Rezension über:

Cécile Michaud: Johann Heinrich Schönfeld. Un Peintre Allemand du XVIIe Siècle en Italie (= Forum Kunstgeschichte; 2), München: Martin Meidenbauer 2006, 308 S., 130 Abb., ISBN 978-3-89975-585-5, EUR 59,90
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Rezension von:
Oliver Tostmann
National Gallery of Art, Washington, DC
Redaktionelle Betreuung:
Hubertus Kohle
Empfohlene Zitierweise:
Oliver Tostmann: Rezension von: Cécile Michaud: Johann Heinrich Schönfeld. Un Peintre Allemand du XVIIe Siècle en Italie, München: Martin Meidenbauer 2006, in: sehepunkte 7 (2007), Nr. 11 [15.11.2007], URL: https://www.sehepunkte.de
/2007/11/12781.html


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Cécile Michaud: Johann Heinrich Schönfeld

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Im Licht der Öffentlichkeit wird das Werk Johann Heinrich Schönfelds (1609-1684) nicht voll wahrgenommen. Es dämmert eher noch im Halbschatten. Gründe dafür gibt es mehrere. Zum einen das mangelnde Interesse für die deutsche Malerei des 17. Jahrhunderts überhaupt. Zum anderen einen wechselhaften Lebensweg, der den gebürtigen Schwaben über Rom, Neapel und Wien schließlich wieder in seine süddeutsche Heimat führte. Dementsprechend ist Schönfeld wenig fassbar, sein Werk keiner Schule zuzuordnen. Seine Bilder werden weit gestreut zumeist in kleineren Sammlungen aufbewahrt. Für das große Publikum dürfte darüber hinaus auch seine bevorzugte Themenwahl schwer vermittelbar sein. Es handelt sich häufig um biblische und mythologische Historien oder kontemplative Genreszenen, deren Inhalte sich einer vorschnellen Entschlüsselung entziehen. Gemalt wurden sie auf klein- bis mittelformatigen Bildträgern, auf denen Schönfeld seinen raffinierten Pinselstrich voll zur Geltung bringen konnte. Schon Sandrart hob die "geschwinde Hand" des Künstlers hervor, die "mit ungemeiner gratia" zahlreiche Bilder schuf, die wiederum vordringlich von "particular-Liebhabern" in Italien und im Reich geschätzt wurden. [1]

Es ist Hermann Voss und vor allem Herbert Pée zu verdanken, dass sie Schönfelds Werk bearbeiteten und in großen Ausstellungen der Öffentlichkeit zu vermitteln suchten. [2] Pées Werkkatalog von Schönfeld aus dem Jahr 1971 gründet noch immer eine solide Basis, die bis dato nicht ausreichend als Ausgangspunkt für weitere Beschäftigungen mit dem Werk Schönfelds genutzt wurde. Es ist nun das Verdienst von Cécile Michauds Arbeit, diesen Faden aufzunehmen und weiterzuspinnen. Sie beschränkt sich dabei ganz auf die italienische Periode des Malers, die sich über 18 Jahre von 1633 bis 1651 erstreckte. Schönfeld war Mitte 20 als er nach Italien ging. Die folgenden Jahre stellen damit die entscheidende Entwicklungsphase im Schaffen des Künstlers dar.

Im ersten Teil (23-48) untersucht Michaud biografisch die verschiedenen Stationen Schönfelds in Italien, der etwa 1633 in Rom ankam und dann 1636/37 nach Neapel weiterzog. 1647/48 kehrte er zurück nach Rom, um über Venedig 1651 schließlich in das Reich heimzureisen. Über die italienischen Auftraggeber wissen wir - trotz Michauds emsigen Recherchen - noch immer bemerkenswert wenig. Der Herzog von Orsini samt wenigen adligen Sammlern in Neapel bilden die einzigen stichfesten Verweise. An dieser Stelle könnte man aus der Not eine Tugend machen und sich in der Fragestellung stärker auf die Analyse einzelner bekannter Sammlungen konzentrieren. Wir wissen beispielsweise, dass sich Bilder Schönfelds in der neapolitanischen Sammlung Capecelatro befanden. In welchem Kontext wurden sie dort gezeigt, gab es weitere Bilder von nordischen Künstlern?

Im zweiten Teil (49-98) versucht Michaud Schönfelds Werk stilistisch einzuordnen. Sie fragt nach den Vorbildern, die ihn beeinflusst haben könnten und hebt vergleichend die Eigenheiten des Künstlers hervor. Wenig überraschend prägen die Auseinandersetzung mit der Antike, insbesondere den Ruinen der campagna romana, und schließlich mit Raffael Schönfelds Werk der Dreißiger und Vierziger Jahre. Hinzu tritt die Auseinandersetzung mit Nicolas Poussin, Bernardo Cavallino und Giovanni Battista Caracciolo. Michaud referiert allerdings die in Frage kommenden Akteure kataloghaft herunter. Sie entdeckt dabei einzelne Motive, die von Schönfeld übernommen wurden, ohne aber die spezifische Dynamik eines Aneignungsprozesses weiter zu verfolgen. In den meisten Fällen handelt es sich um keine platte Adaption, sondern um die Transformation eines fremden Motivs in die eigene Bildkomposition. Was hierbei das eigentlich Spezifische an den Bildern Schönfelds ausmacht, wird nicht deutlich genug herausgearbeitet. Weiterführend wäre in diesem Zusammenhang auch die Vertiefung mit der Fragestellung sinnvoll, ob und/oder warum Schönfeld nur einen geringen Einfluss auf italienische Künstler ausübte.

Der dritte Teil (99-136) widmet sich den verschiedenen Themen in Schönfelds italienischem Werk. Hier versucht die Autorin erneut die Bilder zwischen den beiden Polen Nord und Süd zu verorten. Die unterschiedlichen Schwerpunkte in der Motivwahl, die Schönfeld in Rom und Neapel setzte, deuten auf einen Künstler hin, der sich den unterschiedlichen Erwartungen und Wünschen seiner Klientel flexibel anpassen konnte. Auffällig ist die fast vollständige Absenz von Porträts in dieser Zeit. Die Konfrontation der Gegenwart mit der Antike, etwa in der kontrastierenden Verwendung von antiken Reliefs und zeitgenössischem Bildpersonal, wird zwar von der Autorin angeschnitten, aber zu summarisch abgehandelt. Wie sich Schönfeld en detail mit der Antike auseinandersetzte, bleibt noch weitgehend im Dunkeln. Irreführend ist in diesem Zusammenhang auch der Titel des Kapitels (3.1.2. Les "péripéties sculptées"). Michaud setzt sich in Folge nicht mit den poetologischen Implikationen des Terminus auseinander, noch klärt sie den Leser über die Quelle ihres Zitats auf.

Schließlich wendet sich Michaud der Ikonografie zu, wird aber in dem kurzen Abriss (113-115) der Komplexität der Bilder kaum gerecht. Schönfelds Werk zeichnet sich gerade durch die Neuinterpretation gängiger ikonografischer Themen aus. Häufig scheint er mit bekannten Darstellungstraditionen - etwa bei der Prager Josua-Schlacht - zu spielen und diese auf der Leinwand nur anzudeuten. Aufschlussreich ist das abschließende Kapitel, das nach dem Fortdauern von in Italien gefundenen Themen, Motiven und Formeln im Spätwerk Schönfelds fragt. Demnach zehrte Schönfeld ein Leben lang von den dort gewonnenen Impulsen.

Vom Umfang entspricht der Werkkatalog grob den drei vorhergehenden Teilen. Hier erweitert Michaud das malerische Œuvre Schönfelds für die italienische Periode auf nunmehr 76 Gemälde. Sie unternimmt damit gegenüber Pée 20 Neuzuschreibungen. Herkunft, Bibliografie und Zustand der Bilder werden verlässlich referiert. Im anschließenden Textabschnitt werden die stilistischen Charakteristika eingehend besprochen. Für weitere Forschungen dürften sich die Datierungen als nützlich erweisen. Offen bleibt, warum die Autorin im Katalogteil zu Vermutungen Pées, etwa über einzelne Motivvorlagen, nicht Stellung bezieht. [3] Bedauerlich ist in diesem Zusammenhang auch die Qualität der grobkörnigen schwarz-weissen Abbildungen, die in ihrer häufig zu geringen Größe keine Details erkennen lassen. Das feine Farbspiel, durch das sich das Werk Schönfelds auszeichnet, droht so zu uniformen grauen Flächen zu verunklaren. Lediglich acht Bilder werden in Farbe wiedergegeben, darunter keines der Neuzuschreibungen. Auch Detailaufnahmen würden es dem Betrachter erleichtern, das Bild visuell zu erschließen, doch sie fehlen allzuhäufig. Besser, man greift daher - wo möglich - auf die Abbildungen in Pées Band zurück.

Das Urteil über Michauds Arbeit fällt zwiespältig aus. Zum einen gelingt es ihr die Bilder der italienischen Periode chronologisch zu ordnen. In diesem Zug unternimmt sie eine bedeutende Aktualisierung von Schönfelds Werk. Andererseits reißt sie Probleme im Werk Schönfelds an, ohne diese näher zu beantworten. Alles in allem ist die Arbeit ein Schritt in die richtige Richtung, um das Werk Schönfelds zukünftig neu zu erschließen.


Anmerkungen:

[1] Joachim von Sandrart: Academie der Bau-, Bild- und Mahlereykuenste, Nürnberg 1675, zitiert nach: C. Michaud: 2006, 240.

[2] Hermann Voss: Johann Heinrich Schönfeld. Ein schwäbischer Maler des 17. Jahrhunderts, Biberach-an-der-Riss 1964; Herbert Pée: Johann Heinrich Schönfeld. Die Gemälde, Berlin 1971.

[3] Vergleiche beispielsweise die Diskussion um die 'Tempelfront' in Schönfelds "Ecce Homo" (Bayerische Staatssammlungen, München), Kat. No. A60, 200f. mit Pée 1971, No. 49, 124f.; oder das 'Brunnenmotiv' in Schönfelds "Raub der Sabinerinnen" (St. Petersburg), Kat. No. A34, 173f. mit Pée 1971, No. 31, 110f.

Oliver Tostmann