutik des Verdachts erklären und auslegen.

1. Molls zentraler Vorwurf lautet, ich hätte mich kaum mit der bisherigen Literatur zum Thema auseinandergesetzt. Richtig ist vielmehr: Neben einer Reihe von Rezensionen der einschlägigen Veröffentlichungen zur Weißen Rose verweise ich auf das Kapitel "Erinnerungskultur und Rezeptionsgeschichte", wo auf den Seiten 210ff. die wichtigsten Veröffentlichungen zur Weißen Rose einzeln dem Leser kurz vorgestellt werden.

2. Des Weiteren erhebt Moll den Vorwurf, ich hätte "gravierende Umdeutungen" vorgenommen. Indes: Als Autor kommt mir die Deutungshoheit zu. Die Leitidee meiner Biografie ist die bislang vernachlässigte Beschreibung und Deutung der religiösen Entwicklung Scholls und dessen weltanschaulicher Beweggründe für den Widerstand ("Widersagen"). Die Klammer ist die christlich-ethische Bindung. Exemplarisch habe ich dazu auf Seite 9 ausgeführt: "Als Leitmotiv dient die Gestalt des Johannes des Täufers, des einsamen Rufers in der Wüste. "Kehret um! Ändert euren Sinn!"- das war letztlich auch Hans Scholls Botschaft. "Zerreißt den Mantel der Gleichgültigkeit, den Ihr um Euer Herz gelegt!", schrieb er im fünften Flugblatt und verband damit seine eindringliche Mahnung: "Entscheidet Euch, eh' es zu spät ist!"

3. "In der Darstellung der ersten vier Flugblätter wird die Autorenschaft Alexander Schmorells zu Unrecht stark marginalisiert" - so betont kritisch die Rezensentin. Dem gegenüber stelle ich Seite 125 fest, dass Scholl das erste und vierte Flugblatt der Weißen Rose allein verfasste, Schmorell den jeweils zweiten Teil des zweiten und dritten Flugblattes. Ich spreche vom "eher abgeklärten" Schmorell, der seine Leser mit "sachlichen Überlegungen zu erreichen suchte".

4. Es ist falsch, wenn mir vorgeworfen wird, ich würde mit der Begrifflichkeit "biblisch­ prophetische Mahnung" eine Entpolitisierung Scholls betreiben. Richtig ist vielmehr: Die Sehnsucht nach einer gerechten und friedvollen Welt, wie sie in der Hebräischen Bibel - auch als Altes Testament bekannt -überliefert wird, ist das kostbare und bleibende Erbe der jüdischen Gläubigkeit. Der Prophet tritt in Gottes Auftrag dem Herrscher entgegen und fordert ein Ende der Unterdrückung. Dieser Mut begründet auch für die christliche Gläubigkeit das Widersagen gegen den unrechten Machtanspruch der Obrigkeit.

5. Die Rezensentin unterstellt mir eine entpolitisierte Umdeutung Scholls. Dem gegenüber benenne ich als "Schlüsselaussage" dessen Aussage im Verhör vom 18. Februar 1943: "Ich gelangte nach vielen qualvollen Überlegungen zu der Ansicht, daß es nur noch ein Mittel zur Erhaltung der europäischen Idee gebe, nämlich die Verkürzung des Krieges. Andererseits war mir die Behandlung der von uns besetzten Gebiete und Völker ein Greuel."

6. In der Rezension scheinen auch absichtsvolle Sinnentstellungen vorzuliegen, wenn meine Konfession gegen mich ins Feld geführt wird: "Der Katholik Knab arbeitet besonders die katholischen Einflüsse der Umgebung Hans Scholls heraus, die Ende 1941 zu einer 'religiösen Wende' geführt hätten. Als Beleg führt er die katholische Taufe von Inge Scholl nach dem Krieg an." NEIN! Nachweislich begründe ich Scholls christliches Erwachen mit einem Auszug aus dem Brief, den dieser an seinen Mentor Carl Muth zu Weihnachten 1941 schrieb: "Mir ist in diesem Jahre Christus neu geboren."

7. Schließlich konzediert die Rezensentin: "Dagegen billigt Knab dem Kriegsgeschehen durchaus eine Bedeutung zu, die allerdings hinter den religiösen Beweggründen zurückbleibt." Meine Sicht: Die neu gewonnene christliche Gläubigkeit half Hans Scholl, das grauenvolle Elend des Vernichtungskrieges zu verarbeiten und in Worte zu fassen: "Wird nicht Christus stündlich tausendfach gekreuzigt." Nach den existenziellen Grenzerfahrungen während der Frontfamulatur im Sommer 1942 war für Hans Scholl die Ausweitung der Widerstandstätigkeit eine zwingende politische Konsequenz.

Erfreulicher Schlusspunkt. In einer Rezension der Zeitschrift Politische Studien wurde dieses Fazit gezogen: "Jakob Knab nähert sich dem Thema auf wissenschaftlich fundierte, historische Weise an und nimmt den Leser dabei durch seine anspruchsvolle wie ansprechende Darstellung mit. Die Lektüre ist Erinnerungskultur. Man sollte dieses Buch lesen." (https://www.hss.de/publikationen/aktuelles-buch-hans-scholl-zweifler-suchender-widerstandskaempfer-pub1324/)


Anmerkung der Redaktion: Christiane Moll hat auf eine Replik verzichtet.