Rezension über:

Generaldirektion der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg (Hg.): Ludwig Persius - Architekt des Königs. Baukunst unter Friedrich Wilhelm IV. Katalog zur Ausstellung im Schloss Babelsberg, Potsdam, 2003, Regensburg: Schnell & Steiner 2003, 273 S., 70 Farb-, 130 s/w-Abb., ISBN 978-3-7954-1586-0, EUR 39,90
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Rezension von:
Frank Schmitz
Berlin
Redaktionelle Betreuung:
Stefanie Lieb
Empfohlene Zitierweise:
Frank Schmitz: Rezension von: Generaldirektion der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg (Hg.): Ludwig Persius - Architekt des Königs. Baukunst unter Friedrich Wilhelm IV. Katalog zur Ausstellung im Schloss Babelsberg, Potsdam, 2003, Regensburg: Schnell & Steiner 2003, in: sehepunkte 4 (2004), Nr. 3 [15.03.2004], URL: https://www.sehepunkte.de
/2004/03/3740.html


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Generaldirektion der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg (Hg.): Ludwig Persius - Architekt des Königs

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Als im vergangenen Sommer im Potsdamer Schloss Babelsberg eine Ausstellung zum 200. Geburtstag des Architekten Ludwig Persius gezeigt wurde, machte die Vielzahl der Besucher deutlich, welche Popularität der Schinkel-Schüler in der interessierten Öffentlichkeit genießt. Einige seiner Bauten, wie das kürzlich rekonstruierte Belvedere auf dem Pfingstberg, sind für viele Einheimische zu identitätsstiftenden Markierungen ihrer Stadt geworden. In der Fachwelt wurde Persius bislang wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Die Architekten der nachklassizistischen Zeit galten als Urväter der historistischen Stilarchitektur des späten 19. Jahrhunderts, die die Kunstgeschichte - teils bis heute - verachtet und nur zögerlich aufarbeitet. Als sich in den 1970er-Jahren Wissenschaftler erstmals in ihren Dissertationen mit dieser Zeit beschäftigten, kämpften sie gegen Windmühlen, nicht wenigen war unverhohlen von derartigen Themen abgeraten worden.

Die zeitgenössische Einschätzung von Persius als "zweitem Schinkel" (Fürst von Pückler-Muskau), die eigentlich eine Wertschätzung ausdrücken sollte, ließ den Architekten stets im Schatten des preußischen Meisterarchitekten erscheinen. In der Tat sind zahllose Persius-Entwürfe unmittelbar abhängig von Bauten des Lehrers: Die Schöpfung der typischen Potsdamer "Turmvilla" ist kaum vorstellbar ohne Schinkels Römische Bäder, das eigene Haus von Persius nicht ohne Schinkels Kronprinzenpavillon im Schlosspark Berlin-Charlottenburg.

Der vorliegende Katalog bietet erstmals einen umfassenden Überblick zu Leben und Werk von Ludwig Persius. Das erste Drittel des Buches bildet der Aufsatzteil. Nach einer einführenden Skizze Eva Börsch-Supans zum architekturhistorischen Stellenwert von Persius richtet Andreas Kitschke sein Augenmerk auf das persönliche Umfeld des Architekten, seinen engen, oft täglichen Kontakt mit Friedrich Wilhelm IV., seine Freundschaft zu Schinkel. Die Aufsätze fokussieren höchst unterschiedliche Aspekte, dabei gehen sie oft über den einzelnen Architekten weit hinaus. So präsentiert Falko Neininger eine ausgezeichnete Studie zum Potsdamer Immediatsbaufonds, einem staatlichen Geldtopf, mit dem Potsdamer Bürger beim Bau oder bei der Sanierung ihrer Wohnhäuser unterstützt wurden. Da der Preußenkönig über die Vergabe dieser Mittel weitgehend frei verfügte, wird die persönliche Gewandtheit von Ludwig Persius deutlich, der die Gunst des Monarchen nicht nur für den Bau seines eigenen luxuriösen Hauses (1837-38, zerstört 1945) nutzte. Auch seine Nachbarin profitierte von der Verbindung des Architekten zur allerhöchsten Stelle, indem sie aus dem Fond eine neue Pergola erhielt - nach Entwürfen von Persius.

Der in nahezu allen Bauaufgaben tätige Persius schuf mit seinem maurisch gewandeten Dampfmaschinenhaus (1841-42) für den Schlosspark Sanssouci ein Kuriosum, das von seinem Reiz bis heute nichts eingebüßt hat. Sabine Bohle-Heintzenberg widmet sich dieser - zur Zeit von Persius recht neuen - Bauaufgabe, deren Charakter als Zweckbau im Stadtbild vermeintlich störte und deshalb durch eine Maskerade als Pseudo-Moschee getarnt wurde: Das Minarett erweist sich als qualmender Schlot. Bohle-Heintzenberg zitiert die messerscharfe zeitgenössische Kritik, der das Gebäude ausgesetzt war, gelangt aber zu einer positiven Bewertung des funktional organisierten Baus. Leider ist dies an den viel zu klein wiedergegebenen Grundrissen kaum nachvollziehbar, ein gravierendes Manko, das alle Teile des Buches durchzieht. Über die Rehabilitierung des Dampfmaschinenhauses hinaus wäre allerdings eine genauere Untersuchung des "Exotischen" an diesem Gebäude lohnend. Dabei käme man zu dem Ergebnis, dass sehr viel "Preußisches" oder "Schinkelsches" in dem vermeintlich Maurischen steckt: die lockere, malerische Disposition der kubischen Baukörper ist viel einheimischer als es der flüchtige Blick glauben mag. Die Leistung von Persius liegt wahrscheinlich eher darin, mit wenigen, vor allem dekorativ applizierten Elementen einen exotischen Eindruck zu evozieren. Damit steht er in bester lokaler Tradition: das Chinesische Teehaus aus dem achtzehnten Jahrhundert im nahe gelegenen Schlosspark hat praktisch nichts "Chinesisches" an sich und lässt die Fantasie dennoch in weite Ferne schweifen.

Den zweiten Teil des Bandes bildet eine Werkübersicht, die nicht chronologisch angelegt ist, sondern wohl überlegt nach Schlagworten. Beginnend mit der Rubrik "Schinkels Meisterschüler", die Persius als bauausführenden Architekten vorstellt, über Werkgruppen wie "Im italienischen Villa-Styl" und "Für Thron und Altar" stellen die Rubriken Bauten einzelner Gattungen vor, eröffnen Vergleichsmöglichkeiten und zeichnen Entwicklungslinien. Außer den bekannten Bauten findet der Leser nicht realisierte, teils hochfliegende Entwürfe, etwa den Plan für ein Hippodrom neben dem Schlosspark Sanssouci, eine Art preußischer "Circus maximus". Mit Überraschung nimmt selbst mancher Potsdam-Freund zur Kenntnis, wie sehr das gesamte Umfeld des Schlosses Sanssouci, das er für originär friderizianisch hielt, von Persius geprägt ist. Die Seitenflügel des Schlosses und die Einfassung des Friedrichsgrabs auf der Terrasse stammen von Persius, das Bassin zu Füßen des Weinbergs, ja sogar Teile der Terrassen wurden von ihm umgestaltet.

Den Anhang des Buches bilden ein Katalog der ausgestellten Zeichnungen sowie Auszüge aus dem Briefwechsel des Architekten mit Schinkel, Fürst Pückler und Friedrich Wilhelm IV.

Die Monografie ist eine Würdigung des Protagonisten, wie sie kaum besser ausfallen konnte. Die Texte sind durchweg auf hervorragende Quellenkenntnis gegründet, ohne je weitschweifig oder langatmig zu werden. Zu einer Zeit, in der Potsdam seine historischen Bauten (teils aus dem "Nichts" heraus) munter rekonstruiert, tut derartige Wissensvermehrung dringend Not.

Frank Schmitz