Rezension über:

Helga Czerny: Der Tod der bayerischen Herzöge im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit (1347-1579). Vorbereitungen - Sterben - Trauerfeierlichkeiten - Grablegen - Memoria (= Schriftenreihe zur bayerischen Landesgeschichte; Bd. 146), München: C.H.Beck 2005, CXXIV + 847 S., ISBN 978-3-406-10742-9, EUR 48,00
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Rezension von:
Jean-Marie Moeglin
UFR de Lettres et Sciences humaines, Université Paris 12 Val-de-Marne
Redaktionelle Betreuung:
Jürgen Dendorfer
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Empfohlene Zitierweise:
Jean-Marie Moeglin: Rezension von: Helga Czerny: Der Tod der bayerischen Herzöge im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit (1347-1579). Vorbereitungen - Sterben - Trauerfeierlichkeiten - Grablegen - Memoria, München: C.H.Beck 2005, in: sehepunkte 7 (2007), Nr. 6 [15.06.2007], URL: https://www.sehepunkte.de
/2007/06/9110.html


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Helga Czerny: Der Tod der bayerischen Herzöge im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit (1347-1579)

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Diese voluminöse Münchener Dissertation hat sich als Ziel gesetzt alles, was die Quellen zum Tod der bayerischen Herzöge von Ludwig dem Bayern bis Albrecht V. erzählen, zu sammeln und zu ordnen. Wegen mangelnden Materials für die Herzöge des 14. bzw. 15. Jahrhunderts liegt der Schwerpunkt der Studie eindeutig auf der zweiten Hälfte der behandelten Periode. Dafür wird ein Ausblick auf die Periode, die bis zum Tode Maximilians I. (1651) geht, gegeben; es werden außerdem nicht nur der Tod der bayerischen Herzöge, sondern auch die Geschichte ihrer Grablegen untersucht. Die dem Tod der bayerischen Herzöge gewidmeten Ausführungen sind auf zwei Abteilungen verteilt: zuerst (26-339) werden die Herzöge in chronologischer Ordnung behandelt, mit dem Ziel einer quellennahen Wiederherstellung der Umstände und Vorgänge ihres jeweiligen Todes. In einer zweiten Abteilung (340-538) wird dann eine thematische Untersuchung geliefert; zehn Aspekte werden betrachtet : 1) die Vorbereitung auf den Tod, 2) das Lebensalter und die Todesursachen, 3) die Gestaltung der Sterbestunde, 4) die Behandlung der Leiche und ihre Aufbahrung, 5) die Begräbnisliturgie im späten Mittelalter, 6) das Begräbnis und die Trauerfeiern, 7) die bildlichen Darstelllungen der Toten und der Leichenfeiern, 8) die Musik bei Beisetzungen und Gedächtnisgottesdiensten, 9) die Trauerkleidung, Leichenkleidung, Klagzeit, 10) das liturgische Totengedächtnis der Wittelsbacher Herzöge. Im letzten Abschnitt des Buchs werden die Grablegen der Herzöge Linie für Linie (544 - 766) untersucht, wobei die die anderen Linien überlebende Linie der Münchener Herzöge naturgemäß den Hauptteil der Ausführungen einnimmt.

Bei aller Anerkennung für die geleistete Arbeit kann der Rezensent eine gewisse Enttäuschung über den historischen Ertrag dieses Buchs nicht verbergen. Für ein Thema, das vor zwei Jahrzehnten eine zentrale Rolle in der Geschichtswissenschaft gespielt hat - die Hauptprotagonisten werden in der Einleitung kurz vorgeführt - , scheint die Autorin ihre Aufgabe viel zu sehr in einer deskriptiven, manchmal recht unkritischen Behandlung des Materials, das sie in den von ihr benutzten Quellen fand, gesehen zu haben. Schon bei der Vorstellung des Themas in der Einleitung ist es etwas befremdend, dass die Autorin sich auf längst bekannte Kommentare über die bayerischen Chronisten und ihr Werk begrenzt. Dass die Autorin dennoch viele Quellen tatsächlich benutzt hat, verdient Anerkennung; der den Rechnungen bzw. finanziellen Quellen zugestandene Raum ist eindeutig zu gering bemessen; sie hätten wahrscheinlich einen differenzierteren und präziseren Zugang erlaubt. Generell gesagt vermischt sich in diesem Buch viel zu sehr allgemein Bekanntes mit wirklich Neuem. Eine erhebliche Straffung dieses Buchs hätte man sich also gewünscht.

Diese Schwächen dürfen trotzdem nicht übersehen lassen, dass das Buch auch Neues und Interessantes zu bieten hat: unter anderem was das Stiftungsverhalten der Herzöge und seine Wandlung vom 15. zum 16. Jahrhundert betrifft; oder die Tatsache, dass die Einbalsamierung bei den bayerischen Herzögen nie praktiziert wurde, dies wahrscheinlich im Zusammenhang mit der Bedeutung, die "der dreißigste" bei ihnen hatte. Dennoch vermisst man eine wirkliche Auseinandersetzung mit den gegenwärtigen Forschungen zu den Ritualen und ihrer gesellschaftlichen und politischen Rolle, die bei einem solchen Thema als selbstverständlich hätte gelten müssen. Der Tod und das Begräbnis des Fürsten ist die letzte Gelegenheit, bei der er sich seinen Untertanen zeigen und seine Macht inszenieren kann, bevor sein Nachfolger ihn ersetzt. Wie die bayerischen Fürsten damit umgehen, war die eigentliche Frage, die es zu stellen galt. Das Buch von Helga Czerny liefert dafür breites und interessantes Material, überlässt es aber weitgehend dem Leser, sich selbst eine Meinung über die Zusammenhänge zu bilden. Die politische Bedeutung des Rituals des Todes und des Begräbnisses für die bayerischen Fürsten und ihre Entwicklungen werden nicht genug thematisiert. Mit der Memoria der Fürsten geht es nicht anders; Michael Menzel hat z. B exemplarisch und überzeugend die politische Bedeutung der Initiativen in diesem Bereich, die auf Ludwig den Bayern zurückzuführen sind, betont; der Aufsatz wird zwar in dem Literaturverzeichnis erwähnt; bedauerlicherweise bleibt es aber bei dieser Erwähnung. [1]

Bei aller Kritik wird man jedoch diesem Buch das Verdienst nicht absprechen wollen, eine umfangreiche, nützliche Materialsammlung zum Thema des Todes der bayerischen Fürsten vom Mittelalter bis zur frühen Neuzeit zu bieten.


Anmerkung:

[1] Michael Menzel: Die Memoria Kaiser Ludwigs des Bayern, in: Auxilia historica: Festschrift für Peter Acht zum 90. Geburtstag, hg. von Walter Koch [u.a.], München 2001, 247-283.

Jean-Marie Moeglin