Rezension über:

Karl Feld: Barbarische Bürger. Die Isaurier und das Römische Reich (= Bd. 8), Berlin: de Gruyter 2005, XII + 411 S., ISBN 978-3-11-018899-8, EUR 78,00
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Rezension von:
Karl Strobel
Institut für Geschichte, Alpen-Adria-Universität, Klagenfurt
Redaktionelle Betreuung:
Matthias Haake
Empfohlene Zitierweise:
Karl Strobel: Rezension von: Karl Feld: Barbarische Bürger. Die Isaurier und das Römische Reich, Berlin: de Gruyter 2005, in: sehepunkte 7 (2007), Nr. 7/8 [15.07.2007], URL: https://www.sehepunkte.de
/2007/07/10075.html


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Karl Feld: Barbarische Bürger

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Die überarbeitete Fassung der 2004 bei A. Demandt fertig gestellten Dissertation untersucht die Beziehungen der Isaurier zum Imperium Romanum, deren "weiträumigen Aufstände" im 4. Jahrhundert, die Machtergreifung der Isaurier in Konstantinopel und das Scheitern der Integration dieser "inneren Barbaren" (eine Formel Demandts). Feld stellt zuerst Siedlungsgebiet, Nachbarvölker, ethnische Identität, Sprache (Luwisch) und Religion (frühe und starke Christianisierung) "der Isaurier" vor (unbefriedigend hinsichtlich der Frühgeschichte, wesentliche Literatur fehlt), wobei er von der spätantiken Provinz Isauria unter Einschluss des später lykaonischen Teils des isaurischen Kernlandes ausgeht. Es folgt eine Skizze der Geschichte und administrativen Organisation Isauriens und Kilikiens. Feld betont, dass seit claudischer Zeit Ruhe herrschte und die Region eine tief greifende Urbanisierung und Integration in die hellenistisch-römische Kultur Kleinasiens erfuhr. Einen Gegensatz von städtischer Romanisierung und einheimischem Widerstand verwirft Feld zu Recht. Er betont Bevölkerungsreichtum, hohe Siedlungsdichte selbst in Bergregionen, wirtschaftliche Stärke und enge Verflechtung von Stadt und Land.

Unbewiesen ist, dass Diokletian die Legionen I-III Isaura und vorübergehend auch die I Pontica in der Provinz Isauria stationiert hätte. Die drei Legiones Isaurae waren ursprünglich comitatensische Truppen. Rekruten aus dem Taurus-Bergland kamen seit dem 1. Jahrhundert n. Chr. in die Legionen.

Im ersten Hauptteil ("große Aufstände", 119-206) weist Feld die Thesen von dauerndem Widerstand, fortwährender Gesetzlosigkeit oder grundsätzlicher Opposition der Isaurier gegen Rom zurück, ebenso die von der HA behaupteten Unruhen vor dem Jahr 260 oder die Annahme eines ständigen Aufruhrs rebellischer Bergbewohner. Gleiches gilt für die Thesen, die Isaurier hätten seit dem 3. Jahrhundert nahezu eine unabhängige Stellung erreicht oder den Versuch unternommen, sich vom Reich loszulösen. Von einem ausweglosen Guerillakrieg oder Jahrhunderte langen fehlgeschlagenen Pazifisierungsversuchen könne nicht die Rede sein. Die isaurischen Städte waren selbst Ziel räuberischer Übergriffe. Feld sieht die Ursachen der Raubzüge isaurischer Banden in akuter Nahrungsmittelknappheit in Krisenphasen und in der Schwäche römischer Staatlichkeit, nicht in einem angeblichen nationalen Widerstandsgefühl oder in einer archaischen Gesellschaftsstruktur. Auf Versorgungsengpässe infolge von staatlichem Missmanagement und Goteneinfällen hätte die isaurische (Land-) bevölkerung im 4. Jahrhundert mit Raubzügen reagiert, wobei es zu Stadt-Land-Konflikten gekommen sei. Es habe sich um Aktionen und zeitweise Kooperationen von Banden ohne einheitliche Führung oder Zielsetzung handelte, deren Bewegungen wesentlich von den Gegenaktionen des römischen Militärs und von Versorgungsmangel bestimmt waren. Auch traten die Briganten nie als geschlossene isaurische Volksgruppen auf.

Abzulehnen sind Felds Annahmen, die Isaurier hätten sich in der sogenannten Krise des 3. Jahrhunderts erhoben und seien dann nicht mehr in das durch die Goteneinfälle zermürbte Reich integriert worden ("Entfremdung vom Reich in der Krise des 3. Jahrhunderts") oder der Einfall der Perser 260, der nur das Küstenland betraf, habe das "labile ökonomische Gleichgewicht" so nachhaltig zerstört, dass dies noch Ursache der Raubzüge um 400 sei; eine ständige Bedrohung durch isaurische Banden im 3. und 4. Jahrhundert gab es nicht. Felds Bestreben, isaurische Unruhen zu finden, ist überzogen; so wird der fiktive Charakter des Usurpators Trebellianus in der HA betont, andererseits aber daraus Unruhen unter Gallienus ableitet. Die Bezeichnung der Isaurier als Barbaren kann für das 3. und frühe 4. Jahrhundert nicht nachgewiesen werden (HA tyr. trig. 26, 6-7 und die Liste aller Barbaren, die unter den Kaisern seit Augustus erschienen, im undatierten Anhang des Laterculus Veronensis sind keine zeitgenössischen Belege). Ein "sozioökonomischer Niedergang" seit 260 ist nicht zu belegen. Lydios Palfuerios war der Führer einer großen Schar von Räubern, besser Deserteuren, der sich der pisidischen Stadt Kremna bemächtigte; dies ist entgegen Feld als bellum desertorum im Zusammenhang des Bürgerkrieges zwischen Florianus und Probus in Kilikien im Jahre 276 zu sehen, was den massiven Militäreinsatz erklärt, nicht als isaurische Unruhen.

Feld betont, dass die großen Raubzüge erst nach der Mitte des 4. Jahrhunderts in einer konsolidierten Situation des Reiches auftraten. Unruhen in Isaurien sind entgegen Feld nur 354, 359 und 368 belegt, nicht jedoch 341 und 375. Isaurische Unruhen waren keine Ursache für die Niederlage von Adrianopel. Auslöser war 354 die Hinrichtung von zumindest teilweise unbeteiligten Männern isaurischer Herkunft als Vergeltung und Abschreckung nach Übergriffen von Banditen. Ein verstärktes Auftreten von Räuberbanden 359 beendeten kleinere Operationen (kein "großer Isaurieraufstand"). 368 plünderten kleine Gruppen von Banditen von Isaurien aus Landgüter und städtische Territorien in Lykaonien, Pamphylien und Kilikien; die Ruhe wurde durch Vermittlung der Bürger von Germanikopolis wiederhergestellt. Für den Ausbruch des massiven Brigantenwesens 396 können nicht "kriegsbedingte Verwüstungen", daraus folgend mangelnde Ernährung, das Gotenproblem, oder die Formel vom "administrativen Versagen" des Staates geltend gemacht werden. Feld geht nicht auf die emotionalen Folgen des Vorgehens lokaler Milizkräfte ein, die nicht selten von Klerikern geführt Räuber - oder jene, die sie dafür hielten - in 'präventiven' Aktionen angriffen und töteten. Bereits die Unruhen des Jahres 354 waren von ungerechtfertigten und wahllosen Vergeltungs- und Abschreckungsmassnahmen ausgelöst. Übergriffe auf Unbeteiligte und auf die dörfliche Bevölkerung bei der Verfolgung von Banden bzw. beim Vorgehen gegen 'Räuber aus Isaurien' können zu emotionalen Reaktionen geführt haben, zumal Theodosius I. 391 die präventive Tötung mutmaßlicher Banditen durch Privatpersonen legalisierte. Der massive Ausbruch der Gewalt 399/400 kann als Reaktion auf das brutale Vorgehen Fravittas 396/7 gesehen werden (Zerstörung von Dörfern; Repressalien). Als die staatliche Repression in der Tribigild-Gainas-Krise zusammenbrach, folgte die Gegenreaktion. Felds Bestreben, eine Sonderrolle des isaurischen Banditenwesens als Desintegration der Isaurier zu "barbarischen Bürgern" herauszuarbeiten, führt wiederholt zur Überbewertung als Aufstand und Rebellion. Felds Grundthese einer Wandlung der Isaurier von Bürgern zu "inneren Barbaren" ist nicht überzeugend; eine "dem Reich feindliche Gesinnung" kann nicht nachgewiesen werden. Angesichts des im 3. bis 5. Jahrhunderts sogar noch steigenden Urbanisierungsgrades sowie der starken christlichen Durchdringung des Landes sind keine Ursachen einer Desintegration erkennbar, die nur für die Outlaws selbst zutrifft. Die 'Isaurier' im Sinne der regionalen Herkunft wurden nur in der Außensicht durch die Briganten zu "Barbaren und Feinden". "Großräumige Aufstände" gab es nie. Das Einmalige war das Ausmaß der Bandentätigkeit und deren zeitweise Kooperation. Die Isaurier sind keineswegs "in nur 20 Jahren von einem dem Reich feindlich gesonnenen Räuber- und Barbarenstamm" zum Kaisertum aufgestiegen (206).

Der zweite Teil der Studie ist dem isaurischen Kaiser Zeno gewidmet (207-331), er bietet mit einer kritischen Analyse der Quellen einen wichtigen Beitrag zur Rekonstruktion der Geschichte der 2. Hälfte des 5. Jahrhunderts. Feld verwirft die Topoi und Verzerrungen der Zeno feindlichen Überlieferung, die das Bild des Kaisers in der Forschung geprägt haben, und zeichnet die Vorgänge in ihrer Verflechtung mit den jeweiligen Situationen, dogmatischen Konflikten und Machtkonstellationen am Hof, in Konstantinopel und im Reich nach. Berechtigt ist das positive Urteil, dass beim Tode Zenos 491 die Stabilität des Reiches trotz latenter Opposition, Usurpationen, schwerer Konflikte in der Gruppe der isaurischen Granden (Ilus-Revolte) und der religiösen Problematik, wo Zenos integrative Religionspolitik scheiterte, wesentlich verbessert war. Das Scheitern einer Verankerung der isaurischen Granden in der Machthierarchie Konstantinopels sieht Feld in einer fehlenden sozialen Integration ("begrenzte Integrationsfähigkeit" der hauptstädtischen Gesellschaft). Die Gegenreaktion führte nach Zenos Tod zur Verdrängung der Isaurier. Feld arbeitet die überzogene Propaganda (traditionelle Barbarentopik) für Anastasius' sogenannten Isaurierkrieg, der den Widerstand der isaurischen Granden zerschlug, heraus. Stärker hervorzuheben ist, dass die Stigmatisierung der Isaurier als Banditen und Barbaren ein entscheidendes Kampfmittel der Gegner der isaurischen Granden in der kirchlichen, senatorischen und höfischen Gesellschaft war. Dies bestimmt das Bild der byzantinischen Quellen. Isaurien selbst erlebte keine Zäsur, und mehr als ein Drittel des Invasionsheeres Iustinians in Italien bestand aus isaurischen Truppen. Feld geht darin fehl, dass diese gleichsam "Gastarbeiter wie die übrigen Barbaren im Heer" gewesen seien (341). Es war vielmehr eine Rekrutierung von Reichangehörigen.

Feld leistet einen wichtigen Beitrag zur Geschichte des 5. Jahrhunderts n. Chr. Begrenzt ist sein Zugang zur Heeresgeschichte. Problematisch ist sein Konstrukt der Isaurier als "barbarische Bürger" im Sinne einer Desintegration und Barbarisierung nach vorausgegangener Integration ins römische Kleinasien. Es waren Banden und Räuber, die aus Unterschichten der Gesellschaft Isauriens heraustraten. Mehrfach werden nicht belegte isaurische Unruhen postuliert. Wiederholt irritiert die Anordnung der Darstellung, die chronologische und auch logische Zusammenhänge durchbricht. Es finden sich die für eine Überarbeitung am Bildschirm charakteristischen Fehler, so unrichtige Verweise. Im Literaturverzeichnis werden verschiedene Kurztitel nicht aufgelöst.

Karl Strobel