U. Vermeulen / J. van Steenbergen (eds.): Egypt and Syria in the Fatimid, Ayyubid and Mamluk Eras IV. Proceedings of the 9th and 10th International Colloquium organized at the Katholieke Universiteit Leuven in May 2000 and May 2001 (= Orientalia Lovaniensia Analecta; 140), Leuven: Peeters 2005, XII + 496 S., ISBN 978-90-429-1524-4, EUR 70,00
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Der vorliegende Tagungsband basiert auf zwei internationalen Kolloquien zur Geschichte Ägyptens und Syriens in fatimidischer, ayyubidischer und mamlukischer Zeit, die im Mai 2000 und 2001 an der Katholischen Universität Löwen stattfanden. Diese Konferenzreihe, die erstmals im Jahre 1992 durchgeführt wurde, entwickelte sich zu einer jährlichen Einrichtung. In der Folge organisierten sie Urbain Vermeulen und Jo van Steenbergen jedes Jahr im Mai. Zuletzt fand das sechzehnte Kolloquium dieser Art an der Universität Gent im Mai 2007 statt. Die Kontinuität unterstreicht die Rolle belgischer Islamwissenschaftler bei der Erforschung des islamischen Mittelalters. Zu ihnen gehört auch Frédéric Bauden von der Universität Lüttich mit seinen innovativen Arbeiten zur mamlukischen Geschichtsschreibung.
Der aktuelle, vierte Konferenzband der Reihe, enthält fünfzehn englisch-, vier französischsprachige und zwei Artikel in deutscher Sprache. Eingeteilt sind die Beiträge nach historischen Epochen. Zu den Fatimiden finden sich fünf Aufsätze (davon alleine drei von Michael Brett), zu den Ayyubiden und Seldschuken sieben und zu den Mamluken neun. Der Band deckt damit einen Berichtszeitraum von mehr als fünf Jahrhunderten ab (969-1517). Ägypten und Syrien werden gleich behandelt. Dies gibt den momentanen Trend der Forschung wieder, sich mit Syrien auch nach der Vertreibung der Kreuzfahrer intensiver zu beschäftigen und nicht immer nur Ägypten und seine Kapitale Kairo zu betrachten.
Inhaltlich liegt keine thematische Vorgabe vor. So entsteht eine starke inhaltliche Streuung der Beiträge, die den Autoren hohe Flexibilität erlaubt. Allerdings stehen die Beiträge zuweilen ohne erkennbare thematische Kohärenz nebeneinander. Thematische Vorgaben würden diese sehr verdienstvolle Kolloquiumsreihe strukturieren, ohne die Freiheit der Autoren zu sehr einzuschränken. Dies würde auch den Wiedererkennungswert der Einzelbände heben. Epochenübergreifende Phänomene, wie etwa die Rolle von Minderheiten, ließen sich auf diese Weise besser beschreiben. Die vorliegende Besprechung orientiert sich an inhaltlichen Gesichtspunkten und geht auf ausgewählte Beiträge innerhalb dieser thematischen Einordnung ein.
So finden sich vier Aufsätze, die das Verhältnis von Christen und Muslimen im islamischen Mittelalter thematisieren. Michael Brett geht der in der Forschung sehr umstrittenen Frage nach, ab wann die Bevölkerungsmehrheit in Ägypten dem Islam angehörte und die koptische Kirche in eine Minderheitenrolle gedrängt wurde. Er sieht diese Entwicklung als Folge stärkerer Christenverfolgungen unter den Mamluken Mitte des 14. Jahrhunderts bei gleichzeitigem Auftreten der Pest, die die demographische Struktur Ägyptens stark durcheinander brachte (1-32).
Einen etwas anderen Blick auf die Christen im Orient wirft Pierre-Vincent Claverie (143-163) in seinem Beitrag "Les 'mauvais chrétiens' dans l'orient des croisades". Hier werden fränkische Christen beschrieben, die laut Einschätzung ihrer Zeitgenossen die wahre christliche Sache im Orient vergessen hätten und teilweise aktiv mit den Muslimen kooperierten. Ein herausragendes Beispiel für einen solchen "schlechten Christen" gab wohl der Stauferkaiser Friedrich II. im Heiligen Land ab, der von Papst Gregor als "Verräter und Pirat" beschimpft wurde (159).
Weitere vier Beiträge widmen sich quellenkritischen Untersuchungen und historischen Autoren. So untersucht Heinz Halm das "Buch der Schätze und Raritäten" (Kitāb aḏ-Ḏaḫā'ir wa-t-Tuḥaf) eines anonymen fatimidischen Autoren, in dem die fatimidischen Schatzkammern und deren gelegentliche Plünderung durch Kreuzzügler, Räuber und feindliche muslimische Truppen beschrieben werden (79-84). Das Werk stellte zudem eine Quelle für spätere mamlukische Autoren wie al-Maqrīzī (gestorben 1442) und Ibn Duqmāq (gestorben 1406) dar. Jo van Steenbergen lenkt das Augenmerk auf ein bisher vernachlässigtes Manuskript eines anonymen mamlukischen Autors, das die Universitätsbibliothek Cambridge aufbewahrt (475-489). Dieses sehr kostbar ausgestattete Manuskript von 89 Seiten mit Namen "Taqwīm al-Buldān al-Miṣrīya" (Landregister Ägyptens) ist eine wichtige Quelle zum mamlukischen 'iqṭā' (Lehens)- System und vermutlich dem Autoren Ibn al-Ǧī'ān (gestorben 1480) zuzuordnen.
Beide Artikel zeigen exemplarisch die Stärke des Buches. Denn hier wird auf neue oder bisher wenig beachtete neue Quellen hingewiesen und somit werden neue Perspektiven in der Forschung aufgezeigt.
Ebenfalls vier Beiträge entfallen auf archäologische Fragestellungen. Stefan Heidemann schaut dabei auf die Geschichte städtischer Siedlungen in Nordmesopotamien im 10. und 11. Jahrhundert, also im Zeitalter beduinischer Vorherrschaft (85-110). Zwei weitere Beiträge beschreiben mittelalterliche Festungen in Syrien.
Der originelle Aufsatz von Dionisius Agius widmet sich einem beschrifteten Straußenei aus mamlukischer Zeit, das in einer Begräbnisstätte in Quseir am Roten Meer, damals ein wichtiger Hafen für afrikanische Mekkapilger, gefunden wurde (355-379). Straußeneier als Dekorationsmaterial einzusetzen, sei eine Praxis, die auf die ägyptische Antike zurückgehe. Der Text, den man aus den Bruchstücken des in Quseir gefundenen Straußeneis rekonstruieren kann, preist die Vorzüge der islamischen Pilgerfahrt für den gläubigen Muslim. Agius unterstreicht die Bedeutung solcher Fundstücke für die Rekonstruktion der mamlukischen Sozialgeschichte.
Dem weiten Bereich der Kultur- und Sozialgeschichte lassen sich vier Beiträge zuordnen. Beispielhaft sei hier Yehoshu'a Frenkels Aufsatz zur Rolle von Frauen in Zirkeln der Damaszener Gelehrsamkeit genannt (409-423). Den bisher kaum wahrgenommenen Einfluss von Frauen bei der Tradierung religiösen Wissens weist er durch die Untersuchung studentischer Hörerzertifikate des mittelalterlichen Damaskus nach. Zur Kulturgeschichte gehört sicherlich auch die Miszelle Urbain Vermeulens zum Ablauf protokollarischer Vorgänge - hier fokussiert auf die Kleidung - am mamlukischen Hof (491-496). Da es kaum Abbildungen aus mamlukischer Zeit gibt, die uns etwas über das tatsächliche Aussehen der Mamluken verraten, wären hier weitere Forschungsarbeiten sinnvoll.
Der Verwaltungsgeschichte des Mamlukenreich widmen sich zwei Aufsätze, zwei weitere behandeln die historische Begegnung mit dem Westen. Pierre-Vincent Claverie beschreibt die Gesandtschaft des Philip Mainebeuf nach Kairo im Jahre 1291 (381-394). Diese letzte Gesandtschaft des Königreichs Jerusalem sollte den Fall der Kreuzfahrerherrschaften verhindern helfen. Letztendlich scheiterte sie und die Mamluken eroberten noch im selben Jahr sämtliche Kreuzfahrerstädte an der Küste.
Nicholas Coureas skizziert in seinem Aufsatz auf der Grundlage westlicher Quellen die Rolle Zyperns beim Handelsboykott gegen das Mamlukenreich von 1250 bis 1350 (395-408). Die Päpste hatten in dieser Zeit, vor allem nach dem Fall von Akkon 1291, zu einem Verbot des Warenverkehrs mit dem Mamlukenreich aufgerufen. Wurde der Boykott anfangs noch relativ streng gehandhabt, so erlaubten die Päpste später gegen Gebühren den Handel "kriegsunwichtiger" Güter. Coureas sieht in dieser Entwicklung den Versuch der Päpste, weiterhin eine Kontrolle über den Ost-Westhandel auszuüben. Dies mag ein Aspekt sein. Vermutlich aber legitimierten die Päpste einfach die Praxis, um Rechtssicherheit herzustellen und Konflikte wegen Schwarzhandels unter Christen zu unterbinden. Aus arabischen Quellen erfahren wir einiges über zypriotische Schmuggler und ihre Handelsniederlassungen an der nahegelegenen syrischen Küste auch zu Zeiten des Boykotts. Zuweilen werden auch innerwestliche Auseinandersetzungen erwähnt. So hätten in einem Fall im Jahr 1317 Genuesen ein Schiff vor der syrischen Küste gekapert. Anschließend seien alle anwesenden Zyprioten wegen des Vorwurfs des anti-päpstlichen Schwarzhandels vor den Augen der muslimischen Mitreisenden hingerichtet worden.
Die Beiträge des vorliegenden Bands besitzen eine beachtliche inhaltliche Breite und intellektuelle Tiefe. Sie liefern wichtige Anknüpfungspunkte für weitere Forschungen. Eine weitgefasste thematische Vorgabe wäre aber sicherlich ein Gewinn. Insgesamt stellen die jährlichen Konferenzen wie auch die Tagungsbände eine der wenigen bewährten Plattformen dar, auf der Spezialisten des mittelalterlichen Ägyptens und Syriens ihre aktuellen Forschungen präsentierten und miteinander in Kontakt treten können.
Albrecht Fuess