Rezension über:

Luitgard E.M. Mols: Mamluk Metalwork Fittings in their Artistic and Architectural Context, Delft: Eburon 2007, iv + 462 S., ISBN 978-90-5972-157-9, EUR 45,00
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Rezension von:
Miriam Kühn
Museum für Islamische Kunst, Staatliche Museen zu Berlin
Redaktionelle Betreuung:
Stephan Conermann
Empfohlene Zitierweise:
Miriam Kühn: Rezension von: Luitgard E.M. Mols: Mamluk Metalwork Fittings in their Artistic and Architectural Context, Delft: Eburon 2007, in: sehepunkte 9 (2009), Nr. 1 [15.01.2009], URL: https://www.sehepunkte.de
/2009/01/13959.html


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Diese Rezension ist Teil des Forums "Islamische Welten" in Ausgabe 9 (2009), Nr. 1

Luitgard E.M. Mols: Mamluk Metalwork Fittings in their Artistic and Architectural Context

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Zentrales Anliegen dieser 2006 von Luitgard E.M. Mols an der Universität Leiden eingereichten Dissertation ist die Dokumentation in situ befindlicher, zwischen 1250 und 1517 in der Levante und Ägypten hergestellter, verzierter Schmiedekunst und deren Analyse in ihrem architektonischen, künstlerischen und gesellschaftlichen Kontext.

Aus mamlukischer Zeit ist eine Vielzahl von Metallgegenständen erhalten, deren Erforschung sich bisher vor allem auf transportable Objekte wie Kerzenständer, Lampen und Becken konzentrierte [1]. Ihr Wirkungs- und Rezeptionskontext muss mühsam rekonstruiert werden, da sie zum Großteil in Museen und Privatsammlungen aufbewahrt werden. Eine nicht zu vernachlässigende Gruppe mamlukischer Metallobjekte sind jedoch Fenstergitter, Beschläge an Fensterläden oder Türen sowie Türklopfer, die sich in siebenundfünfzig, größtenteils religiös genutzten Gebäuden der Hauptstadt (Kairo) und der Provinzzentren (Damaskus, Aleppo, Tripoli, Jerusalem, Hebron) des mamlukischen Reich erhalten haben.

Mols wendet sich in ihrer Arbeit nicht nur erstmals umfassend diesem bisher vernachlässigten Corpus zu, das sie in einem Katalog- und umfangreichen Tafelteil dokumentiert, sondern stellt diesem seine Analyse und Interpretation voran. Dafür nutzt sie den (noch) vorhandenen Entstehungs- und Rezeptionskontext geschickt, einen kleinen Ausschnitt mamlukischer Kunstproduktion im Licht gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Gegebenheiten nachzuzeichnen und so nicht nur ein für Kunsthistoriker, sondern auch für Architektur- und Kulturhistoriker bereicherndes Referenzwerk zu schaffen.

Die Publikation ist in zwei große Abschnitte unterteilt, einen analytischen, ersten Teil (17-176) mit Einleitung, 5 Kapiteln und Zusammenfassung, dem der darauf folgenden Katalog- (177-356) und Tafelteil mit 284 s/w Abbildungen (391-462) zugrunde liegt. Ergänzt wird die Arbeit durch ein knapp einseitiges Glossar (381-382), einen Index (383-388) und eine umfangreiche Bibliographie (357-379).

In der Einleitung (17-24) referiert Mols kurz den historischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Hintergrund der regen Kunst- und Architekturpatronage der herrschenden Elite, schlaglichtartig den Forschungsstand, die verwendeten, vertrauten mamlukischen Primärquellen, die mit wenigen Ausnahmen Schmiedekunst lediglich erwähnen, die Zielsetzung der Studie und die Gliederung der vorliegenden Arbeit.

Im ersten Kapitel "The Artistic Scene: Fittings in the Muslim East and West" (25-34) beginnt Mols wegen mangelnder erhaltener Vergleichsobjekte mit einem groben Überblick über vor-mamlukische und zeitgenössische Schmiedekunst in großer dynastischer und geografischer Breite, mit dem Ziel, die Einmaligkeit und Bedeutung des Corpus der zahlreich erhaltenen Schmiedekunst aus mamlukischer Zeit zu unterstreichen.

Im zweiten Kapitel "Typology and Development of Mamluk Metalwork Fittings" (35-78) findet Mols ihren fachlichen und inhaltlichen Schwerpunkt und entwickelt eine Typologie der verschiedenen Schmiedearbeiten. Hierbei geht sie getrennt nach Objektgruppen (Tür-, Fensterlädenbeschläge, Türklopfer, Fenstergitter) vor, die sie aufgrund ihrer Gestaltung wiederum in Typen unterteilt. Sie beschreibt die jeweilige Technik, Dekor und Gestaltung und versucht deren Entwicklungen in geografischer und chronologischer Breite nachzuzeichnen. Abschließend widmet sich Mols der Wirkung des Dekors und bietet Interpretationsansätze für diesen an. Hierbei setzt sie sich kritisch mit bestehenden Diskussionen um die Ikonographie geometrischen und vegetabilen Dekors auseinander und legt ihren Fokus auf die Inschriften, deren "message is put [...] much more straightforward (71)". Diese hätten in Form von Stifternamen oder -wappen in erster Linie Patronage zum Thema, was Mols als Ausdruck einer durch Wettbewerb und Konkurrenz geprägten Elite versteht (77). Dennoch müssten sich die Stifternamen in der Inschriftenhierarchie den Inschriften religiösen Inhalts unterordnen, was wiederum als zur Schau getragene Frömmigkeit verstanden werden könne (73). Die von Türklopfern aus der Jazīra bekannten Drachen und Löwen wiederum interpretiert sie u.a. als Reminiszenzen der Mamluken an ihre türkische Herkunft (74-75).

Das dritte Kapitel "Inspiration and Aftermath" (79-116) widmet sich der Frage nach diachronen und synchronen Einflüssen auf Dekor und Technik, ergänzt um Nachwirkungen unter den Osmanen, wiederum nach Objektgruppen und -typen sortiert dargeboten. Neben Vorgängern in Metall, legt Mols den Schwerpunkt auf den Austausch bestimmter Dekormuster und -techniken zwischen Schmiedearbeiten und transportablen Metallgegenständen, den gleichen, aber in anderem Material gefertigten Objekten sowie anderen zeitgenössischen Kunstwerken (Bucheinbände, Frontispize). Dabei versucht sie, die Parallelen wegen einer bisher nicht nachweisbaren zentralen Entwurfswerkstatt (kitābḫāna) u.a. mit den nah beieinander liegenden Werkstätten im Sūq und der Anbringung in öffentlich zugänglichen Gebäuden zu erklären (114-115). Wenn auch eine gesonderte, vertiefte Diskussion der Restaurierungen des Comité und neo-mamlukischer Schmiedekunst in dieser Arbeit fehlt, geben doch an dieser Stelle und im Katalog Mols Beobachtungen Aufschlüsse über die Scheidung von mamlukischem Original und neo-mamlukischem Objekt/Ergänzung (102).

Im vierten Kapitel "Mamluk Metalwork Fittings and Their Context" (117-144) untersucht Mols die Beziehung der einzelnen Objekte untereinander und zu ihrem architektonischen und dekorativen Umfeld. Dabei stellt sie gegenüber den transportablen Objekten den grundlegenden Unterschied heraus, dass Schmiedekunst zum einen öffentlich angebracht sei und sich zum anderen unmittelbar gegenüber einer Vielzahl weiterer Dekore durchsetzen und einer größeren Struktur unterordnen müsste (117). Sie untersucht die Anbringung der Objekte und beobachtet eine Hierarchie der Lokalisierung, die sich etwa darin abzeichne, dass sich die am aufwendigsten gestaltete Tür am Eingang befinde (119-120). Mols Analyse des Verhältnisses der funktional eng verbundenen Elemente Tür - Türklopfer/Fensterladen - Fenstergitter und allgemein der geschmiedeten Objekte zu ihrer architektonischen Umgebung überraschen insofern, als dass sie als eigenständige Einheiten in Dekor und Technik konzipiert worden seien und lediglich über die Zugehörigkeit zu einem "mamlukischen Stil" interagierten. Zudem reagierten sie nicht auf ihren Anbringungskontext, etwa durch Vergrößerung der Schrift zur besseren Lesbarkeit oder Nichtausarbeitung einzelner Elemente bei Nichtsichtbarkeit. Schließlich rückt Mols v.a. die praktische Dimension der mehrfach dokumentierten Wiederverwendung von geschmiedeten Objekten in den Blickpunkt (131-134).

Im fünften Kapitel "The Industry: Metalworkers and Patronage" (145-170) geht sie noch einmal ausführlich dem engen Zusammenhang zwischen den regen Bauaktivitäten, finanziert durch die mamlukischen Elite, und der entsprechend großen Nachfrage nach Schmiedearbeiten nach, denen heute indirekt die zahlreich erhaltenen Objekte zu verdanken sind und deren Realisierung ohne entsprechend qualifizierte und zahlreiche Handwerker, entsprechende Techniken und verfügbares Material nicht möglich gewesen wäre (145). In einem ersten Schritt listet sie das Material, vorwiegend Metallblech und Bronze und nur selten Tauschierungen mit Gold und Silber, und dessen Vorkommen auf. Die Schmiedekunst sei wiederum kein spezialisiertes Handwerk gewesen, sondern sei von den gleichen Werkstätten ausgeführt worden, die auch die transportablen Objekte herstellten. Da entsprechend die Einzelelemente erst vor Ort am Bau montiert worden seien, sprächen praktische Erwägungen für die Annahme eines eher lokalen Handwerks, was aber Handwerker und Objekte nicht davon abgehalten hätte, zu "wandern". Ihre Suche nach einem inschriftlich nachweisbaren Produktionszentrum führt nur zu begrenztem Erfolg: Lediglich ein Türklopfer erwähnt Damaskus (155). Kurz schneidet sie auch die Diskussion um einen vom Auftraggeber initiierten Hofstil an, für dessen schlüssige Annahme sich jedoch bis auf unter Sultan al-Ašraf Qāytbāy nicht genügend Objekte fänden. Schließlich versucht sie zumindest für Kairo, das seine zahlreich erhaltene Schmiedearbeiten u.a. einer hohen Dichte potentieller, vermögender Auftraggeber und der Verschonung von Invasionen der Mongolen zu verdanken hat, vier - konsequenterweise auch in der Architektur anzunehmende - Phasen der Produktion zu rekonstruieren.

Der Katalog mamlukischer Schmiedearbeiten (179-340) ist chronologisch und konsequent nach dem Anbringungskontext, also 57 Gebäuden, gegliedert; einzelne Objekte aus Sammlungen, Museen und Auktionshäusern sind zum Vergleich aufgenommen. Die Katalogbeiträge bestehen aus einer kurzen Beschreibung mit Lokalisierung, Maßen, Datierung, Auftraggeber, Beschreibung der Technik, des Dekors, Aufnahme der Inschriften, Erhaltungszustand, ggf. den Forschungsstand diskutierendem Kommentar, Restaurierungen und Referenzen. In einem Appendix (341-356) ergänzt Mols einige Vorläufer.

Mols Arbeit zeichnet sich durch einen stringenten und leserfreundlichen Aufbau mit jeweils einführenden und zusammenfassenden Abschnitten und separat geführtem Katalog aus. Im analytischen Teil wird die Vertrautheit mit den vielfältigen Forschungsansätzen der mamlukischen Kunstgeschichte und deren differenzierte Reflexion deutlich. An einigen Stellen wäre eine Ausarbeitung eigener Überlegungen bzw. eine ausführlichere Diskussion bestehender Ansätze (Wanderhandwerker, Hofwerkstätten, Definition des "mamlukischen Stils") wünschenswert gewesen.

Im Katalogteil wären die Referenzen für die Datierungen der Bauwerke, auf denen schließlich auch die Datierung der unsignierten Objekte beruht [2], und für Kairo die Angabe der Index Nummer hilfreich. Auch hätten ausgewählte neo-mamlukische Schmiedearbeiten, entsprechend der aufgeführten Vorgänger, den Katalog bereichert.

Gewonnen hätte diese Arbeit durch ein professionelleres Layout mit entsprechender Typografie, das etwa die Übersichtlichkeit des Katalogs hätte steigern können [3] und durch die Beigabe von wenigstens einigen Farbtafeln, die die Nähe einzelner Schmiedearbeiten zu den kostbaren, in Museen verwahrten transportablen Metallobjekten noch augenscheinlicher gemacht hätten. Zum Teil erreichen die Reproduktionen nicht den von den Fotografien der Autorin vorgegebenen Standard.

Mols großes Verdienst ist es, mit ihrer schriftlichen und fotografischen Dokumentation der in situ befindlichen mamlukischen Schmiedekunst eine Grundlagenarbeit geschaffen und dabei aber über eine bloße Bestandsaufnahme hinaus, innovative Betrachtungsweisen aufgeworfen zu haben, die lohnen, in weiteren Arbeiten vertieft und ausformuliert zu werden. Gerade die fast erschreckende Pionierleistung der fotografischen Dokumentation vieler Schmiedearbeiten wird umso wertvoller, als sich aus Kairo Nachrichten über Diebstähle in der Altstadt mehren [4], denen auch die mehrfach angesprochene, ursprünglich aus der an-Nāṣir Hasan Moschee, heute im Hauptportal der Mu'ayyad Šayḫ Moschee befindliche Tür zum Opfer fiel [5].


Anmerkungen:

[1] Zum Beispiel Doris Behrens-Abouseif, Mamluk and Post-Mamluk Metal Lamps, Cairo 1995.

[2] Vgl. ihre eigene Diskussion der Anbringung der metallbeschlagenen Türen im Gebäude auf Seite 131-132. Ein Verweis auf die jeweiligen Gebäude in Michael Meineckes Referenzwerk, Die mamlukische Architektur in Ägypten und Syrien (648/1250 bis 923/1517), Glückstadt 1992, wäre sicher ausreichend gewesen.

[3] Eine Tatsache, die möglicherweise der seit 24. Oktober 2008 vollständig zugänglichen Publikation der Dissertation im Internet zuzuschreiben ist (http://hdl.handle.net/1887/4954).

[4] Al-Ahram Weekly on-line, No. 903, 26.06.-02.07.2008: (http://weekly.ahram.org.eg/2008/903/eg8.htm); Al-Maṣrī al-yaum, 30.08.2008 (http://www.almasry-alyoum.com/article2.aspx?ArticleID=131334)

[5] Feststellung der Autorin bei einem Besuch vor Ort im April 2008.

Miriam Kühn