John C.G. Röhl: Wilhelm II. Der Aufbau der Persönlichen Monarchie 1888-1900, München: C.H.Beck 2001, 1437 S., 55 Abb., ISBN 978-3-406-48229-8, EUR 49,90
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Wie der erste Band der monumentalen Kaiser-Biografie Röhls, der Kindheit und Jugend Wilhelms bis zur Regierungsübernahme behandelt hat, enthält auch der zweite Band eine außerordentlich detailgenaue Rekonstruktion der Abläufe im politischen und höfischen Umfeld des Monarchen. Angesichts der schier unüberschaubaren Fülle des Materials wünschte man sich manches Mal den auswählenden und gewichtenden Zugriff einer politischen Biografie. Allerdings kann man dem Verfasser nicht vorwerfen, dass er den roten Faden verloren hätte. Vielmehr durchziehen zwei ganz klar erkennbare Interpretationslinien den gesamten Band: erstens die Einschätzung, dass das "Persönliche Regiment" keineswegs nur Fiktion geblieben sei, und zweitens ein außerordentlich kritisches Urteil über Charaktereigenschaften und Fähigkeiten Wilhelms. Wurde der problematische Charakter im ersten Band durch die Rekonstruktion der absonderlichen Erziehungsmethoden, denen Wilhelm unterworfen war, zumindest noch relativiert, so verselbstständigt er sich gewissermaßen im zweiten Band, zumal Röhl dezidiert eine Erbanlage beziehungsweise Erbkrankheit dafür verantwortlich macht. Überdies geht nun der charakterliche Defekt mit dem Persönlichen Regiment eine unheilvolle Verbindung ein, die die deutsche Geschichte des ausgehenden 19. Jahrhunderts als Irrweg eines Monarchen und seiner Günstlinge erscheinen lässt.
Biografien von Politikern müssen per definitionem personalisieren, aber sie müssen auch diskutieren, in welchem Maß Zeit und Gesellschaft Politik und Politiker möglich gemacht haben. Das allerdings wird nicht immer deutlich. Vielmehr könnte man monieren, dass der Verfasser sein Material allzu großzügig ausbreitet, oft über lange Strecken Quellen zitiert und paraphrasiert, dabei aber im persönlichen Umfeld des Kaisers verbleibt und so die gesellschaftliche Einbettung politischen Handelns nicht verständlich machen kann. Tatsächlich verschwinden die politischen Handlungen in einem Wust von kuriosen Vorstellungen und abstrusen Verhaltensweisen. Indem der Blick etwa auf Baukunst und Kolonialpolitik, auf Kostümfeste und Schlachtflottenbau gleichermaßen gelenkt wird, tritt sicherlich ein Wesenzug des in Wilhelm II. personifizierten widersprüchlichen Zeitalters hervor. Aber die politischen und gesellschaftlichen Hintergründe sind so nicht immer klar zuzuordnen. Ohne Frage aber stellt das Buch eine bewundernswerte Leistung dar, die als unerschöpfliche Fundgrube für die Forschung dienen kann.
Winfried Speitkamp