Boudewijn Bakker: Landschap en Wereldbeeld. Van Van Eyck tot Rembrandt, Bussum: Uitgeverij Thoth 2004, 487 S., ISBN 978-90-6868-353-0, EUR 34,90
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Den an der Geschichte der Landschaftsmalerei Interessierten ist der Verfasser kein Unbekannter. Immer wieder ist Boudewijn Bakker in den letzten Jahren mit Publikationen zur niederländischen Landschaftskunst hervorgetreten. Mit seiner Untersuchung "Landschaft und Weltbild" hat er nun ein magnum opus vorgelegt, das als Summe seiner bisherigen Forschungen zu betrachten ist. Auf insgesamt 390 Seiten entwirft er eine Deutungsgeschichte der niederländischen Landschaftskunst von der Zeit Jan van Eycks bis zu Rembrandt. 1077 Fußnoten, ein 27 Druckseiten füllendes Literaturverzeichnis und ein ausführliches Namens- und Sachregister erschließen den beeindruckend materialreichen Band.
Der Titel "Landschap en wereldbeeld" steht programmatisch für Bakkers Bemühen, durch die Rekonstruktion der den Kunstwerken zu Grunde liegenden "Weltanschauung" die ikonografische Tradition der Landschaftsdarstellung aufzuzeigen (19). Ausgangspunkt seiner Überlegungen ist dabei die von der älteren kunsthistorischen Literatur vertretene Annahme, dass die Landschaftsmalerei sich aus dem religiösen Historienbild entwickelt habe. Es ist die schon von Goethe referierte Idee einer Genese, die im späten Mittelalter begann, als die Naturdarstellung zunehmend die Goldgründe der religiösen Tafelmalerei verdrängte. Allmählich habe sich dann in einem langwierigen Prozess dieses Beiwerk zunehmend stärker entwickelt, während im Gegenzug die Figuren immer mehr schrumpften und in den Hintergrund gedrängt wurden, bis am Ende die religiöse Staffage nur noch ein bloßer Vorwand war, und die autonome Landschaft als Bildgattung hervortreten konnte. An diesem generellen Modell der Gattungsentwicklung hält Bakker fest, der seine Ausführungen mit den religiösen Tafelbildern Jan van Eycks beginnt. Eine weitere unausgesprochene Prämisse seiner Überlegungen ist die Beschränkung auf Tafelbild, Buchillustration und Graphik, die zu einer Ausgrenzung all jener Bildzeugnisse führt, die erweisen könnten, dass die Landschaftsdarstellung durchaus nicht allein vermittels des Zurückdrängens der figuralen Staffage des Historienbildes zur autonomen Bildgattung reifte. So bleiben zum Beispiel bei Bakker jene profanen Landschaftsbilder des späten Mittelalters und der Frühen Neuzeit unberücksichtigt, die vor allem im höfischen Kontext der Statusrepräsentation und dem Herrscherlob dienten. [1]
Bakker hält am traditionellen Modell der Gattungsentwicklung fest, um daran seine zentrale These zu erläutern, dass die Landschaft seit dem späten Mittelalter bis in die Zeit Rembrandts hinein vor allem theologisch spirituell betrachtet und gedeutet worden sei. Jenseits aller ästhetischen Annäherungen an die göttlich durchwaltete Natur läge die stets präsente Deutung der Schöpfung als Beweis der Allmacht Gottes. Dabei geht Bakker erstaunlicherweise davon aus, dass sich in all den Jahrhunderten keine mentalitätsgeschichtlichen Brüche oder Verwerfungen ereignet hätten. Da er nicht über die Grenzen der eigenen Disziplin hinausblickt, geraten Bakker grundsätzliche Unterschiede des Deutungskontextes von Bildern zu marginalen Differenzen. So macht er zum Beispiel in der Deutung keine Unterschiede zwischen mittelalterlichen und barocken Autoren. Der zentrale Gegenstand aller Landschaftsdarstellungen des 15. bis 17. Jahrhunderts war und ist in Bakkers Augen das in der Wiedergabe der sichtbaren Welt zum Ausdruck gebrachte Lob des Schöpfers. Diese erste und zentrale spirituelle Bedeutung jeder Landschaftsdarstellung habe, so betont der Autor, bislang kaum ausreichend Berücksichtigung gefunden. Nicht nur die landschaftlichen Hintergründe in den Gemälden Jan van Eycks, sondern auch die jeder eindeutigen Bilderzählung entbehrenden Landschaften Jan van Goyens und Rembrandts tragen Bakker zufolge moralische und theologische Bedeutungen. Um diese These zu untermauern, führt der Autor eine beeinduckende Zahl unterschiedlichster zeitgenössischer Schriften von Humanisten und Theologen, Predigern und Künstlern an - "een stoet van denkers, dichters en schilders" (386), wie er selbst zusammenfassend schreibt. Bakker hat eine klare These und verficht diese nicht nur, indem er auf Quellenschriften verweist, sondern auch, wenn er ältere Forschungspositionen referiert. Die beinahe dogmatische Beschränkung auf das von ihm als "wesentlich" Erachtete, die Bakker dabei an den Tag legt und die der Lesbarkeit sehr zugute kommt, führt jedoch unweigerlich zu Verkürzungen und Verzerrungen. So leserfreundlich sein Bemühen sein mag, stets "het wezenlijk", "de essentie" oder gar "het wezen" herauszuarbeiten, bedingt es doch leider an vielen Stellen einen methodisch fragwürdigen Zugang und eine allzu krasse Reduktion komplexer historischer Phänomene. Diese Schwäche des Buches hätte seine Stärke sein können, wenn Bakker sich zu einer exemplarischen Darstellung entschlossen hätte. Doch sein schon im Umfang des Buches und seines Fußnotenapparates zum Ausdruck gebrachter Anspruch war es, eine lückenlose Geschichte der niederländischen Landschaftsmalerei von den Zeiten Jan van Eycks bis ins 17. Jahrhundert vorzulegen. Dieser Anspruch führt dazu, dass in der Vielzahl der angeführten Details der angestrebte Überblick verloren geht und zugleich die geforderte Genauigkeit im Einzelnen kaum gewährleistet bleiben kann.
Dennoch: Ihre prägnante Rhetorik und der argumentativ strukturierte Aufbau lassen diese Abhandlung - bei aller grundsätzlichen Kritik - so lesbar wie lesenswert werden. Zudem darf Bakker für sich in Anspruch nehmen, ein in diesem Umfang bislang nicht da gewesenes Quellenkompendium zur Deutungsgeschichte der niederländischen Landschaftskunst vorgelegt zu haben. Insgesamt fällt es zwar schwer, dieses Buch zu loben, doch kann man es fraglos lieben.
Anmerkung:
[1] Vgl. hierzu Nils Büttner: Die Geschichte der Landschaftsmalerei, München 2006, 25-62.
Nils Büttner