Martina Fuchs / Orsolya Réthelyi (Hgg.): Maria von Ungarn (1505-1558). Eine Renaissancefürstin (= Geschichte in der Epoche Karls V.; Bd. 8), Münster: Aschendorff 2007, 416 S., ISBN 978-3-402-06577-8, EUR 54,00
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Vor zwei Jahren konstatierte Christine Roll an dieser Stelle ein ungebrochenes Interesse an der Person und Zeit Karls V., das seit der im Jahr 2000 gefeierten Wiederkehr seines 500. Geburtstages anhalte. [1] Gleiches gilt - wenn auch in geringerem Maß - für die jüngeren Geschwister des Habsburgers, deren Jubiläen im Abstand weniger Jahre gefeiert wurden: Nach Ferdinand (2003) wurde Maria 2005/2006 mit Ausstellungen und Kolloquien geehrt, die an ihren Wirkungsorten in Budapest bzw. Bratislava sowie in Mariemont und Binche stattfanden. [2]
Mit dem hier anzuzeigenden Band liegt nun ein Teil des wissenschaftlichen Ertrags dieses Jubiläumsjahres vor. Erschienen in der Reihe "Geschichte in der Epoche Karls V." und herausgegeben von Orsolya Réthelyi und Martina Fuchs versammelt er die Beiträge der Budapester Tagung. Ergänzt wird er durch den bereits 2005 publizierten Budapester Ausstellungskatalog [3] sowie durch die erst kürzlich veröffentlichten Akten des Kolloquiums in Mariemont. [4] Zusammengenommen vereinen diese drei Bände um die 50 Beiträge in englischer, deutscher und französischer Sprache. Damit bieten sie nicht nur eine Gesamtschau der jüngeren Forschung zu Maria von Ungarn, sondern bezeugen zugleich die Bemühungen um einen internationalen Austausch.
Die traditionell in vielen Ländern vorangetriebene Erforschung des Hauses Österreich ist gewissermaßen ein Echo auf die Größe des weite Teile Europas und der Welt umspannenden Habsburgerreichs. Dass die lange Zeit lediglich nebeneinander her laufenden Forschungen nun verstärkt miteinander verbunden werden, ist erfreulich, denn Internationalität scheint für eine zeitgemäße Habsburgerforschung unerlässlich zu sein. Eine internationale Beiträgerliste allein reicht dafür jedoch nicht aus. Vielmehr bedarf es, um über eine bloße Aneinanderreihung verschiedener Forschungsergebnisse hinauszukommen, auch einer Verständigung über Fragestellungen, Forschungsansätze und Methoden.
Diesen Herausforderungen hat sich der hier zu besprechende Sammelband nur bedingt gestellt. So verzichten Gernot Heiss und Orsolya Réthelyi in ihrem einführenden Beitrag auch darauf, ein übergeordnetes Erkenntnisinteresse zu formulieren. Sie bieten nicht mehr und nicht weniger als einen profunden Überblick über die Forschung zu Maria von Ungarn, aus dem sich ersehen lässt, dass sich die meisten jüngeren Studien im Rahmen der Hof- und Residenzforschung bewegen. Deren Themen ist erkennbar auch die Zusammenstellung des Sammelbandes verpflichtet, wenngleich die Herausgeberinnen sich dagegen entschieden haben, die von ihnen zugrunde gelegten Schwerpunkte in einer Gruppierung der Beiträge offen zu legen. So reihen sich die immerhin 25 Aufsätze ohne jede Zwischenüberschrift aneinander.
Den Anfang machen zwei Beiträge zu Marias Position innerhalb der Habsburgerdynastie: Enikő Spekner berichtet über die habsburgisch-jagiellonischen Heiratsverträge und Laetitia Gorter-van Royen über Marias Korrespondenz mit ihren Brüdern. Verschiedene Funktionsträger der ungarischen Monarchie zur Zeit Ludwigs II. und Ferdinands I. stehen im Mittelpunkt der folgenden drei Beiträge. So beschreibt Zoltán Csepregi die Beziehungen der drei Brandenburger Kasimir, Georg und Albrecht zum ungarischen Königshof; am Beispiel Stephan Brodarics' und Tamás Szalaházys beleuchten Péter Kasza und István Fazekas die Lage der ungarischen Magnaten nach Mohács. Die an der Seite Ludwigs II. in die Schlacht gezogenen böhmischen Adligen listet Antonín Kalous auf der Grundlage einer wiederentdeckten vatikanischen Quelle auf - und unternimmt dabei keinerlei Anstrengungen, einen direkten Bezug zu Maria von Ungarn herzustellen.
Vier darauf folgende Beiträge befassen sich mit Marias ungarischem Grundbesitz. Zunächst stellt Katalin Szende Marias Beziehungen zu den westungarischen Städten dar, József Bessenyei widmet sich der in ihrem Besitz befindlichen Burg Diósgyőr, Márton Gyöngyössy geht auf Marias Einfluss auf die Kremnitzer Münzprägung ein, und István Kenyeres trägt Informationen zur Verwaltung und zu den Erträgen der ungarischen Besitzungen Marias bis zum Jahr 1548 zusammen. Aus der Reihe fallen hier die Ausführungen István H. Némeths zum oberungarischen Städtebund zwischen 1526 und 1536, da sie kaum auf Maria eingehen.
Die Hofhaltung Marias bzw. Ferdinands nehmen die drei folgenden Aufsätze in den Blick: Jacqueline Kerkhoff vergleicht den Hofstaat Marias während ihrer verschiedenen Lebensphasen als Braut, Königin und Statthalterin miteinander. Orsolya Réthelyi rekonstruiert die Anfänge der Ofener Hofhaltung Maria von Ungarns, und Géza Pálffy widmet sich der prekären Lage des ungarischen Hofadels nach dem Tod Ludwigs II. Danach greifen Markus Hein und Rudolf Keller die vieldiskutierte Frage nach Marias Stellung zur Reformation auf, wobei Hein den Einfluss der Deutschen in Ungarn hervorhebt und Keller den Briefwechsel zwischen Maria und Luther unter die Lupe nimmt. Allerdings lässt sich auch auf diese Weise das Rätsel über Marias Neigung zum Protestantismus nicht lösen.
Die anschließenden Ausführungen Martin Rothkegels zum Briefwechsel des humanistischen Olmützer Bischofs Stanislaus Thurzó und Gábor Farkas Kiss' zur humanistischen Dramendichtung am Wiener und Ofener Hof ergänzen den Sammelband um eine weitere, aber verzichtbare Facette, beziehen sie sich doch kaum auf Maria. Das gilt glücklicherweise nicht für den Beitrag Elisabeth Kleckers, die Marias Bild in der lateinischen Huldigungsliteratur an Beispielen aus den Jahren 1515 und 1526 untersucht. Einen anregenden Kontrast zu den von Klecker gewonnenen Ergebnissen bieten die nachfolgenden Überlegungen Martina Fuchs' über Maria von Ungarn in der deutschsprachigen Belletristik des 19. und 20. Jahrhunderts. Besonders aufschlussreich wäre freilich ein Vergleich mit der ungarischen und französischsprachigen Romanproduktion dieser Zeit gewesen.
Drei weitere Beiträge beschäftigen sich mit musik- und kunstgeschichtlichen Fragen: Während Károly Magyar die Architektur der Ofener und Prager Burg zu Beginn des 16. Jahrhunderts rekonstruiert, befasst sich Árpád Mikó mit dem Wirken italienischer Künstler in Ungarn zur Zeit Ludwigs II. und Marias, kann aber keine Förderung durch das Königspaar nachweisen. Peter Királys Ausführungen über Marias Verhältnis zur Musik schließlich spannen den Bogen von ihrem eigenen Musizieren über die von ihr beschäftigten Hofmusiker bis zu einem ihr zugeschriebenen Lied.
Der Band endet mit einem Beitrag von András Kubinyi über den Stand der ungarischen Maria-Forschung, der zugleich die vorangegangenen Aufsätze rezensionsartig zusammenfasst und einordnet. Mit den von ihm abschließend aufgezeigten Desiderata weist Kubinyi zukünftigen Untersuchungen den Weg, allerdings ohne auf einen Forschungsansatz einzugehen, dessen weitgehende Vernachlässigung dann doch erstaunt: die Geschlechtergeschichte. Damit bestätigt Kubinyi die von der Herausgeberin Orsolya Réthelyi in ihrem eigenen Beitrag (222) konstatierte geringe Beachtung geschlechtergeschichtlicher Fragestellungen in der ungarischen Forschung und gibt indirekt auch eine Erklärung dafür, warum der gesamte Band nicht stärker an bereits vorliegende Ergebnisse der Geschlechtergeschichte anknüpft.
So bleibt es dem/r Leser/in überlassen, die reichlich vorhandenen Detailinformationen über die Handlungsspielräume einer "Renaissancefürstin" selbst zusammenzufügen. Höchst aufschlussreich sind etwa die Ausführungen über Marias Strategien politischer Einflussnahme, denen Gorter-van Royen nachspürt und die Csepregi in einer geheimen Gesandtschaft (68) nachweisen kann. Ebenso lesenswert sind die Schilderungen von Szende, wie Maria sich als "selbständig denkende, reife Politikerin" (119) gegenüber ihrem Bruder Ferdinand für die Belange der westungarischen Städte einsetzte. Dass sie sich zudem als Witwe darum bemühte, ihre als Königin erworbenen Rechte und Besitzungen in Ungarn zu erhalten, führen Bessenyei, Gyöngyössy und Kenyeres eindrucksvoll vor Augen. Kerkhoffs und Réthelyis Ergebnisse fügen sich nahtlos an die Forschungen zum "Frauenzimmer" [5] an und werden von Pálffy noch in einigen Details (249) ergänzt. Von Klecker und Fuchs ist manches über die Konstruktion von Geschlechterrollen in literarischen Texten zu erfahren, während bei Keller und Király Religion, musische Betätigung und Mäzenatentum als Handlungsspielräume aufscheinen.
Trotz seiner Schwächen vermag der Sammelband also doch Wichtiges über die "Renaissancefürstin" Maria von Ungarn zu sagen. Dass damit - wie Heiss und Réthelyi es formulieren - "künftige, fruchtbringende Dialoge und Kooperationen" (23) angeregt werden, ist zweifellos wünschenswert. Insbesondere aber ist zu hoffen, dass der internationale Austausch die Aufgeschlossenheit gegenüber neuen Fragestellungen erhöht, damit tatsächlich, so Kubinyi abschließend, "jedem neue Gedanken kommen" (412).
Anmerkungen:
[1] Christine Roll: Karl V. und die Politik seiner Zeit. Einführung, in: sehepunkte 7 (2007), Nr. 4, URL: http://www.sehepunkte.de/2007/04/forum/karl-v-und-die-politik-seiner-zeit-32/
[2] Tagung "Maria von Ungarn. Eine europäische Persönlichkeit zu Anbruch der Neuzeit", Budapest Történeti Múzeum, 13.-15.10.2005; Tagung "Marie de Hongrie. Politique, art et culture pendant la Renaissance aux Pays-Bas", Musée royal de Mariemont, 11.-12.11.2005; Ausstellung "Mary of Hungary. The queen and her court 1521-1531", Budapest Történeti Múzeum, Budapest, 30.09.2005-9.01.2006; Slovenská národna galéria, Bratislava, 02.02.-30.04.2006; Ausstellung "Marie de Hongrie, pouvoir et passions d'une reine", Binche, 25.03.-30.04.2006.
[3] Mary of Hungary. The queen and her court 1521-1531, hg. von Orsolya Réthelyi, Budapest 2005.
[4] Marie de Hongrie. Politique et culture sous la Renaissance aux Pays-Bas (= Monographies du Musée royal de Mariemont; 17), hg. von Bertrand Federinov / Gilles Docquier, Mariemont 2009.
[5] Das Frauenzimmer. Die Frau bei Hofe in Spätmittelalter und Früher Neuzeit (= Residenzenforschung; 11), hg. von Jan Hirschbiegel / Werner Paravicini, Stuttgart 2000.
Julia A. Schmidt-Funke