Elke Hartmann: Frauen in der Antike. Weibliche Lebenswelten von Sappho bis Theodora (= Beck'sche Reihe; Nr. 1735), München: C.H.Beck 2007, 278 S., 14 s/w-Abb., ISBN 978-3-406-54755-3, EUR 12,95
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Frauen in der Antike. Seit Pomeroys "Frauenleben im klassischen Altertum" sind nun wahrlich nicht wenige deutsch- und fremdsprachige Arbeiten zu diesem Thema erschienen [1], sodass man sich zunächst fragt, ob denn noch ein einführendes Überblickswerk wirklich notwendig ist. Nach der Lektüre muss man sagen: Ja, es hat sich gelohnt.
Der Untertitel "Weibliche Lebenswelten von Sappho bis Theodora" lässt auf den ersten Blick erwarten, dass sich das Buch hauptsächlich an Biografien entlang entwickelt. Der Leser wird erfreulicherweise enttäuscht. Dabei bietet es sich z.B. gerade für die römische Kaiserzeit an, die einzelnen weiblichen Mitglieder des Kaiserhauses durchzudeklinieren. Die antiken Berichte über "sex and crime" bei den Kaiserinnen mögen das Lesevergnügen steigern, über die Frauen erfahren wird dadurch eher wenig, was Hartmann sehr deutlich anspricht. Dies wird manchem Leser nicht gefallen, denn am Ende steht oft die Erkenntnis, dass wir über eine in den Quellen vermeintlich ausführlich belegte Frau kaum wirklich etwas wissen, dafür aber um so mehr über die Darstellungsabsicht des antiken Autors: "Diese mageren Angaben sind alles, was über ihr [Clodias] Leben bekannt ist [...]. Aber unter einer veränderten Perspektive ist gerade die Rede Ciceros mit den drastischen Bemerkungen über Clodias Lebensstil aufschlussreich: Sie gewährt Einblick in die damaligen Methoden der forensischen Rhetorik und verrät viel über zeitgebundene Moralvorstellungen und Geschlechterbilder." (148f.)
Die Kapitel folgen grundsätzlich der Chronologie der Antike, sind teils aber auch thematisch angelegt. Entgegen der Ankündigung im Untertitel startet das erste Kapitel mit Homer. Jedes Kapitel beginnt mit einem passenden Quellenzitat, im Anschluss daran folgen meist Informationen über die antiken Autoren. Sämtliche Hintergrundinformationen, die Grundsätzliches zur Antike bieten, um das einordnen zu können, was für das Verständnis der Kapitel notwendig ist, hält Hartmann gleichzeitig so ausführlich, dass der Laie problemlos folgen kann, und so knapp, dass der Kundige nicht gelangweilt wird.
Das Buch präsentiert keine revolutionären neuen Deutungen, verfolgt aber eine klare Linie: Einerseits macht Hartmann die "Konstruktion von Frauenbildern in der literarischen Tradition" (208) deutlich. Als ein Beispiel sei hier das Kapitel zu Messalina genannt. Laut Hartmann ging es Tacitus vor allem darum, "die Handlungsunfähigkeit des Kaisers aufzuzeigen. Dies offenbart sich am deutlichsten darin, dass nicht er, sondern sein Freigelassener die entscheidenden Aktionen ausführt. [...] Über den Charakter und die konkreten Lebensbedingungen der historischen Person lässt sich anhand dieser Überlieferung wenig aussagen." (167f.) Messalina und Narcissus dienen also in erster Linie dazu, Schwäche und Beeinflussbarkeit des Claudius zu demonstrieren. Mancher wird sich vielleicht an der 'ergebnisarmen' Quelleninterpretation in Bezug auf die Frau stören. So bietet z.B. die wahnsinnige 'Hochzeit' Messalinas mit Silius die Möglichkeit, sie 'rational' zu deuten [2], wie dies in jüngster Zeit bei 'irrationalen' Handlungen von Tyrannen wie Caligula versucht wurde. [3]
Der zweite rote Faden ist die Rekonstruktion der "'weiblichen Lebenswelten' - verstanden als Handlungsspielräume von Frauen und die Formen ihrer sozialen Integration oder Exklusion" (208). Seien es Heirat und Ehe bzw. Zusammenleben oder die Rolle in der Religion (bis hinein ins Christentum): Hartmann strebt auch hier lieber auf dem - zugegeben - schmalen Pfad der verlässlicheren allgemeingültigen Aussagen dem Ziel entgegen, als sich in Nebenwegen und Sackgassen von Anekdoten zu verlaufen. So kann man zwar heute ein durchschnittliches Heiratsalter statistisch ermitteln und daraus soziologische Folgerungen schließen, für die Antike fehlt uns aber umfangreicheres Datenmaterial. Zudem bringt uns ein auf Basis des geringen Quellenmaterials ermitteltes durchschnittliches Heiratsalter keinen wirklichen Erkenntnisgewinn, wenn wir in einem anderen konkreten Einzelfall das Heiratsalter nicht kennen.
Ob man nun tatsächlich glaubt, dass die Hausherrinnen der homerischen Helden tatsächlich selbst am Webstuhl saßen (22f.) oder ob das nicht wie später bei Augustus, der angeblich nur die selbstgewebten Kleider seiner Frau, seiner Schwester, seiner Tochter und seiner Enkelinnen trug [4], ein Idealbild war; dass bei "der Charakterisierung Fulvias als grausamer 'Furie' [...] zu beachten [ist], dass die Berichte über diese Frau auf der gegen Antonius gerichteten Propaganda Ciceros und Octavians beruhen" (156), aber die unerwähnt gebliebenen, mit Verwünschungen gegen Fulvia beschriebenen Wurfgeschosse aus dem Perusinischen Krieg [5] ein deutliches Zeichen dafür sind, dass nicht alles 'Propaganda' ist; dass man sich nicht nur im Zusammenhang mit der dextrarum iunctio ein Bild gewünscht hätte. All das sind Haare in der Suppe, die man mit der Lupe suchen muss. Der Aufbau in 16 Kapitel lässt sich fast auf ein Semester übertragen und mit diesem Buch als Ausgangspunkt haben Dozent und Studenten ein vortreffliches Lehrbuch an der Hand: Quellenbelege und Literaturverzeichnis, dazu eine gute Einführung in die Quellenkritik. Der Rezensent wird es in einem kommenden Semester gerne einmal ausprobieren.
Anmerkungen:
[1] Genannt seien nur als Beispiel aus dem deutschsprachigen Bereich Wolfgang Schuller: Frauen in der griechischen und römischen Geschichte, Konstanz 1995 (Konstanzer Bibliothek 25; Sonderband) und (mehr mit Einzelfallstudien arbeitend): Frauenwelten in der Antike. Geschlechterordnung und weibliche Lebenspraxis; mit 162 Quellentexten und Bildquellen, hg. von Thomas Späth / Beate Wagner-Hasel, Stuttgart/Weimar 2000.
[2] Vgl. Garrett G. Fagan: Messalina's folly. CQ N.S. 52 (2002), 566-579; F. Cenerini: Messalina e il suo matrimonio con C. Silio, in: A. Kolb (Hg.): Augustae. Machtbewusste Frauen am römischen Kaiserhof? Herrschaftsstrukturen und Herrschaftspraxis II. Akten der Tagung in Zürich 18.-20.9.2008, Berlin 2010, 179-191.
[3] Vgl. A. Winterling: Caligula. Eine Biographie, München 2003.
[4] Suet. Aug. 73.
[5] CIL XI 6721, 3-5; 14.
Stefan Priwitzer-Greiner