Elizabeth Hyde: Cultivated Power. Flowers, Culture, and Politics in the Reign of Louis XIV, Philadelphia, PA: University of Pennsylvania Press 2005, xxiii + 330 S., 8 color, 40 b/w illus., ISBN 978-0-8122-3826-6, GBP 32,50
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Die Passion, die Louis XIV für seine Gärten hegte, ist am besten bezeugt durch die Tatsache, dass er persönlich eine Anleitung zu ihrer Besichtigung redigiert hat: Manière de montrer les Jardins de Versailles. Blumen werden darin mit keinem Wort erwähnt. Sie waren rar im Petit Parc, dem offiziellen Garten, und kamen hier buchstäblich nur am Rande vor, zum Beispiel in den Bordüren des Nordparterres. André Le Nôtre, der die Entwürfe für den Garten lieferte, bevorzugte die Materialien Wasser, Sand und Rasen. Ein großes Blumenparterre, das er angelegt hatte, wurde schließlich unter seiner eigenen Regie beseitigt.
Dennoch kann Elizabeth Hyde zeigen, dass in der Ära Louis XIV die Kultur von Blumen einen hohen Stellenwert hatte. Reiches Material bietet bekanntlich das Nebenschloss Trianon, das sich der König als einen Ort des Rückzugs anlegen ließ. Blumen spielten eine wichtige Rolle als Dekor der höfischen Feste; auch wurden sie für die auf den König gemünzte Panegyrik vereinnahmt. Diese Ausführungen über die bisher kaum beachtete Rolle der Blumen im Grand Siècle sollen - so der Vorsatz der Autorin - die klassischen Studien über die Ikonografie des Königs von Jean-Marie Apostolidès (1981), Jean-Pierre Néraudau (1986) und Peter Burke (1992) erweitern.
Aufbau und Sprache des Buches sind von bemerkenswerter Klarheit. Ihrem breiten kulturgeschichtlichen Ansatz verpflichtet, hat die Autorin Acht gegeben, dass man ihr auch ohne spezielle Kenntnisse auf dem Gebiet der Botanik folgen kann. Die Aufmachung des Buches ist klassisch-gediegen. Es ist vor allem ein Buch zum Lesen; die Illustrationen sind geschickt integriert.
Das einleitende Kapitel bringt zahlreiche Belege dafür, dass noch in der Epoche der Renaissance die Eigenschaften der Blumen mit solchen des weiblichen Körpers in Verbindung gebracht wurden. Dies ist nach Meinung der Autorin der Grund, warum die berufliche Beschäftigung mit Blumen zunächst Frauen vorbehalten war. "Indeed, the connection between women and the procreative elements of nature symbolized by flowers were reflected, too, in women's work in the flower trade to the extent that some male flower enthusiasts were troubled by it" (19). Das zweite Kapitel beleuchtet einen erstaunlichen kulturgeschichtlichen Wandel: nämlich wie sich dieses Metier von der Welt der Frauen in die der Männer verlagerte. Dabei erfuhren der Handel mit und das Züchten von Blumen eine kulturelle Aufwertung: "[...] it is possible to discern the emergence of a male culture of flowers in the seventeenth century, defined not so much in opposition to the female world of flowers, but superior to it" (35). Es entstand ein Zirkel von Kennern: die "curieux floristes". Sie entwickelten eine Rangliste besonders wertvoller Blumen und leisteten so ihren spezifischen Beitrag zu einer Kultur, in der Fragen des Geschmacks eine zunehmend wichtige Rolle spielten.
Im dritten Kapitel erfährt der Leser, welche Blumen am höchsten geschätzt waren: Anemonen, Tulpen, Nelken, Hyazinthen, Aurikeln. Aufschlussreich sind die Kriterien der Schönheit, die man bei der Selektion der Pflanzen geltend machte. Eine Anemone zum Beispiel galt als besonders wertvoll, wenn ihre Blüte gesprenkelt und ihr Stängel hoch war, ohne sich unter der Last der Blüte zu biegen. Bei Aurikeln war eine allzu reiche Ornamentierung der Blüten unerwünscht. Die "curieux floristes" unternahmen Versuche, die Farben und den Duft von Blumen zu verändern, und diese Experimente wertet die Autorin als einen Beitrag zu dem typisch barocken Thema der Verbesserung der Natur.
"Cultivating the Man" - so lautet der Titel des vierten Kapitels. Das Züchten und Sammeln von Blumen war im 17. Jahrhundert ein Mittel zur Demonstration von überlegenem Geschmack und damit von gesellschaftlicher Distinktion. Das zeigte sich in den Parterres des französischen Gartens. Ihnen sind einige wenige Seiten des Buches gewidmet, deren Ertrag nicht über den bisherigen Stand der Forschung hinausreicht. Ergiebiger sind die Ausführungen über Blumen-Portraits in Malerei und Grafik, über Blumen als Motive von Devisen und Emblemen sowie ihre Präsenz in Rhetorik und Poetik.
Das fünfte und letzte Kapitel ist das gewichtigste des Buches: "Cultivating the King". Es zeigt, dass in der Ära Louis XIV die Blumen in einer bis dahin unbekannten Weise für eine Symbolik der Macht eingesetzt wurden. Da der offizielle Garten von Versailles für dieses Thema wenig ergiebig ist, beschränkt sich Elizabeth Hyde auf einige kurze Bemerkungen über die dort vorhandenen Parterres, wobei sie nicht immer klar zwischen heutigen und ursprünglichen Zuständen unterscheidet. In den Gärten der Nebenschlösser Trianon und Marly dagegen gab es Blumen in einem Überfluss, der in Europa einzigartig war und ein neues goldenes Zeitalter unter Louis XIV suggerierte. Die Blumen wurden in Töpfen kultiviert und massenweise in den Gärten ausgesetzt. In einem von André Le Nôtre verfassten Bericht ist von einer Million Töpfen die Rede. Dieses Verfahren ermöglichte einen kontinuierlichen Austausch der Blumen und, wichtiger noch, ihre Pflanzung auch außerhalb der Saison.
Ausgiebig zitiert Elizabeth Hyde die Quellen, zum Beispiel erhaltene Pflanzpläne und vor allem die Comptes des Bâtiments du Roi, die von Jules Guiffrey edierten königlichen Rechnungsbücher, die uns Informationen über die Mengen der gelieferten Blumen und die bevorzugten Arten vermitteln. So lässt sich ziemlich genau rekonstruieren, dass im Garten von Trianon nur die seltensten Blumen zugelassen waren.
Mit besonderem Gewinn liest man die Ausführungen über die Rolle der Blumen in den königlichen Divertissements. Ihr pompöses Aufgebot im Rahmen dieser Feste erhellt einen bedeutenden Aspekt der Kultur des Barockzeitalters: die hohen Investitionen in Dekorationen von nur kurzer Dauer. "As the symbols of ephemerality, flowers used in such great numbers to ornament the entertainments were the ultimate example of royal consumption" (176).
Am Schluss des Buches wird ein Werk der panegyrischen Literatur besonders herausgestellt: die Histoire de Louis le Grand von Jean Donneau de Visé, die dieser 1688 dem König präsentierte. Das Manuskript enthält virtuos gemalte Portraits von Blumen, Sträuchern und Kräutern mit begleitenden Texten, in denen diese Gewächse Louis XIV anreden und dabei ihre besonderen Eigenschaften oder Daten ihrer Geschichte zu solchen des Königs in Beziehung setzen. Die Anemone: "Der Himmel schenkte dich Frankreich zu der Zeit, als ich aus Indien importiert wurde" (189, Übers. MB).
Bei Donneau de Visé übernehmen also Pflanzen die Aufgabe, die "histoire du roi" zu schreiben. Überhaupt wurden in den späten Regierungsjahren von Louis XIV Blumen ausgiebig für dessen Verherrlichung in Anspruch genommen. Elizabeth Hyde erklärt dieses Phänomen mit dem Hinweis auf die bekannte Tatsache, dass seit den späten 1670er-Jahren am französischen Hof die mythologischen Gleichnisse aus der Mode kamen und durch solche ersetzt wurden, die sich auf die reale Geschichte des Grand Siècle bezogen. Der hohe Stand der Kultur von Blumen gehörte zu den Errungenschaften dieser Ära und bot willkommenen Stoff für die Revision der Ikonografie des Königs.
Michael Brix