Jeremy Black: The Hanoverians. The History of a Dynasty, London: Hambledon & London 2004, xiv + 266 S., ISBN 978-1-85285-446-1, GBP 19,95
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Der britische Historiker Jeremy Black (University of Exeter) widmet sich in seiner Studie "The Hanoverians" der Dynastie aus Deutschland, die von 1714 bis 1837 die britischen Monarchen stellte. In fünf biografischen und vier thematischen Kapiteln beschreibt Black die Hannoveraner von Georg I. bis Wilhelm IV. Ziel seiner Studie ist es, so Black, die Rolle der Monarchie für eine Dynastie zu bewerten, die bisher nicht nur eine äußerst geringe Wertschätzung erfuhr, sondern auch als weniger einflussreich für die politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen in Großbritannien verstanden wurde: "[...] the Hanoverian age appears less heroic and less important" (213). Gegen eine solche Auffassung wendet sich Black und betont das Potenzial der hannoveranischen Herrschaft für ein historisches "Drama" (213).
In neun sehr kompakten Kapiteln von je 20 bis 30 Seiten stellt Black wesentliche Entwicklungen dar, die die politische Einflussnahme und gesellschaftliche Funktion der Monarchen und der Monarchie als Institution veränderten. Hauptthese der Arbeit ist es, dass die Dynastie der Welfen es verstand, auf die veränderten politischen und gesellschaftlichen Umstände in Großbritannien angemessen zu reagieren, und so die britische Monarchie, nicht zuletzt aufgrund der Bereitschaft, persönliche Ziele zurückzustellen, durch Schwierigkeiten hindurch stabilisierte und ihr zu neuer Kontinuität verhalf. "Adaptation to change is far from easy. The Hanoverians managed it, both individually and as a group" (231).
Black sieht die Welfen-Dynastie nicht als historische Einheit. Stattdessen teilt er die Monarchen verschiedenen Epochen zu, die beiden ersten George dem barocken Königtum, die nachfolgenden Generationen dem klassischen bzw. neo-klassischen Verständnis monarchischer Gewalt: "George II at Dettingen was a world away from George III visiting farms" (112). Die Herrschaft Georgs III. versteht Black als eine Übergangszeit, bevor mit Georg IV. und Wilhelm IV. die politische Einflussnahme des Staatsoberhauptes einen völlig neuen Charakter annahm. Zwar besaß der Monarch weiterhin das zentrale Mittel zur Ausübung von politischer Macht, nämlich die Prärogative der Ernennung und Entlassung von Ministern, doch hatten sich die politischen Strukturen der parlamentarischen Monarchie, nicht zuletzt aufgrund der gewachsenen Rolle der politischen Öffentlichkeit, so weit verändert, dass Konfrontationen zwischen Monarch und Ministern fast ausschließlich zu Gunsten der Letzteren ausfielen.
In allen Kapiteln liegt der Schwerpunkt der Studie auf der Auseinandersetzung des Monarchen mit den politischen Führungsschichten in Großbritannien um interne und außenpolitische Kompetenzen und Verantwortlichkeiten. Dennoch spricht Black auch eine ganze Reihe von sozialen und kulturellen Veränderungen an, die er meist anhand seiner hervorragenden Kenntnis der britischen Presselandschaft belegt, allerdings nur kurz erwähnt und in wenigen Abschnitten abhandelt. Der Band verfügt über eine Auswahlbibliografie, die deutsche und englische Titel aufführt, sowie über einen Index.
Nun wäre es durchaus möglich, an dieser Stelle die Rezension zu beenden. Dem interessierten Laien sei diese gut lesbare Studie empfohlen, gerade auch weil Black als Kenner der europäischen Archive mit einigen Zitaten aus bisher unveröffentlichtem Material überrascht. Besonders häufig zieht er in der vorliegenden Veröffentlichung die Papiere des Premierministers Addington heran, die er nicht nur für dessen Zeit als Premier von 1801 bis 1804, sondern weit darüber hinaus bis zur Regierungszeit Georgs IV. zitiert. Der Spezialist kann das Buch scheinbar getrost zur Seite legen, denn obwohl Black den Forschungsstand solide zusammenfasst, sagt er nichts grundsätzlich Neues. Auch wie sich Black dem Thema nähert, ist als solches nicht überraschend. In ganz traditioneller Zugangsweise schreibt er die Geschichte großer Männer: "I want to evaluate the monarchy in this period. To do so entails focusing on the monarchs, and, for that, I offer no apology" (IX).
In einem wichtigen Punkt geht "The Hanoverians" jedoch über eine gut lesbare Einführung hinaus. Black hat in seinen zahlreichen Studien zum achtzehnten Jahrhundert seine Thesen zur Monarchie bereits deutlich formuliert. Dass er nun diesen Band vorlegt, scheint seinen Grund darin zu haben, dass der Autor seine Position gegenüber einigen Tendenzen der neuesten Forschung noch einmal deutlich machen möchte. Wer "The Hanoverians" aufmerksam liest, dem kann nicht entgehen, dass das Buch voller indirekter Kritik zu Arbeiten wie denen von Brendan Simms, Hannah Smith, Andrew Thompson und Torsten Riotte ist. [1] Zu einigen Konzessionen gegenüber den Ergebnissen der neuesten Forschung durchaus bereit, überwiegt bei Black die Kritik an deren Neubewertungen, die er übertrieben, zu weitgehend oder nicht überzeugend findet.
Blacks Band ist nicht als Ergebnis langjähriger Forschungen interessant, sondern als Kommentar eines den klassischen Interpretationen der britischen Geschichtswissenschaft verschriebenen "Tory"-Historikers zur Neubewertung der Hannoveraner. So verweist er etwa darauf, dass die Bedeutung des Kurfürstentums Hannover für die Politik Georgs III. zwar in der älteren Forschung zu einseitig gesehen worden ist, dass aber eine völlige Neubewertung nicht angebracht sei. "In recent decades, however, there has been a marked revival of interest in the role of Hanover during the reign. The fruitful nature and high quality of this work, and its understandable focus on signs of Hanover's importance, have led to a tendency to exaggerate the latter" (202).
Blacks Intention, seine Arbeit auch als Stellungnahme zu verstehen, wird ebenfalls in der Gewichtung der Kapitel sichtbar. Georg III. wird mit fast 40 Seiten genauso viel Platz eingeräumt wie den beiden nachfolgenden Monarchen zusammen. Dies liegt sicherlich nicht nur an der langen Regierungszeit des dritten Hannoveraners. Georg III. ist derzeit der meist diskutierte hannoveranische Herrscher, und Black selbst steht kurz vor der Vollendung einer neuen biografischen Studie.
Das Ungleichgewicht zwischen den Einzelkapiteln ist einer der schwächeren Punkte der Publikation. Die Kapitel über Georg IV. und Wilhelm IV. sind dünn, und obgleich Black auch hier mit unveröffentlichten Materialien aus britischen Archiven aufwartet, ist doch deutlich zu spüren, dass er sich wesentlich sicherer in der Zeit vor 1800 bewegt. Das Kapitel über Georg III. hört prinzipiell mit dem Ausbruch der französischen Revolutionskriege auf, und nur in den letzten Absätzen finden sich kurze Verweise auf die Zeit nach der Jahrhundertwende.
Dass Jeremy Black "The Hanoverians" geschrieben hat, ist sehr zu loben und Ausdruck eines neuen Interesses an den Hannoveranern. Besonders die Regierungszeiten Georgs II. und III. erleben derzeit eine Renaissance als Forschungsthema junger Akademiker in Großbritannien. Wie Black "The Hanoverians" schreibt, ist jedoch gleichzeitig eine Mahnung an diese jüngere Forschergeneration, dass Neubewertungen sich zwar stets großen Interesses erfreuen, aber durchaus auch sehr kritischer Begutachtung unterziehen müssen.
Anmerkung:
[1] Demnächst Andrew Thompson: The protestant interest and foreign policy in Britain and Hanover, 1719-1736, unpubl. PhD thesis, Cambridge 2002, und Hannah Smith: Georgian Monarchical Culture in England, 1714-60, unpubl. PhD thesis, Cambridge 2001; Brendan Simms / Torsten Riotte (Hg.): The Hanoverian dimension in British foreign policy and Domestic politics, Cambridge 2006. Bereits erschienen: Brendan Simms: 'An odd question enough': Charles James Fox, the Crown and British policy during the Hanoverian crisis of 1806', in: HJ 38 (1995), 567-596; Torsten Riotte: Hannover in der britischen Politik, 1792-1815, Münster 2005.
Torsten Riotte