Thomas R. Kraus (Bearb.): Regesten der Reichsstadt Aachen (einschließlich des Aachener Reiches und der Reichsabtei Burtscheid). Fünfter Band 1381-1395 (= Publikationen der Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde; Bd. XLVII), Düsseldorf: Droste 2005, XXXIX + 527 S., ISBN 978-3-7700-7625-3, EUR 50,00
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Die Regesten der Reichsstadt Aachen sind nunmehr um den fünften Band, der die Jahre 1381-1395 umfasst, angewachsen. Damit ist die Zeit von 1251 (erster Band der Regesten [1]) bis 1395 erfasst. Die ersten beiden Bände lieferte Wilhelm Mummenhoff (1937, 1961), Thomas Kraus bearbeitete die folgenden Bände der Aachener Regesten [2], einschließlich des vorliegenden fünften Bandes. Grundsätzlich zeigt sich, dass bei Kraus die Zeitabschnitte wesentlich verkürzt sind, bei gestiegener Anzahl der Stücke; so wird im fünften Band die Zeit von 1381-1395 mit insgesamt 787 Nummern bearbeitet. Zum Vergleich dazu: in Mummenhoffs zweitem Band werden mit 889 Nummern sogar 50 Jahre (1301-1350) erfasst. Außerdem sind die letzten drei Bände in bemerkenswert kurzer Zeit entstanden. Kraus gab seinen ersten Regestenband (den dritten im Gesamtprojekt) 1999 heraus und den fünften Band im Jahr 2005!
Das Kriterium der ausgewählten Quellen für die Regestenbände ist die Nennung der Reichsstadt Aachen: "Urkunden, Schreiben, Eintragungen aus Amtsbüchern und Registern" (VII), die sich heute in europäischen Archiven befinden, so dass sich nunmehr Provenienzen von Stralsund bis Rom ergeben. Rechnungen wurden allerdings nicht aufgenommen. Die Stücke sind in chronologischer Abfolge in Vollregesten abgedruckt, wobei der Bearbeiter besonders wichtige Stellen, Namen und Begriffe im originalen Wortlaut kursiv hinzufügt. Am Ende des regestierten Schriftsstücks werden die Nachweise zu den Ausfertigungen, zu Besiegelung, Druck und Erwähnung des Stücks sowie gegebenenfalls Hinweise zur Datierung gegeben. Es folgt noch ein Text- und Sachanmerkungsapparat zu dem jeweiligen Stück.
Eine Vielzahl von regestierten Stücken betrifft das Verhältnis der Reichsstadt Aachen zum König, seien es die Bestätigungen von Privilegien, seien es Übertragungen von Rechten und Besitzungen, oder auch die königliche Gerichtsbarkeit sowie Verhandlungen mit Vertretern des Herrschers etwa in Fragen des Landfriedens. Es handelt sich ferner auch um die Vergabe von Ämterlehen oder die Verpfändung von Ämtern wie das Vogteiamt, das seit dem 14. Jahrhundert an den Herzog von Jülich permanent vergeben war. Der Herzog von Jülich nimmt auch wegen dieser engen Amtsbindung in Aachen einen weiten Raum in den Regesten ein. Hier werden nicht nur die innerstädtischen Angelegenheiten behandelt, die der Herzog durch seine Amtsleute wahrnimmt, sondern auch dessen Rechte im Aachener Reich und in den unmittelbar anschließenden Regionen, wie etwa in Zülpich, Aldenhofen, Euskirchen.
Ein weiterer wichtiger Themenbereich, zu dem sowohl der König und der Herzog von Jülich als auch eine Vielzahl benachbarter Territorialherren und Städte gehören, sind die Landfriedensbünde und Fehden ("veidschaf", Nr. 38), die von den Bündnisgenossen (Geschworenen) aufgrund der Beistandsverpflichtung oft gemeinsam geführt und beendet wurden. Im Zusammenhang mit diesen Fehden stehen auch zahlreiche Stücke, die sich mit dem Geleit auf den Straßen befassen. Insgesamt 20 Stücke - Geleitbriefe, Angaben der Geleitstrecken, Berechtigte des Geleits - weist der Regestenband auf.
Die Außenbeziehungen Aachens umfassten über die Verbindung zu Bündnisgenossen der Landfrieden hinaus weitere politische und auch wirtschaftliche Verbindungen zu vielen großen Städten im Reich. Allen voran zu Köln, wie anhand der großen Zahl der Lemmata im Register erkennbar ist. Sowohl der Rat als auch eine Vielzahl von Kölner Bürgern treten in Erscheinung. Wichtige Gegenstände sind Besitzungen, Erbschaften und Stiftungen. So gut wie jede große Kölner Stifts- oder Pfarrkirche ist im Zusammenhang mit Aachen erwähnt, dabei geht es um Stiftungen (Nr. 351), Pfründen (Nr. 348) und Besitzübertragungen (Nr. 460).
Beziehungen gab es zu Städten im Reich wie Maastricht und Lüttich bis hin zu den Reichsstädten Nürnberg und Augsburg, umliegende Orte und Territorien Aachens werden in dem Regestenwerk genauso erwähnt wie bischöfliche Städte, darunter Mainz oder Trier.
Ein Großteil der Regesten betrifft die Binnenstruktur der Reichsstadt Aachen. An erster Stelle steht die Stadtregierung mit Rat, Bürgermeistern und Gerichtsschöffen. Aufschlüsse ergeben sich auch hinsichtlich der gewerblichen Ämter wie Marktmeister, Werkmeister des Wollenambachtes oder auch bei Angelegenheiten der Zünfte (Ambachten). Ein Beispiel bietet die Entstehung der Zunftrolle des Wollenambachtes, verfasst am 9. März 1387. Anlass für die Anfertigung der Rolle waren in Umlauf befindliche "mangelhafte Tuche" (Nr. 217). Dementsprechend setzte die Rolle Qualitätsstandards, in welcher Weise die Aachener Tuche gewebt und gekämmt werden sollten. Kraus hat die Rolle in ausführlicher Weise regestiert und wieder die wesentliche Ausdrücke, vor allem die Fachausdrücke des Tuchgewerbes im Orginalwortlaut wiedergegeben.
Ferner finden sich Stücke, die die Festsetzung der Brotpreise (Nrrn. 207, 227), die Pacht der Weinakzise (Nr. 565), das sog. Mühlenrecht, das Regelungen zur Instandhaltung der durch Aachen fließenden gewerblich genutzten Bachläufe trifft (Nr. 575) sowie instruktive Stücke zu einem Bergwerkskonsortium, zu dem Aachener Bürger gehörten (Nr. 641) oder auch ein Genossenschaftsvertrag eines solchen Konsortiums (Nr. 707).
Innerhalb der Aachener Einwohnerschaft wird auch die Gruppe der Lombarden behandelt. Der Schutz der Lombarden steht mit insgesamt sechs regestierten Stücken im Vordergrund, sei es der Schutz, verbürgt durch die Stadt Aachen selbst (Nrrn. 144, 163), seien es ausführliche Schutz- und Geleitversprechen gegeben durch den Herzog von Jülich (Nr. 692).
Neben den städtischen Ämtern, der Verwaltung und den Angelegenheiten der Ambachten ist ein weiterer wichtiger Themenbereich das Gerichtswesen. So werden die verschiedenen städtischen Gerichte in Aachen und ein Teil ihrer Zuständigkeiten benannt. Das Schöffengericht behandelte Fälle, die Erbe, Eigen und Besitz betrafen. Außerdem war der Schöffenstuhl als Oberhof auch überregional zuständig. Das Ratsgericht hingegen war grundsätzlich mit dem Friedens- und Ordnungsrecht auf der Grundlage des städtischen Willkürrechts (koere, Satzungsrecht) befasst. Die vom Ratsgericht behandelten Fälle umfassen leichtere Fälle, wie etwa Verurteilung zur Entziehungshaft nach einem wiederholten Trunkenheitsfall (Nr. 489), über Verbannung nach Schmähung einer Frau (Nr. 211), bis hin zu schweren Fällen der Brandstiftung (Nr. 419) und schließlich der Auswirkungen nach einem spektakulären Totschlagfall an dem Drosten des Herzogtum Limburg und im Land Herzogenrath Johann von Gronsveld. Der Totschlag ereignete sich in der Nacht zum 25. August 1386 (dazu Nr. 206). Im Zuge des Totschlags folgten Brandschatzungen und Diebstahl (Nr. 316) sowie Todfehde ("doidveede", Nr. 316), deren Folgen im Ratsgericht verhandelt wurden.
Einen wichtigen Themenbereich stellen die Kirchen in Aachen dar. Allen voran steht das Aachener Marienstift mit den mit Abstand meisten regestierten Stücke, gefolgt vom Adalbertstift, dem Dominikanerkloster, dem Weißfrauenkloster und schließlich allen anderen Pfarreien und Klöstern, Bruderschaften und Spitälern. Für das Marienstift werden die baulichen Angelegenheiten und die Ausstattung behandelt, wie etwa die Kirchenfabrik, die Kapellen und Altäre. Einen anderen Bereich betrifft das Personal, hier besonders den Propst und die Propstei, gefolgt von Dekan und Kapitel. Auch die Aachener Heiligtumsfahrt ist vertreten, wobei 10 Stücke die Wallfahrt direkt betreffen. In weiteren 26 Stücken wird Aachen als Ziel der Wallfahrt genannt, oft als Ziel einer Sühnefahrt nach einem Verbrechen (Nrrn. 113, 187).
Der Titel des Regestenbandes weist darauf hin, dass auch ein Aachen benachbarter Ort aufgenommen worden ist. Es handelt sich dabei um die Reichsabtei Burtscheid, zum einen vertreten durch das Zisterzienserinnenkloster St. Johann Baptist, zum anderen durch die Pfarrei St. Michael und schließlich durch den Ort mit seinem Schöffenstuhl selbst.
Den Band beschließt ein tiefgestaffeltes, sehr genaues Register, das noch ergänzt ist durch ein differenziertes Sachregister. Dadurch sind die Handhabung und das sichere Auffinden der gesuchten Stücke gewährleistet. Der fünfte Band der Aachener Regesten erweist sich wie seine Vorgängerbände als eine reiche Fundgrube zur Geschichte der Stadt und der Kirchen Aachens. Darüber hinaus ergibt sich ein Bild Aachens im Geflecht der Beziehungen insbesondere zu den Städten und Orten an Rhein und Maas.
Anmerkungen:
[1] Wilhelm Mummenhoff (Bearb.): Regesten der Reichsstadt Aachen (einschließlich des Aachener Reiches und der Reichsabtei Burtscheid), Erster Band: 1251-1300 (Publikationen der Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde, XLVII), Bonn 1961; Wilhelm Mummenhoff (Bearb.)/ Albert Huyskens (Hg.): Regesten der Reichsstadt Aachen (einschließlich des Aachener Reiches und der Reichsabtei Burtscheid), Zweiter Band: 1301-1350, (Publikationen der Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde, XLVII), Bonn 1937 (Nachdruck, Köln 1997); Thomas Kraus (Bearb.): Regesten der Reichsstadt Aachen (einschließlich des Aachener Reiches und der Reichsabtei Burtscheid), Dritter Band: 1351-1365, (Publikationen der Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde, XLVII), Düsseldorf 1999; Thomas Kraus (Bearb.): Regesten der Reichsstadt Aachen (einschließlich des Aachener Reiches und der Reichsabtei Burtscheid), Vierter Band: 1366-1380, (Publikationen der Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde, XLVII), Düsseldorf 2002.
[2] Vgl. die Besprechung der ersten vier Bände: Mechthild Isenmann: Aachen im Spiegel der Regestenwerke, in: Geschichte in Köln 51 (2004) 173-186.
[3] Die Vertragstexte werden in Vollregesten in Bd. 3 Nrrn. 4 und 519 sowie Bd. 4, Nr. 504 wiedergegeben.
Mechthild Isenmann