Rezension über:

Kerstin Schäfer: Der Fürstenaufstand gegen Karl V. im Jahr 1552. Entstehung, Verlauf und Ergebnis - vom Schmalkaldischen Krieg bis zum Passauer Vertrag, Taunusstein: Driesen 2009, 224 S., ISBN 978-3-86866-110-1, EUR 29,00
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Rezension von:
Jan Martin Lies
Akademie der Wissenschaften und der Literatur, Mainz
Redaktionelle Betreuung:
Johannes Wischmeyer
Empfohlene Zitierweise:
Jan Martin Lies: Rezension von: Kerstin Schäfer: Der Fürstenaufstand gegen Karl V. im Jahr 1552. Entstehung, Verlauf und Ergebnis - vom Schmalkaldischen Krieg bis zum Passauer Vertrag, Taunusstein: Driesen 2009, in: sehepunkte 10 (2010), Nr. 7/8 [15.07.2010], URL: https://www.sehepunkte.de
/2010/07/17859.html


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Kerstin Schäfer: Der Fürstenaufstand gegen Karl V. im Jahr 1552

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Die Arbeit von Kerstin Schäfer zum Fürstenaufstand im Jahr 1552 lässt sich in zwei Teile gliedern. Der weitaus größere erste Teil umfasst die Darstellung der Ereignisse, während der zweite Teil als eine Art Anhang zu bezeichnen ist, in dem sich fünf Lebensskizzen von fürstlichen Widersachern Karls V. finden lassen. Bei der Arbeit von Schäfer handelt es sich um eine Magisterarbeit, die im Wintersemester 2002/03 an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg eingereicht wurde. Insgesamt stellt die Arbeit daher eine solide Wiedergabe der Forschung dar und ist nicht Ausfluss eigener Archivrecherche.

Der erste Teil beginnt mit einer Einleitung, in der der Untersuchungsgegenstand geklärt, die eigenen Untersuchungsziele festgelegt und die Quellen- und Literaturlage kurz dargelegt werden. Eine sich an diese grundlegenden Fragen anschließende Einführung in die Ereignisse vor 1546 hätte durchaus mehr Raum einnehmen dürfen, um die Voraussetzungen noch klarer zu veranschaulichen.

Die eigentliche Darstellung beginnt mit der Ergründung der Motivation zur Bildung einer fürstlichen Allianz gegen Karl V. Hier werden die bereits vor 1546 bestehenden Oppositionsbestrebungen kurz dargestellt (es fehlt die Allianz Philipps von Hessen mit Frankreich aus dem Jahr 1534) und dann der Schmalkaldische Krieg sowie dessen Folgen erläutert, wobei der Reichstag von 1548 besonders im Blickfeld der Autorin liegt. Vor allem die Bestrebung Karls V., einen Reichsbund zu gründen, wird als Hauptgrund der Opposition wahrgenommen. Damit werden die fürstlichen Befürchtungen vor einer Universalmonarchie des Kaisers kenntlich gemacht. Die von der Autorin im Einleitungsteil schon angelegte Fokussierung auf die Handlungen Moritz' von Sachsen (11-16) macht sich hier bereits bemerkbar. Zwar ist der Rahmen einer Magisterarbeit eng gesteckt, doch für die Drucklegung hätten die politischen Zielsetzungen der unterschiedlichen Akteure auf protestantischer Seite und die verschiedenen Reaktionen auf das Interim durchaus ausführlicher dargelegt werden können. Der Analyse konkreter politischer Handlungen und der allgemeinen politischen Rahmenbedingungen hätte dies zugutekommen können, auch wenn es sich ausdrücklich um keine theologische Arbeit handeln soll (11).

Zutreffend hebt Schäfer dann besonders die Rolle Markgraf Johanns von Brandenburg-Küstrin bei den ersten Bündnisbestrebungen zwischen den Reichsfürsten hervor. Aufgrund der Tendenz, Moritz zur Hauptfigur der Darstellung zu machen, bleibt das Bild Johanns blass. Gerade die Differenzen zwischen ihm und Moritz scheinen von der Autorin gelegentlich zu leicht genommen zu werden (41), während später die Ambivalenzen in der Wahrnehmung von Moritz durch andere protestantische Reichsfürsten zutreffend angedeutet werden (53-56). Gerade die in Johanns Augen indifferente religiöse Haltung des Sachsen erklärt die ersten Vertragspunkte des "Verdener Vertrags" (61f.) und seinen letztendlichen Austritt aus dem Bündnis mit Moritz. Darin erkennt die Autorin selbst eine Wegscheide. (67).

Im darauffolgenden Abschnitt der Arbeit, der sich mit der Entstehung des Fürstenbundes beschäftigt, werden die verschiedenen Verhandlungen zwischen den deutschen Fürsten einerseits und gemeinsam mit dem französischen König andererseits dargestellt. In diesen Kontext wird auch die Belagerung Magdeburgs durch Moritz mit eingeordnet. Die Bedeutung der Truppen vor Magdeburg und ihres Einsatzes im Fürstenkrieg wird von Schäfer zu Recht hervorgehoben. Auch hier hätte der religiöse Aspekt (die in Magdeburg publizierten Flugschriften gegen die Politik des Kurfürsten, nicht nur gegen den Kaiser, 55f.) sowie Moritz' territorialpolitische Interessen an einer Dominierung Magdeburgs neben dessen genuin reichspolitischen Zielen eine intensivere Darstellung verdient. Denn der letztendliche Erfolg der kurfürstlichen Politik lässt sich nur auf dem Hintergrund der Verbindung unterschiedlicher politischer Handlungsebenen verdeutlichen

Die Betrachtung des spanischen Sukzessionsplans im Reich und der an die Habsburger gerichteten Warnungen vor einem fürstlichen Angriff verlagert vorübergehend die Perspektive - hin zu den kaiserlichen Interessen in der Reichspolitik. Dieselben werden erneut als Gründe für die Bildung einer Opposition und ebenso richtig als Ursache massiver innerhabsburgischer Spannungen ausgemacht.

Anschließend folgt der seiner Seitenzahl nach umfänglichste Teil - die Darstellung des Kriegszuges, der Friedensverhandlungen und des Passauer Vertrages (95-156). Dabei wird das Auseinanderfallen der französischen Interessen und der Ziele der Reichsfürsten deutlich geschildert. Allerdings wird die Radikalität der französischen Ambitionen im Gegensatz zu den reichsfürstlichen Zielen nicht immer voll wahrgenommen (vgl. die nicht hinterfragte Übernahme der fürstlichen Schutzbehauptung: das Zeichen des Pilleus mit den zwei Dolchen sei nicht mehr bekannt; vielmehr war es den protestantischen Fürsten nicht ratsam, dieses Symbol zu verwenden, stammt es doch von einer Münze des Brutus, die dieser nach dem Mord an Caesar schlagen ließ, weshalb es nicht nur für Freiheit, sondern für Tyrannenmord steht, 105). Friktionen unter den deutschen Fürsten aufgrund einer unterschiedlichen Motivierung werden erkannt. Die Rolle König Ferdinands als Vermittler wird gewürdigt. Damit werden unterschiedliche Zielsetzungen zwischen König und Kaiser benannt.

Es folgen kurze Biogramme zu Moritz von Sachsen, Albrecht Alcibiades von Brandenburg-Kulmbach, Johann von Brandenburg-Küstrin, Wilhelm IV. von Hessen, Johann Albrecht von Mecklenburg. Durch das - diskussionswürdige - Urteil, der Hesse und der Mecklenburger hätten keine bedeutenden Positionen innerhalb der kaiserlichen Opposition besessen (10), Albrecht Alcibiades habe nebenher seine ganz eigenen Ziele verfolgt und Markgraf Johann sei ohnehin vor dem Kriegszug aus dem Bund ausgeschieden, stellt sich die Frage, ob anstatt der Biogramme eine breitere Darstellung der verschiedenen Motivlagen der Handelnden innerhalb der Darstellung eventuell gewinnbringender gewesen wäre.

Insgesamt überschaut die Autorin die Literatur, was sie zu vertiefenden Forschungen hätte nutzen sollen. Dabei könnten vor allem die religiösen Aspekte eine intensivere Würdigung erfahren, um die politischen Handlungen der Akteure und deren Rückkoppelung an die theologischen Auseinandersetzungen der Zeit zu verdeutlichen und damit die Interessenlage schärfer zu kontrastieren. Das Agieren von Moritz wäre insgesamt vielleicht ambivalenter zu konturieren. Dadurch ließe sich gleichwohl Profilschärfe gewinnen, da der Kurfürst weniger als der "Macher" erschiene, sondern als ein den wechselhaften Konjunkturen der Zeit unterworfener Handelnder. Manchen Wertungen der Autorin (die Wurzener Fehde sei belanglos gewesen, 161; die These, die Gesamtheit der Mitglieder des Schmalkaldischen Bundes habe antihabsburgischen Ziele verfolgt, und die Kategorisierung, dass die Verhandlungen mit Frankreich ausdrücklich vom Bund initiiert gewesen seien, 18 ; 23) muss der Leser sich nicht unbedingt anschließen. Kleinere Schwächen in der Verwendung von Begrifflichkeiten scheinen im Bereich der Kirchengeschichte vorhanden zu sein (etwa die Verwendung des Begriffs "Protestanten" vor Unterzeichnung der Protestatio 1529, 17; 22). Vielleicht erklärt sich aus dem weniger geübten Umgang mit Originalquellen auch die Annahme Schäfers, dass die von Moritz verwandte Titulatur des Kaisers (Allerdurchlauchtigster, großmächtigster, unüberwindlichster Kaiser) eine Übertreibung darstelle (93).

Jan Martin Lies