Stefan Jordan: Einführung in das Geschichtsstudium, Stuttgart: Reclam 2005, 172 S., ISBN 978-3-15-017046-5, EUR 4,60
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Der Beginn eines Studiums ist zumeist nicht nur eine weitere Stufe der Ausbildung, sondern auch eine Lebensentscheidung, erfordert sie von den Abiturienten oft zum ersten Mal eine bewusste Entscheidung für eine bestimmte akademische Fachrichtung und gegen alternative Berufsangebote. Dieser besonderen Situation will Stefan Jordan Rechnung tragen, weshalb er auf knappem Raum und zu erschwinglichem Preis eine "Einführung ins Geschichtsstudium" - und nicht in die Geschichtswissenschaft - anbietet. Das Themenspektrum reicht von "Die Universität als Arbeitsplatz und Lebensraum" über "Geschichte als Wissenschaft", "Das historische Material", "Literaturrecherche im Internet und vor Ort" bis hin zu "Wissenschaftliche Forschung und Darstellung" und wird von einem knappen Anhang mit Beispielen für ein Inhaltsverzeichnis und Titelblätter von Seminararbeiten sowie Literaturhinweisen abgeschlossen. In einzelne Kapitel werden dabei immer wieder knappe weiterführende Literaturhinweise eingefügt.
Dieser umfassende Ansatz, der zumindest ansatzweise die Besonderheiten des Studierendendaseins von der Orientierung in der Institution Universität bis hin zur Finanzierung des Studiums thematisiert, bringt aber auch das Problem mit sich, dass vieles nur angerissen werden kann. Umso mehr überraschen dann die detaillierten Informationen, die sich mitunter in für Erstsemester nebensächlichen Hinweisen wie der korrekten Anrede von Rektor und Dekan verlieren und eine Einheitlichkeit der Universitätsorganisation unterstellen, die sich Studierende, die die Hochschule wechseln, nur wünschen würden. Das Universitätssekretariat heißt nicht überall so; die Vertretung der Studierenden firmiert nicht überall als AStA und das Geschäftszimmer des Dekanats ist auch nicht überall für die Studienberatung zuständig; ebenso gibt es an verschiedenen Universitäten bereits Departments, die sich von der traditionellen Fakultäts- und Institutsorganisation deutlich unterscheiden (13-18). Angesichts der tief greifenden Umstrukturierung der Universitäten wäre ein Hinweis auf eben diesen Prozess nicht nur außerordentlich hilfreich, sondern sogar unbedingt notwendig. Dieses Manko wird besonders deutlich, wenn im Hinblick auf die "Struktur des Studiums" (18-22) noch traditionell zwischen Grund- und Hauptstudium unterschieden und der klassische Kanon universitärer Lehrveranstaltungen von der Vorlesung bis zum Kolloquium vorgestellt wird, ohne auf die verschiedentlich schon eingeführten Bachelor- und Masterstudiengänge mit ihrem je spezifischen Ausbildungsgang und dem gewöhnungsbedürftigen System von Leistungspunkten einzugehen.
Nach diesem allgemein orientierenden Teil bietet Jordan eine knappe und für Studienanfänger informative Einführung in die Geschichtswissenschaft (23-48), die über die Geschichte der akademischen Zunft, die Aufteilung in Teildisziplinen, den Begriff der Geschichte selbst sowie über den Sinn der Beschäftigung mit Geschichte orientiert. Ob die kritisch diskutierten Antworten auf die Frage "Wozu Geschichte?", nämlich "Lehrmeisterin des Lebens", "politisches Verhalten" und "Identitätsbildung" (37-45), ausreichend oder gar zentral sind, mag dahingestellt bleiben; als Anregung, über die Bedeutung des gewählten Studienfaches nachzudenken, sind sie gleichwohl hilfreich.
Die folgenden Kapitel konzentrieren sich dann auf das wissenschaftliche Arbeiten. Dabei teilt Jordan das "historische Material" in "Quellen" und - etwas ungewohnt, da eher dem germanistischen Sprachgebrauch folgend - in "Sekundärliteratur" ein, wozu er Monografien ebenso zählt wie Zeitungen, Lexika und Bibliografien. Problematischer ist die Differenzierung der Quellen in "primäre Quellen", "Regesten" - ist das wirklich eine eigene Quellenart? - und "sekundäre Quellen" (d. h. die "sinngemäße Wiedergabe des Inhalts einer Quelle in einer anderen Quelle", 57), ohne andere Einteilungen etwa nach dem Bezug zum Sachverhalt ("Tradition" bzw. "Überrest") oder nach der Beschaffenheit (schriftlich, bildlich, gegenständlich) explizit zu thematisieren. Jordan geht zudem von einem eindimensionalen Quellenbegriff aus, wenn er als Kriterium lediglich die Zeitnähe zum Sachverhalt anerkennt. Quellen sind für ihn nämlich "alle schriftlichen, dinglichen, baulichen, akustischen oder visuellen Überreste, die sich als Zeugnis von der Zeitstufe der Vergangenheit, die uns interessiert, bis in die Gegenwart erhalten haben" (49 f.). Ob Memoiren über den Ersten Weltkrieg, so Jordans Beispiel, zu den "Quellen" oder zur "Literatur" gehören, lasse sich demnach nicht klar entscheiden. Würde er die Fragestellung als weiteres Kriterium einführen - richtet sich das Interesse auf die Kriegsereignisse oder auf die rückblickende Kriegsdeutung? -, ließe sich in diesem Fall eine eindeutige Zuordnung von Materialien treffen (49).
Die Hinweise zum Bibliografieren (79-89) im Kapitel "Literaturrecherche" fallen arg knapp aus, da hier auch die "Benutzung von Bibliotheken" und die "Benutzung von Archiven" abgehandelt werden. Im abschließenden Teil "Wissenschaftliche Forschung und Darstellung" beschreibt Jordan zunächst das klassische Vorgehen beim wissenschaftlichen Arbeiten von der Relevanz des Gegenstands über die Fragestellung und die Heuristik bis zur Quellenkritik und Interpretation (108-123), bevor er verschiedene Formen wissenschaftlicher Darstellungen und deren inhaltlichen und formalen Aufbau Revue passieren lässt (123-161). Dieser Teil konzentriert sich auf die klassische Form der schriftlichen wissenschaftlichen Darstellung in Form der Seminararbeit und bietet insgesamt gut lesbare, solide und für den Studienanfänger hilfreiche Informationen. Allerdings wäre eine bessere grafische Gestaltung für den Rat suchenden Leser mitunter hilfreich.
Jordans "Einführung ins Geschichtsstudium" ermöglicht Studienanfängern also zu einem erschwinglichen Preis eine knappe Orientierung über die vielfältigen Aspekte des neuen Studienfaches. Dabei sollte man sich bewusst sein, dass aufgrund dieser Konzeption nähere Informationen zu manchen Aspekten fehlen (müssen), und über einzelne argumentative Unschärfen hinwegsehen. Dem Abiturienten kann Jordans Darstellung beim Übergang in die Universität durchaus helfen, aber letztendlich entscheidet sich, ob der Einstieg ins Geschichtsstudium gelingt, wie immer in der Praxis.
Ulrich Baumgärtner