Rezension über:

Birgit Panke-Kochinke (Hg.): Die Geschichte der Krankenpflege (1679-2000). Ein Quellenbuch, Frankfurt/Main: Mabuse 2001, 334 S., ISBN 978-3-933050-73-1, EUR 25,90
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Rezension von:
Wolfgang Woelk
Institut für Geschichte der Medizin, Heinrich Heine-Universität, Düsseldorf
Redaktionelle Betreuung:
Stephan Laux
Empfohlene Zitierweise:
Wolfgang Woelk: Rezension von: Birgit Panke-Kochinke (Hg.): Die Geschichte der Krankenpflege (1679-2000). Ein Quellenbuch, Frankfurt/Main: Mabuse 2001, in: sehepunkte 2 (2002), Nr. 3 [15.03.2002], URL: https://www.sehepunkte.de
/2002/03/2846.html


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Birgit Panke-Kochinke (Hg.): Die Geschichte der Krankenpflege (1679-2000)

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Die Geschichte der Krankenpflege als Beruf ist bisher noch nicht geschrieben worden. Jedoch präsentiert Birgit Panke-Kochinke in ihrer Quellensammlung viel Stoff, der Anreiz bieten könnte, sich dieses bedeutenden sozialgeschichtlichen und medizinhistorischen Themas anzunehmen.

Ihr Quellenbuch versteht sich als eine "Art Lesebuch", aber es ist weit mehr als dies: Sie legt ein auch didaktisch sehr gut durchdachtes Konzept vor, mit dessen Hilfe ein differenzierter Einblick in die Geschichte der Krankenpflege möglich wird. Die Publikation erfüllt somit einen doppelten Zweck: Sie ist zum einen ein Lehr- und Lernwerk für den fachspezifischen Unterricht in den zahlreichen Pflegeberufen und Studiengängen, die sich in ihrem Lehrplan die eigene Berufsgeschichte vergegenwärtigen möchten. Sie ist zum anderen auch ein interessantes Lesebuch für den an solchen Fragen interessierten Außenstehenden.

In ihrer Einführung in den Quellenband erörtert die Autorin kurz und prägnant die angestellten didaktisch-methodischen Überlegungen zur Quellenauswahl, bevor ein konziser Überblick über wichtige Entwicklungslinien der Krankenpflege vom 18. Jahrhundert bis in die Gegenwart vollzogen wird. Diesen Überblick macht Birgit Panke-Kochinke an insgesamt 19 Strukturlinien fest, die die wichtigsten Etappen in der Herausbildung und Ausdifferenzierung der Krankenpflege als Beruf beschreiben.

Ein erstes Anforderungsprofil bestand im ausgehenden 18. Jahrhundert darin, die Pflege von Patienten zu definieren. Dies geschah zuerst durch Ärzte, bevor die Pfleger selbst wichtige Aspekte ihres Tätigkeitsfeldes näher in Augenschein nahmen. Wie sollte der "richtige" Pfleger / die "richtige" Pflegerin beschaffen sein? Welche Eigenschaften sollte er / sie nicht haben? In dieser frühen Phase kam schon bald die Frage nach dem Geschlecht des Pflegenden auf. Die Überlegungen hierzu gründeten, so die Autorin, "eher auf dem geschlechtsspezifischen bürgerlichen Rollenbild als auf dieser faktisch vorgenommenen Arbeitsteilung im ständischen Lebensmodell des Ganzen Hauses" (24).

Eine weitere, die Debatte des 18. und 19. Jahrhunderts prägende Strukturlinie ist die der Krankenpflege als Beruf. Hier bestand die Schwierigkeit darin, festzulegen, was und was nicht Gegenstand dieses Berufes sein sollte. Des weiteren wurde heftig darüber gestritten, woher die Krankenpfleger und Pflegerinnen rekrutiert werden sollten. Rudolf Virchow lieferte hierzu 1869 eine eindeutige Antwort: Die Personen sollten zum einen nicht aus den unteren sozialen Schichten, zum anderen nicht aus der Ordenspflege kommen. Somit gerieten die bürgerlichen Frauen stärker ins Visier der Planungen. Sie, "die prinzipiell einer ähnlichen sozialen Gruppe entstammten wie die Ärzte selbst, stellten billiges, williges, verständnisvolles, bildungsfähiges Material für diesen Beruf dar" (28).

Die weiteren von Birgit Panke-Kochinke entworfenen Strukturlinien beschäftigen sich mit grundsätzlichen Aspekten der Pflege und des Pflegeberufes, so etwa Fragen der Selbstorganisation oder der Krankenpflege in Kriegszeiten. Sie setzen sich darüber hinaus mit den Auswirkungen internationaler Entwicklungen, den realen Arbeitsbedingungen und -belastungen, dem Verhältnis des Pflegenden zum Patienten und den Konsequenzen gegenwärtiger Gesundheitspolitik für eine moderne Krankenpflege auseinander.

An diesen hier nur angedeuteten Strukturlinien orientieren sich die von der Autorin ausgesuchten 83 Quellen, von den Überlegungen von Johann Storch und Franz May Ende des 18. Jahrhunderts über den Unterricht der Krankenwärter bis hin zu aktuellen Debatten über Pflege in Zeiten der Gesundheitsreformen, der Qualitätssicherung und des Informationszeitalters.

Alle Quellen werden in Auszügen abgedruckt, von der Herausgeberin kommentierend begleitet und chronologisch präsentiert. An jede Quelle schließen sich spezifische Hinweise zu anderen Quellen mit für den Unterrichtseinsatz unentbehrlichen Zusatzinformationen an. Dies erleichtert es dem Lehrenden, die Quellen direkt einzusetzen beziehungsweise mit Hilfe des sehr gut ausgewogenen und differenzierten Quellenbuchs selbst Schwerpunkte zu setzen. Ein aktuelles Literaturverzeichnis verweist für die einzelnen Untersuchungsaspekte auf die wichtigste Sekundärliteratur. Damit trägt das Quellenbuch auf didaktischer Ebene dazu bei, den fachbezogenen Unterricht zur Geschichte der Krankenpflege qualitativ zu heben.

Abschließend bleibt nur zu wünschen, dass die Quellensammlung einen weiteren Ansatz bietet, eine auf dem neuesten Stand der geschichtswissenschaftlichen und medizinhistorischen Forschung beruhende Darstellung zur Geschichte der Krankenpflege anzugehen.

Wolfgang Woelk