Rezension über:

Gerhard F. Strasser / Mara R. Wade (Hgg.): Die Domänen des Emblems: Außerliterarische Anwendungen der Emblematik (= Wolfenbütteler Arbeiten zur Barockforschung; Bd. 39), Wiesbaden: Harrassowitz 2004, 307 S., ISBN 978-3-447-05066-1, EUR 74,00
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Rezension von:
Ulrike Wolff-Thomsen
Kunsthistorisches Institut, Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
Redaktionelle Betreuung:
Hubertus Kohle
Empfohlene Zitierweise:
Ulrike Wolff-Thomsen: Rezension von: Gerhard F. Strasser / Mara R. Wade (Hgg.): Die Domänen des Emblems: Außerliterarische Anwendungen der Emblematik, Wiesbaden: Harrassowitz 2004, in: sehepunkte 5 (2005), Nr. 7/8 [15.07.2005], URL: https://www.sehepunkte.de
/2005/07/7350.html


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Gerhard F. Strasser / Mara R. Wade (Hgg.): Die Domänen des Emblems: Außerliterarische Anwendungen der Emblematik

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"Domänen des Emblems" - was verbirgt sich hinter dem Titel? Domäne ist eine allgemeine Bezeichnung für ein Herrschaftsgebiet, das sich im Falle der Emblematik territorial über das gesamte Europa und über einen Zeitraum vom 16. bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts erstreckte. Wie weit reichend das Emblem "Herrschaft" in der Malerei, Architektur, ephemeren Festkultur oder Mnemonik u. a. ausüben konnte, verdeutlichen eindrucksvoll die zwölf Beiträge des Aufsatzbandes. Ihm ist die von Gerhard F. Strasser und Mara R. Wade im März 1999 ausgetragene und international besetzte Tagung "Über das Emblembuch hinaus" in der Wolfenbütteler Herzog August Bibliothek vorausgegangen, die sich nicht nur der Aufgabe der reinen bzw. angewandten Emblematik, sondern besonders den "verschiedensten Einstellungen" (7) zum Emblem in den unterschiedlichen Disziplinen (bildende Kunst, Musik, Theologie, Pädagogik und Architektur) stellte. Der nicht unumstrittene Begriff der angewandten Emblematik, der auf eine ausschließliche Nutzung von Vorlagen aus Emblembüchern in außerliterarischen Kontexten anspielt, wird im Aufsatzband nicht zu Gunsten des weiter gefassten und dadurch treffenderen Begriffs der buchexternen Emblematik diskutiert, der eben die vielfältigsten Formen der Emblematik außerhalb des Buches mit einschließt. Gerade sie werden im Weiteren eine Rolle spielen. Einige der Beiträge seien hier in Kürze vorgestellt.

Johannes Köhler macht auf den bedeutenden, 1749 geschaffenen "Fliesensaal" in Schloss Wrisbergholzen aufmerksam, dessen ca. 680 Emblemfliesen auf die Emblembücher von Diego Saavedra, Otto van Veen, Joachim Camerarius und Daniel Cramer in großer Vollständigkeit zurückgehen. Die Fliesen unterliegen jedoch überraschenderweise keinem Programm, auch lässt sich nichts mit Bestimmtheit über die Intention der Auftraggeber sagen. Köhlers Vorhaben, die Vorlage für die zwölf Monatsfliesen zu finden, darf als gescheitert angesehen werden, ja der Autor vermutet sicherlich zu Recht, dass es kein literarisches Vorbild gegeben hat. Die Monatsfliesen dienten wohl der Selbstvergewisserung der Familie in ihrem Bildungsanspruch, in einer Zeit, in der sich die Aufklärung bereits ankündigte.

Der im Zweiten Weltkrieg zerstörte, doch durch Fotografien dokumentierte "Goldene Saal" des Nürnberger Rathauses wird von Sabine Mödersheims auf sein ikonografisches Programm hin untersucht - ein Programm, das, der Funktion des Saals Rechnung tragend, die Freie Reichsstadt verherrlichte und den hohen Bildungsanspruch und das Selbstbewusstsein ihrer Bürger spiegelte. Aufs Engste spielten dabei emblematische Motivik und architektonischer Kontext zusammen.

Mara R. Wade konzentriert sich in ihrer Untersuchung auf ein einzelnes Emblem: Das so genannte Nürnberger Friedensemblem (1649/50) - das Motiv eines Regenbogens über der Stadtsilhouette Nürnbergs zeigend - wurde als verbindendes Element in der Geschichte der Stadt verstanden, einerseits auf die glorreiche Vergangenheit und die gegenwärtige Vermittlerfunktion im Frieden nach dem 30-jährigen Krieg anspielend, andererseits auf die künftige politische Rolle der Stadt im Reich hinweisend. Mit Ausblick auf die Nürnberger Friedensfeierlichkeiten kündigt sich Verbindendes mit dem nachfolgenden Beitrag an, in dem die Bedeutung von Emblemen als Teil der barocken Festkultur bestätigt wird.

In ihrem Aufsatz "Das emblematische Programm eines 1694 am Wolfenbütteler Hof gehaltenen Festessens" stellt Sara C. Smart 60 an Bäumen aufgehängte und von F. C. Bressand beschriebene Embleme vor, die mit ihren ausführlichen Subscriptiones (Bilder sind nicht überliefert) Herzog Anton Ulrich als Sonnengott bzw. die Herzogin als Mond verherrlichen. Die offenkundige Analogie zu Menestriers Emblemen auf Ludwig XIV. verdeutlicht, wie notwendig es ist, weiterhin eine Untersuchung über die Wandlung der Sonnenemblematik im 17. Jahrhundert einzufordern.

Johann Anselm Steiger geht in seinem Beitrag "Luthers Bild-Theologie als theologisches und hermeneutisches Fundament der Emblematik der lutherischen Orthodoxie" der hochinteressanten Frage nach, inwieweit die Rede vom Ebenbild Gottes in ihrer anthropologischen und christologischen Relevanz bei Luther zu einer Theologie, Homiletik und Pädagogik der Bildsprachlichkeit führt, oder kurz formuliert, was Luthers imago-Theologie mit der Stellung zu den Bildern zu tun hat (120). Mit dem Sündenfall sei - so Luther - der Mensch zum Ebenbild des Teufels geworden. Der Heilsplan verfolge das Ziel, die imago Dei durch Christus wiederherzustellen, den Menschen die Ebenbildlichkeit mit dem Gottessohn zurückzugeben, der seinerseits wiederum Abbild Gottes sei. Bild und Sprache existieren nicht ohne das andere, ja, in der lutherisch-orthodoxen Emblematik wird dem Betrachter bewusst, dass er "im Glauben selbst ein Bild ist, imago Dei" (133).

Ingrid Höpel wendet sich wieder dem materiellen Befund zu und weist auf Embleme auf Möbeln des 18. Jahrhunderts im Umkreis von Husum hin, die als "gesunkenes Kulturgut" ein besonderes Phänomen darstellen: Nach jetzigem Forschungsstand sind sie von singulärer Erscheinung, da sie weder aus einem sakralen noch aus adeligem Umfeld stammen. Die Embleme rekurrieren auf verschiedene Vorlagen, doch in ihrer Zusammenstellung offenbaren sie einen durchaus eigenständigen Umgang. Während drei der Schränke aus dörflicher Umgebung Religiös-Erbauliches bieten, ist der Vierte aus städtischem Umfeld der Liebesemblematik verpflichtet. Höpel sucht - meines Erachtens überzeugend - den Nachweis eines Einflusses von Seiten der Gottorfer Herzogin Maria Elisabeth zu führen, die 1659 ihren Witwensitz in Husum nahm und vermutlich selbst als Autorin eines emblematischen Hochzeitsballetts angesprochen werden darf. Ihr kam eine gewichtige Rolle bei der Vermittlung emblematischer Motive und Inhalte zu. Höpel verbindet ihren Beitrag zugleich mit dem Anliegen, zur weiteren Erforschung des erhalten gebliebenen Möbelbestandes aufzurufen.

Karl Josef Höltgen stellt englische emblematische Titelblätter der Renaissance in ihrem kulturellen Kontext vor. Ihrer spezifischen Funktion gerecht werdend, konnten sie in besonderer Weise wichtige und kontroverse Ideen durch die Kombination mit der Schrift in großer Komplexität visualisieren, oder wie es der Autor treffend formuliert: "Emblematische Methoden ermöglichen Akkumulation und Kompression von Bedeutung auf beschränktem Raum." (263). Die Beispiele aus dem 17. Jahrhunderts zeigen eindrucksvoll, wie mit ihnen politische und religiöse Propaganda betrieben werden konnte.

Der Band führt das weite Spektrum der buchinternen und -externen Emblematik vor Augen; leider lassen sich die Embleme nicht über das Register erschließen, das sich ausschließlich auf Namen konzentriert. Zudem sind die zumeist ganzseitigen Abbildungen nicht immer in ansprechender Qualität reproduziert worden, sodass manche Aussage ungeprüft bleiben muss. Eine größere Sorgfalt wäre diesbezüglich wünschenswert gewesen. Trotz dieser Schwächen ist dem Buch ein großer Leserkreis zu wünschen.

Ulrike Wolff-Thomsen