Rezension über:

Johannes Arndt: Der Dreißigjährige Krieg 1618-1648 (= Reclams Universal-Bibliothek; Nr. 18642), Stuttgart: Reclam 2009, 255 S., ISBN 978-3-15-018642-8, EUR 6,00
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Rezension von:
Michael Rohrschneider
Historisches Seminar, Universität zu Köln / Fachbereich Geschichte, Universität Salzburg
Redaktionelle Betreuung:
Julia A. Schmidt-Funke
Empfohlene Zitierweise:
Michael Rohrschneider: Rezension von: Johannes Arndt: Der Dreißigjährige Krieg 1618-1648, Stuttgart: Reclam 2009, in: sehepunkte 10 (2010), Nr. 1 [15.01.2010], URL: https://www.sehepunkte.de
/2010/01/16641.html


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Johannes Arndt: Der Dreißigjährige Krieg 1618-1648

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Mit diesem ausgesprochen preisgünstigen Buch hat Johannes Arndt eine Monografie zum Dreißigjährigen Krieg vorgelegt, deren erklärte Zielgruppe, ein breites Publikum, diese Gesamtdarstellung des Geschehens von 1618 bis 1648 sicherlich dankbar rezipieren wird. Der Verfasser hat nämlich, wie er einleitend betont, bewusst auf einen "extravaganten Ansatz, der die Lektüre vieler anderer Studien zum Thema voraussetzt, um verstehbar zu sein" (12), verzichtet. Vielmehr bemüht er sich, die Komplexität des Großen Krieges so zu schildern, dass sie für breitere Leserkreise anschaulich wird.

Arndt verfährt, wie er selbst betont (12), nach einem konventionellen Schema: Der erste Teil "Strukturen" stellt die Voraussetzungen und die konkrete Vorgeschichte des Krieges dar; der zweite Teil "Ereignisse" enthält eine in weiten Teilen am chronologischen Ablauf orientierte Schilderung der Kriegsereignisse 1618 bis 1648, wobei auch der Westfälische Friedenskongress und die Genese des Westfälischen Friedens angemessen berücksichtigt werden; der dritte Teil schließlich rückt die Frage der spezifischen "Wahrnehmungen" des Krieges ins Zentrum der Darstellung. Dieses methodische Vorgehen erweist sich insgesamt gesehen als angemessen, denn es ermöglicht, chronologische und strukturelle Betrachtungsweisen gewissermaßen komplementär einzusetzen.

Die beiden ersten Hauptteile schildern ganz im Stile der einschlägigen Standardwerke die Entstehung und den Verlauf des Kriegsgeschehens, ohne dass der Leser dabei auf größere Überraschungen stößt. Arndt wählt in diesen Kapiteln in der Tat eine vergleichsweise konventionelle Darstellungsart, die man in ähnlicher Weise auch in der einen oder anderen älteren Darstellung finden kann.

Etwas anders verhält es sich hingegen mit dem dritten Teil. Unter dem Eindruck der neueren kulturgeschichtlich geprägten Forschung zeichnet der Verfasser hier ein eindringliches Bild der konkreten Lebenswelten der Menschen, die mit dem Krieg leben mussten oder - als Soldaten - von ihm gelebt haben. Nach Überzeugung des Rezensenten ist dieser dritte Teil der reizvollste der gesamten Darstellung, denn Arndt vermag sich in diesen Passagen von den Zwängen zu lösen, die ihm - gerade im zweiten Hauptteil - die Chronologie der Ereignisse vorgegeben hat, was dem Leser tiefe Einblicke in den Kriegsalltag der Betroffenen ermöglicht. Ausführlich geht Arndt zum Beispiel auf das von Jan Peters edierte, in den letzten Jahren breit rezipierte Tagebuch aus der Zeit des Dreißigjährigen Krieges ein, das dem Söldner Peter Hagendorf zugeschrieben wird. [1]

Im Hinblick auf den wissenschaftlichen Apparat muss der Benutzer freilich Abstriche machen, denn dem Verlag und dem Autor ging es ganz augenscheinlich in erster Linie nicht darum, möglichst vollständig den gegenwärtigen Stand der Forschung zu dokumentieren; dies hätte den zur Verfügung stehenden Raum zweifelsohne gesprengt. Vielmehr zielt Arndts Buch auch und gerade auf den historisch Interessierten ab, der sich kurz und knapp über den Krieg informieren möchte. Insofern verwundert es etwas, dass weder eine Zeittafel noch Abbildungen oder Karten enthalten sind, denn gerade dies hätte doch erheblich zu einer größeren Veranschaulichung des komplexen Geschehens beigetragen.

In redaktioneller Hinsicht sind einige Nachlässigkeiten zu konstatieren, die bei einer Neuauflage korrigiert werden sollten: So wird aus der HZ die "Historische Zeitung" (23 und 26); an zwei Stellen taucht der Autor Gerhard Schormann mit falschem Vornamen auf (10 und 242); im knappen Quellen- und Literaturverzeichnis wird generell auf die Acta Pacis Westphalicae (APW) verwiesen, um dann im Folgenden einen Band dieses Editionsunternehmens separat aufzuführen (und zwar eingeordnet unter den Namen der beiden Bearbeiterinnen Elke Jarnut und Rita Bohlen), ohne diesen Band als Bestandteil der APW kenntlich zu machen, und ohne dass ersichtlich wird, weshalb gerade dieser Band der APW gesondert aufgeführt wird.

Die Fußnoten vermögen nicht immer zu überzeugen. Zwar leuchtet es ein, dass mit Blick auf ein breiteres Lesepublikum auf eine größere Anzahl von Anmerkungen verzichtet worden ist, doch ist die Auswahl der angeführten Belege in einigen Fällen zu hinterfragen. So ist nicht plausibel, weshalb der Leser im Kontext der Schilderung von Richelieus Werdegang gerade auf Moriz Ritters "Deutsche Geschichte im Zeitalter der Gegenreformation und des Dreißigjährigen Krieges" (erschienen 1889-1908) verwiesen wird (85); ein kurzer Hinweis auf eine der neueren Richelieu-Biografien wäre hier zweifellos zweckdienlicher gewesen. Auch der im Zuge der Schilderung der Übertragung der pfälzischen Kurwürde auf Maximilian von Bayern vorgenommene Verweis (66) auf die ebenfalls bei Reclam erschienene Quellensammlung von Bernd Roeck und auf den dort gekürzten Abdruck des Münchener Vertrags vom 8. Oktober 1619 zwischen Kaiser Ferdinand II. und dem Bayernherzog ist recht unbefriedigend, liest man bei Roeck doch zu Recht ausdrücklich, dass im Münchener Vertrag kein Wort zur Kurtranslation enthalten ist. [2]

Diese Detailkritik soll jedoch nicht überdecken, dass es Arndt insgesamt gesehen gut gelungen ist, den schwierigen Balanceakt zwischen einer Darstellung, die wissenschaftlichen Ansprüchen genügt, und einer Erzählweise, die vor allem auch an dem Kriterium der Attraktivität für breitere Leserkreise orientiert ist, zu bewältigen. Arndts Geschichte des Dreißigjährigen Krieges ist gut lesbar und enthält gerade im dritten Teil aufschlussreiche Partien, die deutlich erkennbar werden lassen, in welchen zuvor weniger oder gar nicht beachteten Bereichen die jüngere Frühneuzeitforschung substanzielle Fortschritte erzielt hat, die weit über das hinausgehen, was die ältere Historiografie zu leisten vermochte. Leser, die einen einführenden Zugang zum Dreißigjährigen Krieg suchen, werden also mit der Monografie Arndts sicherlich auf ihre Kosten kommen.


Anmerkungen:

[1] Jan Peters (Hg.): Ein Söldnerleben im Dreißigjährigen Krieg. Eine Quelle zur Sozialgeschichte (= Selbstzeugnisse der Neuzeit; Bd. 1), Berlin 1993.

[2] Bernd Roeck (Hg.): Gegenreformation und Dreißigjähriger Krieg 1555-1648 (= Deutsche Geschichte in Quellen und Darstellungen; Bd. 4), Stuttgart 1996, 208-213.

Michael Rohrschneider