Peter Csendes: Philipp von Schwaben. Ein Staufer im Kampf um die Macht (= Gestalten des Mittelalters und der Renaissance), Darmstadt: Primus Verlag 2003, X + 240 S., ISBN 978-3-89678-458-2, EUR 29,90
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Diese erste moderne Biografie des Staufers Philipp von Schwaben (1198-1208) seit 130 Jahren rückt einen arg vernachlässigten Herrscher zu Recht stärker in den Blick, dessen Person und Wirken primär durch den deutschen Thronstreit und sein tragisches Ende bestimmt schienen. Der durch eine Biografie Kaiser Heinrichs VI. (1993) und andere einschlägige Studien zum späten 12. Jahrhundert ausgewiesene Verfasser behandelt Philipps Leben und Königtum in zehn chronologisch angelegten Kapiteln, denen fünf thematisch und systematisierend ausgerichtete Abschnitte zu den strukturellen Rahmenbedingungen und politischen Machtkonstellationen in Italien und im Reich - "Montefiascino 1197", "Fürsten, Ritter und das Volk", "Der Papst", "Der vierte Kreuzzug" und "Italien in den Jahre des Thronstreits" - an die Seite gestellt werden. Warum Reihenherausgeber und Verlagslektorat ein vom Autor geplantes synchrones Kapitel "Europa um 1200" gestrichen haben, bleibt unerfindlich. Eine allzu kurz geratene Gesamtwürdigung von Philipps Person und Regierung, die seine Darstellung in Historiographie und Bildzeugnissen und seine Beziehungen zu Fürsten, Ministerialität, Kirche und Künstlern thematisiert, beschließt als 16. Kapitel das Buch.
Ob der jüngste Sohn Barbarossas, vermutlich im Februar/März 1177 in Pavia (?) geboren, von Anfang an für eine geistliche Laufbahn bestimmt war und gezielt darauf vorbereitet wurde, wie Csendes unter Berufung auf die Namengebung und eine Bemerkung des Dichters des Ligurinus annimmt, erscheint fraglich. Schon G. Althoff hat Philipps Namen und die mögliche Taufpatenschaft Philipps von Heinsberg vorrangig politisch als Ehrung des Kölner Erzbischofs erklärt, in der "Vorbereitungen Barbarossas zur Auseinandersetzung mit Heinrich dem Löwen faßbar werden". [1]
Auch im Jahre 1183 ist von Philipps geistlicher Bestimmung noch nichts zu erkennen. Mitte Juli, kurz nach den bedeutenden politischen Vorgängen in Konstanz (Friedensschluss mit dem Lombardenbund), trat er neben seinem Bruder, Herzog Friedrich V. von Schwaben, in amtlicher Funktion als Zeuge eines Gütergeschäfts Graf Konrads II. von Valley für das wittelsbachische Hauskloster Scheyern auf [2], was Csendes entgangen ist. In der Folgezeit erscheint Philipp seit April 1189 (bis Juli 1193) als Propst des Aachener Marienstifts und ab 1190/91 zeitweilig auch als Bischofselekt von Würzburg, doch fehlt in den Quellen jeglicher Hinweis, dass Philipp jemals eine geistliche Weihe empfing.
Philipps politische Karriere als zeitweiliger möglicher königlicher Nachfolger seines Bruders Heinrichs VI. begann mit der Erhebung zum Herzog von Tuszien (Ostern 1195) und der Belehnung mit dem Herzogtum Schwaben (August/September 1196). Der frühe Tod Heinrichs VI. († 28.09.1197) ließ ihn auch auf Grund der Minderjährigkeit seines in Sizilien verbleibenden Neffen Friedrich II. zum Träger der staufischen Herrscheridee im Reich werden. Am 8. März 1198 wählten die staufischen Parteigänger Philipp zu ihrem neuen König. Die antistaufischen Kreise unter Führung Erzbischof Adolfs von Köln stellten ihm - nach längerer Kandidatensuche - am 9. Juni 1198 ihren erwählten König, den Welfen Otto von Poitou, entgegen. Diese Doppelwahl löste einen fast zehn Jahre währenden Bürgerkrieg aus, der das Reichsgefüge vor eine harte Zerreißprobe stellte.
Die Schilderung von Philipps Rolle und Handlungsweise in diesem gewaltsam geführten Konflikt um den römisch-deutschen Thron nimmt in Csendes' Darstellung den meisten Raum ein. Während das schwankende Kriegsglück und die wiederholten Parteiwechsel (vor allem Landgraf Hermanns von Thüringen und König Otakars von Böhmen) zunächst bald die staufische, bald die welfische Seite begünstigten, gewann Philipp nach dem Übertritt Erzbischof Adolfs von Köln auf seine Seite seit 1204/05 sukzessiv die Oberhand im Reich. Dies bewog seit Sommer 1205 auch Papst Innocenz III. zu einer veränderten Haltung gegenüber dem lange Zeit exkommunizierten und bekämpften Staufer. Nach der im Mai 1208 endlich erzielten Einigung mit dem Papst schien der langersehnte Frieden im Reich greifbar nah. Doch die unerwartete Ermordung Philipps am 21. Juni 1208 machte alle Hoffnungen auf einen Neuanfang zunichte. Ob das Motiv für den Mordanschlag Pfalzgraf Ottos von Wittelsbach primär in dessen durch Philipp zugefügte Ehrverletzung (Aufhebung der Verlobung mit der Königstochter Kunigunde) zu suchen ist, wird von der Forschung bis heute kontrovers diskutiert. Csendes deutet den Mord im Anschluss an die "Staatsstreich-These" von B.-U. Hucker [3] mit nicht überzeugenden Argumenten als vorläufigen Schlusspunkt einer von den Andechs-Meraniern geförderten (welches Motiv hatten sie?) umfangreichen Verschwörung, in die er auch König Philipp II. von Frankreich und Herzog Heinrich von Brabant involviert sieht. Der Königsmord, der den Zeitgenossen als ein bis dahin bei den Deutschen unerhörtes Verbrechen galt, führte zum alsbaldigen Zusammenbruch der Ordnung im Reich und ebnete Philipps Widersacher Otto den Weg zu einem schließlich auch von den staufischen Parteigängern anerkannten und getragenen Königtum.
Insgesamt gesehen bietet Csendes eine gelungene Darstellung des deutschen Thronstreits. Doch erhalten Philipps Person und Wirken kaum deutlichere Konturen, etwa durch einen systematischen Vergleich mit Heinrich VI. oder Otto IV. oder durch Herausarbeiten der spezifischen Merkmale und Bedingungen seines Königtums. Wo setzte er politisch eigene Akzente? In welchen Bereichen seiner Herrschaftspraxis beschritt er neue Wege? Die von Csendes nur gestreifte zentrale Frage nach der Funktion von Philipps Hof und seinem personalen Netzwerk wird nunmehr durch die grundlegende Arbeit von B. Schütte [4], die ihm noch nicht zur Verfügung stand, erschöpfend behandelt.
Etliche sachliche Fehler schränken den Wert des Buchs als Nachschlagewerk und für den universitären Unterricht unnötig ein: die Diepoldinger starben 1204, nicht 1146, aus (15); Herzog Friedrich IV. von Schwaben starb 1167, nicht 1166 (16); das Prämonstratenserstift Ursberg lag damals in Schwaben, nicht in Bayern (19); Burchard von Ursberg war Prämonstratenser, nicht Zisterzienser (39); München ist vor 1240/55 nicht als Residenz der Wittelsbacher anzusprechen (42); Kaiserin Kunigunde starb 1033, nicht 1023 (119); das Ultimatum der Lateiner und ihr Sturm auf die Stadtmauern von Konstantinopel fanden im Februar und April 1204, nicht 1203, statt (134f.); als Nachfolger des gestürzten Alexios IV. bestieg Alexios V., nicht Alexander V., im Februar 1204 den byzantinischen Thron (134) und so weiter.
Anmerkungen:
[1] Gerd Althoff, Namengebung und adliges Selbstverständnis, in: Nomen et gens. Zur historischen Aussagekraft frühmittelalterlicher Personennamen, hg. v. Dieter Geuenich u. a. (= Ergänzungsbände zum Reallexikon der Germanischen Altertumskunde Bd. 16), Berlin 1997, 127-139, hier 139.
[2] Michael Stephan (Bearb.), Die Traditionen des Klosters Scheyern (= Quellen und Erörterungen zur bayerischen Geschichte Bd. 36/I), München 1986, Nr. 54b, 56f.
[3] Bernd-Ulrich Hucker, Der Königsmord von 1208 - Privatrache oder Staatsstreich?, in: Die Andechs-Meranier in Franken. Europäisches Fürstentum im Hochmittelalter, Mainz 1998, 111-127.
[4] Bernd Schütte, König Philipp von Schwaben. Itinerar, Urkundenvergabe, Hof (= MGH Schriften, Bd. 51), Hannover 2002.
Hubertus Seibert