Magdalene Gärtner: Römische Basiliken in Augsburg. Nonnenfrömmigkeit und Malerei um 1500 (= Schwäbische Geschichtsquellen und Forschungen; Bd. 23), Augsburg: Wißner 2002, 304 S., 135 Farb-, 17 s/w-Abb., 1 CD-ROM, ISBN 978-3-89639-351-7, EUR 28,00
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Mit der vorliegenden Dissertation von Magdalene Gärtner werden die aus dem Augsburger Katharinenkloster stammenden Basilika-Bilder, die zum Teil von Hans Holbein d.Ä. und Hans Burgkmair d.Ä. geschaffen wurden, erstmals einer eigenständigen und ausführlichen Untersuchung unterzogen. Die Autorin will damit dem Manko, dass die zwischen 1499 und 1504 entstandenen Tafeln bisher meist in Verbindung mit dem Werk der einzelnen Maler betrachtet wurden, Abhilfe schaffen und "das ikonologische Programm unter Einbeziehung der Auftraggebersituation, des Zeitgeistes und der religiösen Praktiken an der Schwelle vom ausgehenden Mittelalter zur Neuzeit" (11) erschließen. Die sechs heute in der Staatsgalerie Augsburg ausgestellten großformatigen und spitzbogigen Tafeln geben die römischen Kirchen Santa Maria Maggiore, San Pietro, San Lorenzo, San Sebastiano, San Giovanni in Laterano, Santa Croce und San Paolo fuori le mura wieder und verbinden diese Darstellungen mit Szenen aus der Passion Christi und den Viten Heiliger. Durch einen Besuch dieser Kultstätten konnten Pilger im Heiligen Jahr einen vollkommenen Ablass erwerben.
Die Forschungsarbeit besteht aus zwei Teilen. Während der erste der ikonologischen Interpretation der ca. 220 x 115 cm großen Basilika-Bilder gewidmet ist, enthält der zweite einen umfangreichen Katalog der Gemälde und Zeichnungen sowie, im Anhang, relevante Quellenabschnitte. Der Katalog fasst unter anderem Ergebnisse einer umfassenden und tiefgründigen restauratorischen Begutachtung zusammen, die auch eine dendrochronologische Untersuchung und die Auswertung von Infrarot-Aufnahmen beinhaltet. Der umfangreiche Abbildungsapparat sieht für jedes Gemälde eine aufklappbare farbige Bildtafel vor und wird außerdem durch eine Vielzahl farbiger Detaildarstellungen der Objekte und ihrer Unterzeichnungen bereichert. Eine beiliegende CD-ROM der Dissertation komplettiert die Ausgabe.
Im ersten Teil der Arbeit rückt die Autorin im Anschluss an Literaturbericht und Forschungsstand den Bestimmungsort der Tafeln ins Zentrum ihrer Betrachtung. Gärtner diskutiert die Bilder im Zusammenhang eines den Dominikanerinnen 1487 verliehenen päpstlichen Privilegs. Dieses ermöglichte den Konventualinnen einen vollkommenen Ablass zu erwerben, wenn sie an drei Stätten des Klosters drei Pater Noster und drei Ave Maria beteten. Die Autorin deutet die Basilika-Bilder, welche für den Kapitelsaal des Klosters bestimmt waren, als eine Ersatzwallfahrt und als jene Orte innerhalb des Klosterkomplexes, an denen die vorgeschriebenen Gebete verrichtet werden konnten. Auf der Basis einer Klosterchronik von 1752 zusammen mit Wappen, die durch die Infrarot-Aufnahmen sichtbar wurden, sind einzelne Nonnen des Klosters als Stifterinnen der Tafeln gesichert. Magdalene Gärtner betont die repräsentative und memoriale Funktion der Basilika-Bilder, die neben ihrer Verwendung als geistige Pilgerfahrt das Nacherleben der Passion ermöglichten, als Andachtsbilder der Leiden Christi fungierten und aufgrund der Darstellung von Heiligen ebenso der Fürbitte dienten. Ein weiteres Kapitel widmet sich zunächst den Vorgaben der Stifterinnen sowie der Frage der Bildvorlagen, wobei Texte und Bilder der verbreiteten Pilgerführer, Illustrationen von kursierenden Drucken der Legenda Aurea sowie die spätmittelalterliche Rosenkranzfrömmigkeit berücksichtigt werden. Im Anschluss daran erörtert Gärtner jene Gestaltungsmittel, welche die Bildkonzeption der einzelnen, von Holbein, Burgkmair und dem Monogrammisten L.F. gefertigten Tafeln bestimmen. Den Abschluss des ersten Teils bildet eine Würdigung der Bilder sowohl im Hinblick auf ihre Kopien und Nachzeichnungen als auch in Verbindung mit der Augsburger Malerei an der Schwelle zur Frührenaissance.
Zweifelsohne stellt die Forschungsarbeit Magdalene Gärtners einen wichtigen Beitrag zur Erforschung der Augsburger Malerei um 1500 dar. Ein weiterer Aspekt, auf den der Untertitel der Arbeit ebenso verweist - die Frömmigkeit der Nonnen - kommt jedoch zu kurz. So ist es erstaunlich, dass dem Katharinenkloster vergleichbare Konzepte von Ersatzwallfahrten vornehmlich in Frauenklöstern Verbreitung fanden, so in Villingen und Kaufbeuren, deren Gestaltungsprinzipien die Autorin im Vergleich herausarbeitet. An dieser Stelle wäre eine weitergehende differenzierte Begutachtung der Bildprogramme wünschenswert gewesen, da sowohl Texte als auch Bilder mit durchaus wechselnden Inhalten, aufgestellt und befestigt an verschiedenen Stellen der Klöster auf eine Vielfalt rhetorischer Mittel und medialer Vergegenwärtigungsstrategien der geistigen Pilgerfahrt hindeuten. Die Aussage Gärtners, dass es für Ordensfrauen zu gefährlich gewesen sei, auf Pilgerfahrt zu gehen, kann keine befriedigende Erklärung auf die Frage darstellen, warum gerade in Frauenklöstern der Bettelorden ein Interesse an mit Ablässen verbundenen Ersatzwallfahrten bestand (15, 27). In diesem Zusammenhang wird die stetig anwachsende Forschungsliteratur zur Bildproduktion in Frauenklöstern des deutschsprachigen Raumes, zum Beispiel die Publikationen Jeffrey Hamburgers, ausgeblendet. Dabei hätte gerade eine Diskussion der Basilika-Bilder in diesem Kontext einen wertvollen Beitrag zur Bildkultur der noch nicht hinreichend bearbeiteten süddeutschen Frauenklöster an der Schwelle zur Renaissance leisten können. Die Stiftermotivation der Dominikanerinnen erklärt sich eben nicht allein aus dem allgemein verbreiteten Handel mit Ablässen. Eine stärkere Berücksichtigung der Tatsache, dass die rege Bautätigkeit der Dominikaner in Augsburg, in deren Folge man nur eine Verschärfung der Klausur vermuten kann, auch zu einem Klosterneubau der Dominikanerinnen führte, sowie eine Problematisierung der Lebensbedingungen und Frömmigkeit in Nonnenkonventen wären zudem erforderlich gewesen. Hier reicht es nicht immer aus, Erkenntnisse der historischen und theologischen Forschung durch Lexikonartikel zu belegen.
Gärtners künstlerische Bewertung der Basilika-Bilder erfolgt vor dem Hintergrund einer qualitativen Einschätzung der Künstlerleistungen Holbeins, Burgkmairs und des Monogrammisten L.F. Die Bildanalysen der einzelnen Tafeln stellen weitestgehend eine Zusammenfassung der Katalogtexte aus dem zweiten Teil der Forschungsarbeit dar. Gärtner kommt anhand von Untersuchungskriterien wie Komposition, Kolorit, Lichtwirkung etc. zu durchaus interessanten Beobachtungen, die vor allem die Ordnungsstrukturen der Tafeln betreffen. Eine Auswertung dieser vor dem Hintergrund eines auch inhaltlichen Ineinandergreifens von Darstellungen der Passion Christi, der jeweiligen römischen Basiliken sowie Szenen aus den unterschiedlichen Heiligenleben erfolgt hingegen selten. Zumeist bleibt es bei der Schlussfolgerung, dass die Bildtafeln vielschichtig miteinander verknüpft seien und für ein hierarchisch aufgebautes Schema aus repräsentativen Bildern der Andacht, wie Darstellungen der Passion Christi und der Kultstätten, und Bildern der Historia, gemeint sind die Bildviten Heiliger, ständen (62). Die funktionale Aufgabe der solchermaßen als Andachts- und Historienbilder klassifizierten Strukturen für sich und untereinander kommt nicht in den Blick. Dabei fallen gerade in den Bildviten der Heiligen eine Betonung der Martyrien und auch des Reliquienwesens auf. Und die zuweilen sehr kunstvolle Verschränkung der Strukturelemente provoziert dazu, die neben- und übereinander geblendeten Realitätsebenen genauer zu studieren und nach weiteren Bedeutungsimplikationen in der Darstellung der sieben römischen Basiliken zu fragen.
Es ist Gärtners Verdienst, erstmals die künstlerischen Leistungen der an den Basilika-Bildern tätigen Maler ins Verhältnis zu setzen. Trotz ähnlicher Vorgaben ist interessant zu sehen, wie Holbein und Burgkmair relativ unabhängig von der Augsburger Maltradition, sodann individuell und stilistisch verschieden ihre Aufgaben erfüllten. Während bei Holbein beispielsweise eine intensive Auseinandersetzung mit dem Kolorit deutlich wird, zeugt Burgkmairs Malerei von einem Studium der Natur und menschlicher Bewegungen. Neben einer ebenso wichtigen und an dieser Stelle erfolgten kritischen Würdigung des Künstlerbeitrags hätte eine Kombination und Verknüpfung unterschiedlicher Fragestellungen das von der Verfasserin diskutierte Problem einer Kunst an der Epochenschwelle bereichert. Dazu gehört, sowohl den Kontext der Nonnenfrömmigkeit zu berücksichtigen als auch einer nicht nur durch die räumliche Distanz geprägten Wahrnehmung von Kultstätten, die für die christliche Religion von entscheidender Bedeutung sind, im Bild nachzugehen.
Kristin Böse