Christian Welzbacher: Edwin Redslob. Biografie eines unverbesserlichen Idealisten, Berlin: Matthes & Seitz 2009, 544 S., ISBN 978-3-88221-734-6, EUR 34,90
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Das Leben und Wirken von Edwin Redslob wurde bislang vor allem in Hinblick auf seine Tätigkeit als Reichskunstwart in der Weimarer Republik betrachtet. [1] Dieses Amt, das zunächst nur ein gutes Jahrzehnt Bestand hatte, besitzt seit der Einrichtung eines Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien vor elf Jahren neue Aktualität. Während der erste Amtsinhaber, Michael Naumann (SPD), in seiner dreijährigen Amtsperiode für viel Aufsehen sorgte und sich in zahlreiche Debatten einmischte, pflegt sein derzeitiger Nachfolger, Bernd Neumann (CDU), einen dezenteren Stil und ist vielleicht deshalb schon länger als alle Vorgänger im Amt. Auch Redslob hat zwischen den Stühlen der Reichs- und Ländergesetze von 1919 bis 1933 ausgeharrt, erschwert wurde seine Arbeit zudem durch rasch wechselnde Regierungen. Erst jüngst haben sich zwei umfassende Studien den komplexen Vorgängen um die geplante Errichtung eines Reichsehrenmales bei Bad Berka sowie der Kunstpolitik des preußischen Kultusministeriums von 1918 bis 1932 gewidmet [2], doch die Aktivitäten Redslobs vor und nach der Weimarer Republik blieben bisher unterbelichtet. Diese Lücke schließt Welzbacher nun mit der vorliegenden Publikation.
Die Argumentation folgt, hierin dem klassischen Schema der Biografie verpflichtet, der Chronologie der Ereignisse und ist in sechs große Etappen unterteilt. Die Lebensspanne Redslobs umfasst dabei den Zeitraum von 1884 bis 1973 und spiegelt anschaulich das Erleben eines dreifachen Epochenumbruchs in der deutschen Geschichte, des von 1918, 1933 und 1945. Daran orientiert sich weitgehend auch die Kapitelgestaltung, denn diese Einschnitte waren ebenfalls maßgebliche in Rebslobs Leben und Wirken. Die ersten beiden beschäftigen sich mit der Kindheit und Jugend in Weimar, dem Studium in Heidelberg sowie dem ersten Jahrzehnt als Museumsmitarbeiter bzw. Direktor in Nürnberg, Aachen, Bremen, Erfurt und Stuttgart. Welzbacher arbeitet zunächst den bildungsbürgerlichen Hintergrund und die große Bedeutung des klassischen Weimarer Erbe für den jungen Redslob heraus. Eingehend beschreibt er dann die Spannung, die zwischen seinem chauvinistisch argumentierenden akademischen Lehrer, Henry Thode, und der eigenen Begeisterung für die internationale Moderne entstand. Letztere sollte auch die Museumsarbeit prägen, wo Redslob allmählich wesentlicher Teil eines "Netzwerks der Moderne" (111) wurde.
Diesem verdankte er schließlich auch den neu eingerichteten Posten des Reichskunstwarts, den er im Dezember 1919 antrat. In den folgenden beiden Kapiteln geht es um seine Arbeit am kulturellen Profil der ersten deutschen Demokratie, wobei Welzbacher deutlich den letztlich geringen Handlungsspielraum Redslobs auslotet. Ob man den lang währenden Flaggenstreit, die unergiebigen Diskussionen mit Reichspost und Reichsbank wegen der Gestaltung von Briefmarken und Banknoten oder die endlosen Debatten um das Reichsehrenmal bei Bad Berka betrachtet, Redslobs Arbeit wurde von vielen Seiten torpediert. Er versuchte zu vermitteln, geriet dabei jedoch zwischen die politischen Lager und Parteien, die gerade über symbolpolitische Fragestellungen hartnäckig stritten. Vor allem mit der Ausrichtung staatlicher Feiern sollte Redslob aber das Leben der Weimarer Republik prägen, die allerdings ebenfalls regelmäßig zum Stein des Anstoßes für die Konservativen wurden.
Ausgesprochen aufschlussreich sind die letzten beiden Abschnitte, die sich mit dem "Dritten Reich" und der Zeit nach 1945 auseinandersetzen. Hier zeigt Welzbacher einmal mehr seinen kritischen Blick auf das Geschehen, indem er die spätere Selbstdeutung Redslobs als "Antifaschist" gründlich hinterfragt. Unbestritten sind dessen Meriten für die junge Bundesrepublik, die er als Mitherausgeber des "Tagesspiegels" und durch sein Engagement bei der Gründung der Freien Universität maßgeblich mitgestaltete. Doch scheint es angesichts der jüngsten disziplingeschichtlichen Erforschung der Kunstgeschichte im Nationalsozialismus angemessen, auch im Falle Redslobs einmal näher hinzusehen. [3] Bereits im Februar 1933 hatte er sein Amt verloren, als die von ihm vertretene Position in dieser Form wieder abgeschafft wurde. "Redslob lockerte", so resümiert Welzbacher die eigenen Forschungen, "seine moralische Integrität gegenüber der Republik in kürzester Zeit." (234) Obwohl vorerst durch ein komfortables Ruhegehalt finanziell gesichert, diente er sich den neuen Machthabern an. Welzbacher wertete unter anderem kulturgeschichtliche Schriften wie "Des Reiches Straße" (1. Aufl. 1939) oder den bibliophilen Privatdruck "Goethes Begegnung mit Napoleon" (1944) aus. Erstere geriet zum Bekenntnisbuch der neuen Weltordnung unter Deutschlands Führung und wurde während des Krieges mehrfach neu aufgelegt, letzterer erregte selbst die Aufmerksamkeit Himmlers, der einen Nachdruck von 1000 Exemplaren für die Waffen-SS orderte. Nach Kriegsende stilisierte Redslob sich dann, wie Welzbacher ausführlich zeigen kann, zum "Antifaschisten" und 1949 sogar zum "Widerstandskämpfer" (378).
Damit erweist sich sein Leben als exemplarisch für die deutsche Geschichte: Redslob war mit Sicherheit kein "Täter", aber doch ein publizistisch agierender Mitläufer. Welzbacher attestiert ihm deshalb "ein erhebliches Potenzial zum Opportunismus" (235), auch darin war Redslob kein Einzelfall. Das in aller Deutlichkeit herausgearbeitet zu haben, ist das Verdienst dieser Studie. Mit ihr ist ein weiterer wichtiger Baustein zu einer Geschichte der Kunstgeschichte und ihrer Vertreter im 20. Jahrhundert gelegt worden.
Anmerkungen:
[1] Annegret Heffen: Der Reichskunstwart. Kunstpolitik in den Jahren 1920-1933. Zu den Bemühungen um eine offizielle Reichskunstpolitik in der Weimarer Republik, Essen 1986; Gisbert Laube: Der Reichskunstwart. Geschichte einer Kulturbehörde 1919-1933, Frankfurt am Main 1997.
[2] Henrik Hilbig: Das Reichsehrenmal bei Bad Berka. Entstehung und Entwicklung eines Denkmalprojekts der Weimarer Republik, Aachen 2006; Kristina Kratz-Kessemeier: Kunst für die Republik. Die Kunstpolitik des preußischen Kultusministeriums 1918 bis 1932, Berlin 2008.
[3] Kunstgeschichte im Nationalsozialismus. Beiträge zu einer Wissenschaft zwischen 1930 und 1950, hg. von Nikola Doll u.a., Weimar 2005; Kunstgeschichte nach 1945. Kontinuität und Neubeginn in Deutschland, hg. von Nikola Doll u.a., Köln 2006.
Sabine Fastert