Rezension über:

Alexander D. Beihammer / Maria G. Parani / Christopher D. Schabel (eds.): Diplomatics in the Eastern Mediterranean 1000-1500. Aspects of Cross-Cultrual Communication (= The Medieval Mediterranean; Vol. 74), Leiden / Boston: Brill 2008, xvi + 467 S., ISBN 978-90-04-16547-2, EUR 120,00
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Rezension von:
Vera von Falkenhausen
Rom
Redaktionelle Betreuung:
Georg Vogeler
Empfohlene Zitierweise:
Vera von Falkenhausen: Rezension von: Alexander D. Beihammer / Maria G. Parani / Christopher D. Schabel (eds.): Diplomatics in the Eastern Mediterranean 1000-1500. Aspects of Cross-Cultrual Communication, Leiden / Boston: Brill 2008, in: sehepunkte 9 (2009), Nr. 5 [15.05.2009], URL: https://www.sehepunkte.de
/2009/05/15080.html


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Alexander D. Beihammer / Maria G. Parani / Christopher D. Schabel (eds.): Diplomatics in the Eastern Mediterranean 1000-1500

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Dieser vorbildlich redigierte und äußerst anregende Band geht auf ein Kolloquium zurück, das das Department of History and Archeology der Universität Zypern im April 2006 veranstaltet hat. Dabei ging es den Organisatoren, wie A. D. Beihammer in seinem einführenden Artikel Eastern Mediterranean Diplomatics: the Present State of Research (1-24) erklärt, im Wesentlichen darum byzantinische, lateinische und arabische Archivalien aus dem östlichen Mittelmeerraum für die Zeit zwischen den Jahren 1000 und 1500 unter Berücksichtigung formaler und inhaltlicher Aspekte und unter dem Gesichtspunkt ihrer Benutzbarkeit für den Historiker vorzustellen. Wie allerdings schon aus dem Titel ersichtlich wird, spielen darüber hinaus in den meisten Beiträgen auch Aspekte der sprachlichen Verständigung zwischen den Vertretern der verschiedenen Völkerschaften, die damals in den Staaten des östlichen Mittelmeerraums lebten oder regierten, eine wichtige Rolle. Auf die Einleitung von Beihammer, der einen nützlichen Überblick über die griechischen und lateinischen Urkundenfonds aus dem behandelten geographischen Raum gibt, folgen, in drei Teile gegliedert, 19 Aufsätze, die alle reich an Informationen und bemerkenswert ungeschwätzig sind. Alle benutzen und zitieren eine reichhaltige, den letzten Forschungsstand berücksichtigende internationale Bibliographie, was heute leider nicht mehr in allen angelsächsischen Veröffentlichungen selbstverständlich ist.

Im ersten Teil, Archival sources for the Latin East, beschreibt D. Jacoby, Multilingualism and Institutional Patterns of Communications in Latin Romania (Thirteenth-Fourteenth Centuries) (27-48), quellennah und sehr lebendig die Rolle der griechischen und lateinischen Übersetzer in der schriftlichen und mündlichen Kommunikation in Politik, Verwaltung, Handel und täglichem Leben, die Herkunft ihrer Sprachkenntnisse und das unterschiedliche Niveau ihrer Ausbildung und Kompetenz. Ch. Gasparis, "Catastica feudorum Crete": Land Ownership and Political Changes in Medieval Crete (13th-15th Centuries) (49-61), stellt die venezianischen Catastica feudorum Crete vor als Quelle für die Politik Venedigs in Kreta bei der Verteilung von Lehen an Griechen und Venezianer, bzw. bei deren Einziehung. W. O. Duba, The Status of the Patriarch of Constantinople after the Fourth Crusade (63-91), und Ch. Schabel, Antelm the Nasty, first Latin Archbishop of Patras (1205 - ca. 1241) (93-137), untersuchen anhand der Briefe Innozenz' III., Honorius' III. und (nur letzterer) Gregors IX. den unklaren ekklesiologischen Status des Patriarchats von Konstantinopel nach dem vierten Kreuzzug, bzw. die wenig vorbildliche Karriere des ersten lateinischen Erzbischofs von Patras und seine unkonventionellen, teils verbrecherischen Verwicklungen in Machtpolitik und geschäftliche Transaktionen während der fränkischen Herrschaft in Griechenland. H. Houben, Intercultural Communication: the Teutonic Knights in Palestine, Armenia, and Cyprus (139-157), behandelt die Politik des Deutschen Ordens in Palästina, Klein-Armenien und Zypern, wobei er auch auf die sprachlichen Probleme eingeht, mit denen die anfangs im Wesentlichen deutschen Ordensbrüder im östlichen Mittelmeer konfrontiert wurden. K. Borchardt, Documents from the Hospitaller Registers on Rhodes Concerning Cyprus, 1409-1459: Form and Contents (159-169), stellt die Zypern betreffenden Urkunden aus dem Archiv des Johanniterordens vor, das heute in der National Library of Malta liegt. Es geht darin u. a. um die Ernennungen der Praeceptoren von Zypern und anderer Chargen, und um Zahlungen an die Zentrale des Ordens in Rhodos, besonders um die aus der wichtigen zypriotischen Zuckerfabrik des Ordens in Kolossi. In B. M. Boltons Beitrag, A Matter of Great Confusion: King Richard I and the Syria's "Vetus de Monte" (171-202), wird die Geschichte eines Briefes analysiert, in dem der so genannte Vetus de Monte, der Chef der Assassinen, sich dazu bekennt, den Mord an Konrad von Montferrat in Tyrus (April 1192) angeordnet zu haben. Der Text ist in unterschiedlicher Form in einigen englischen Chroniken überliefert und exkulpiert Richard Löwenherz, dem der Mord von den Zeitgenossen vielfach zugeschrieben wurde. Die Autorin macht glaubhaft, dass der Brief aus der Kanzlei Richards I. stamme und entweder vom Kanzler William Longchamp selbst oder von dessen Vorgänger, Philipp von Poitiers, verfasst worden sei.

Unter dem Titel Chancery Traditions in Medieval Cyprus ist der zweite Teil des Bandes, ganz den Archivalien gewidmet, die Zypern betreffen. Auf die kompetenten Ausführungen von J. Richard, Aspects du notariat public à Chypre sous les Lusignan (207-221), über die Struktur des Notariats im Königreich Zypern folgen vier Beiträge, die sich mit genuesischen Archivalien beschäftigen: N. Coureas, Structure and Content of the Notarial Deeds of Lamberto di Sambuceto and Giovanni da Rocha, 1296-1310 (223-234), stellt die Urkunden der Notare Lamberto di Sambuceto und Giovanni da Rocha vor, die größtenteils in Famagosta ausgestellt worden sind und zwar nicht nur für genuesische Kaufleute, sondern auch für Venezianer, Pisaner, Florentiner, Anconitaner, Katalanen, Provenzalen und Ragusaner. Ebenso international waren die Zeugen. Bei den registrierten Geschäften ging es großenteils um Kredite und Geldüberweisungen, aber auch um Testamente, Gründung von Partnerschaften und Freilassung von Sklaven. M. Balard, La "Massaria" génoise de Famagouste (235-249), behandelt die vergleichsweise unvollständigen Register der Massaria von Famagusta aus den Jahren zwischen 1391 und 1465 als Quellen für die Topographie der Stadt und die ethnische und soziale Zusammensetzung der Bevölkerung. Im Aufsatz von C. Otten-Froux, Le registre de la "curia" du capitaine génois de Famagouste au milieu du XVe siècle: une source pour l'étude d'une société multiculturelle (251-274), wird das Register Diversorum negociorum publicorum curie Famoguste für die Jahre 1455-1457 ausgewertet. In diesen Jahren wurden vor der curia des capitaneus 650 Fälle verhandelt, in denen es anscheinend größten Teils um Kredit- und Immobiliengeschäfte ging. Die Autorin weist darauf hin, dass die öffentlichen Bekanntmachungen in Famagusta auch auf Griechisch ausgerufen wurden. S. V. Bliznyuk, Diplomatic Relations between Cyprus and Genoa in the Light of the Genoese Juridical Documents: ASG, "Diversorum communis Ianue" (275-291), stellt die Urkunden des Fonds Diversorum communis Ianue vor, die sie im Jahre 2005 veröffentlicht hat. Es handelt sich im wesentlichen um Gerichtsurkunden aus den Jahren 1391-1398 (mit Hinweisen auf die Zeit zwischen 1373-1390) und 1420-1480, die den Rechtsverkehr der Genuesen in Zypern mit ihrer Mutterstadt zum Inhalt haben. A. Nicolaou-Konnari, Diplomatics and Historiography: the Use of Documents in the Chronicle of Leontios Makhairas (293-323), untersucht den ungewöhnlich intensiven Gebrauch von Urkunden in der Chronik des Leontios Machairas; dabei geht sie besonders auf Besonderheiten des Formulars und der notariellen Terminologie ein. Der Vollständigkeit halber wäre es wünschenswert gewesen, in diese Sektion einen vergleichenden Beitrag über die Diplomatik der griechischen Urkunden aus Zypern aufzunehmen und besonders eine Untersuchung über das Phänomen der "Languages in contact", das sich ja, wie Machairas mit Bedauern feststellt (315 f.), auf die Sprache der Zyprioten in hohem Maße ausgewirkt haben soll.

Der dritte Teil Diplomatics and Diplomacy among Byzantium, Islam and the West, ist aus etwas heterogeneren Beiträgen zusammengestellt: K. Smyrlis, The First Ottoman Occupation of Macedonia (ca. 1383 - ca. 1403). Some Remarks on Land Ownership, Property Transactions and Justice, (327-348) untersucht im Wesentlichen anhand von Athosurkunden, in welchem Maße die erste ottomanische Besetzung von Makedonien zu einer Umverteilung des Grundbesitzes führte. M. G. Parani, Intercultural Exchange in the Field of Material Culture in the Eastern Mediterranean: the Evidence of Byzantine Legal Documents (11th to 15th Centuries) (349-371), durchsucht byzantinische Urkunden und Inventare von Kirchen- und Klosterschätzen nach fremdländischen Gegenständen, deren Herkunft durch Bezeichnungen wie 'sarazenisch', 'ägyptisch', 'persich', 'antiochenisch', 'fränkisch', 'venezianisch', 'slavisch', 'serbisch' oder 'russisch' bestimmt wird, oder durch nicht-griechische termini technici wie 'sarout'/ 'saroutin' für Metallikonen oder 'kazaca' für die italienische casacca (weiter Mantel). Man könnte vielleicht noch hinzufügen, dass in dem von ihr zitierten Inventar des Athosklosters Xylourgou auch Straußeneier aufgelistet werden, die bestimmt nicht auf dem heiligen Berg gelegt worden sind. J. Pahlitzsch, Documents on Intercultural communication in Mamlūk Jerusalem: the Georgians under Sultan an-Nāşir Hasan in 759 (1358) (372-394), ediert, übersetzt und kommentiert zwei arabische Verwaltungsurkunden (aus dem Archiv des griechisch-orthodoxen Patriarchats von Jerusalem), die im März und Oktober 1358 zugunsten der Georgier in Jerusalem und ihres Klosters vom Hl. Kreuz ausgestellt worden waren. P. Schreiner, Das vergessene Zypern: das byzantinische Reich und Zypern unter den Lusignan (395-406), behandelt das Verhältnis von Byzanz (später Nikaia) zum Königreich Zypern und seiner im wesentlichen griechischen Bevölkerung. B. Z. Kedar, Religion in Catholic-Muslim Correspondence and Treaties (407-421), analysiert subtil den Stil der diplomatischen Korrespondenzen zwischen katholischen und islamischen Staaten (für die Zeit zwischen dem 10. und 13. Jahrhundert) unter dem Aspekt der diplomatischen Spielarten im Gebrauch der unterschiedlichen religiösen Terminologien, besonders in den Intitulationes und Inscriptiones. Der Band schließt mit dem Aufsatz von M. Balivet, Élites byzantines, latines et musulmanes: quelques exemples de diplomatie personnalisée (Xe-XVe siècles) (423-437), der eine Anzahl gebildeter byzantinischer, lateinischer, arabischer und türkischer Autoren von Nikolaos Mystikos bis Nikolaus von Kues und Georgios von Trapezunt vorstellt, die in ihren Schriften zivile oder gar freundschaftliche Beziehungen von Vertretern der verschiedenen Religionen zueinander beschreiben; eine Haltung, die von ihren weniger elitären Mitbürgern wohl selten geteilt wurde.

Auf jeden Fall muss man den Herausgebern und den Verfassern der einzelnen Artikel danken für diesen vielseitigen und informativen Band, der ein wichtiger Beitrag zur mittelalterlichen Geschichte und Kulturgeschichte des östlichen Mittelmeerraums ist.

Vera von Falkenhausen