Gregory I. Halfond: The Archaeology of Frankish Church Councils, AD 511-768 (= Medieval Law and Its Practice; Vol. 6), Leiden / Boston: Brill 2010, XI + 299 S., ISBN 978-90-04-17976-9, EUR 93,00
Buch im KVK suchen
Bitte geben Sie beim Zitieren dieser Rezension die exakte URL und das Datum Ihres Besuchs dieser Online-Adresse an.
Die vorliegende Arbeit wurde als Dissertation an der Universität Minnesota 2007 vorgelegt. Sie wurde angeregt und betreut durch Bernard S. Bachrach, der als Erforscher des fränkischen Militärwesens im frühen Mittelalter bekannt geworden ist.
Im Vorwort (VIII) begründet der Verfasser die Absicht seiner Untersuchung folgendermaßen: In der bisherigen Forschung sei meist nur die Gesetzgebung der Synoden behandelt worden, nicht aber die Natur der Institution, die diese Gesetze hervorgebracht habe. Es fehle bisher auch eine Einschätzung des Status' der Synodalkanones als Gesetzgebung und ihre Unterscheidung von weltlichen Gesetzen. Weiterhin sei das Ausmaß der königlichen Kontrolle über die Kirche und ihre Synoden nicht ausreichend untersucht. Ein Mangel der bisherigen Forschung sei auch, dass die Einzelpersönlichkeiten, die hinter der Institution stehen, nicht hinreichend beachtet wurden.
Die einzelnen Synoden der Merowingerzeit werden im vorliegenden Buch unterschiedlich intensiv behandelt, wie ein Blick in den Index (293-295) zeigt. Demnach werden nur wenige Synoden an mehreren Stellen erwähnt, vor allem Orléans 511, 538, 541 und 549, außerdem Epao 517, Paris 614 und die beiden Synoden von Mâcon, 581/3 und 585. Die meisten anderen Synoden kommen nur in den Appendices vor.
Warum die Behandlung des fränkischen Synodalwesens über das Ende der Merowingerzeit hinausgreift und bis zum Tod König Pippins I. im Jahr 768 reicht, wird in Kapitel 6 begründet. Dort wird der Nachweis versucht, dass es in der späten Merowingerzeit keine Lücken in den Bischofslisten und auch nicht zahlreiche Verstöße gegen das Kirchenrecht gegeben habe, und dass die Behauptung des Bonifatius von einer 80-jährigen Lücke im Synodalwesen unzutreffend sei, vielmehr habe die Kirchenverfassung durchaus ordnungsgemäß funktioniert. Auch seien gemeinsame Versammlungen von Geistlichen und Laien (sog. concilia mixta) nicht erst in der Zeit seit ca. 740 aufgekommen und bereits die merowingischen Könige hätten in das Synodalwesen eingegriffen.
Die Einleitung bietet unter anderem auch einen kurzen Abriss über die bisherige Forschung zu den fränkischen Synoden der Merowingerzeit. Dabei ist dem Verfasser bei der Einschätzung der wichtigsten Monographie zu seinem Thema ein schweres Missverständnis unterlaufen: Aus den Rezensionen der beiden Bücher über die merowingischen Synoden von Odette Pontal im Deutschen Archiv (DA 43 S. 268 über die deutsche Fassung und DA 49 S. 265 f. über die französische Version) geht klar hervor, dass die französische Ausgabe (1989) trotz des späteren Erscheinens die nicht überarbeitete Ur-Version des Buches darstellt, während die deutsche Übersetzung eine durch Isolde Schröder an vielen Stellen verbesserte Fassung ist. Die Aussagen auf S. 23 und auch auf S. 13 Anm. 52 und S. 15 Anm. 60 sind also unrichtig.
Kapitel 1 befasst sich mit den Quellen und hier tut sich der Verfasser viel darauf zugute, nicht nur die Synodalkanones und die Synodalurkunden zu beachten, sondern auch die Historiographie, vor allem die Hagiographie. Daraus ergeben sich Belege für einige Synoden, die in den Editionsbänden von Friedrich Maassen (MGH Concilia 1, 1894) und Carlo de Clercq (Corpus Christianorum series Latina 148 A, 1963) nicht vorkommen. Diese Editoren wollten aber keine Regesten verfassen, sondern Texte edieren. Ein weiterer Vorwurf an die bisherigen Editoren ist, dass sie nicht auf Pseudo-Konzilien geachtet hätten.
Zur Zitierweise der Editionen ist festzustellen, dass es nicht angeht, als Edition der fränkischen Synoden der Merowingerzeit nur die Ausgabe von C. de Clercq zu zitieren und nicht deren Vorlage, die MGH-Ausgabe durch F. Maassen. Denn wie de Clercq selbst im Vorwort zu seiner Ausgabe zugibt, hat er Texte und Varianten aus der Ausgabe Maassens übernommen, wobei er dessen Text-Varianten nur stark gekürzt wiedergibt. Es hätte also wenigstens in den Appendices A und B (223-261) jeweils auch die Seitenzahl der MGH-Edition genannt werden müssen. Es geht auch nicht an und führt den Benutzer in die Irre, wenn auf S. 169 mit Anm. 39 auf die Ausgabe von Gaudemet / Basdevant-Gaudemet hingewiesen wird, denn der zitierte Sachverhalt ist bereits bei Maassen verzeichnet (ähnlich steht es auf S. 179 Anm. 74 mit dem Verweis auf Pontal statt auf Maassen).
Im Kapitel 2 wird die "physikalische Welt" der Synoden behandelt, nämlich die Formen der Einberufung, die Schwierigkeiten und die Dauer einer Reise im frühen Mittelalter sowie die Zahl der Besucher einer Synode. Dazu wird über die äußere Form einer Synode und über die Aufbewahrung der Beschlüsse gehandelt.
In Kapitel 3 geht es um die Wirklichkeitsnähe der Synodalkanones, und hier trägt der Verfasser einige Hinweise dafür zusammen, dass die Synodalbeschlüsse und die Rechtsentscheidungen der Synoden auf Ereignisse und Umstände außerhalb der Versammlung reagieren (99). Dabei behandelt er auch die interessante Frage, warum immer wieder dieselben Gebote und Verbote ausgesprochen wurden (100) und weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass ähnlich lautenden Bestimmungen ganz unterschiedliche lokale Vorgänge zugrunde liegen können (102). Als Beispiele für die Frage nach den realen Hintergründen der Synodalkanones verfolgt der Verfasser dann die antijüdischen Kanones des 6. Jahrhunderts (104 ff.), den Schutz des Kirchenguts (108 ff.) und die Anfänge des Zehntwesens (116 ff.).
Kapitel 4 gilt der Verbreitung der Beschlüsse und auch hier bietet die Arbeit eine Reihe von interessanten Beobachtungen, so z.B. dass die Kanones von Mâcon 581/3 in den Kirchen im Gottesdienst vom Martinstag bis zum Christfest verlesen werden sollten, "damit keiner behaupten könne, er habe eine Übeltat aus Unkenntnis begangen" (134). Weiterhin gilt die Aufmerksamkeit der Frage nach der königlichen Inkraftsetzung von Synodalbeschlüssen, wobei einmal auf das Konzil von Paris 614, dann auf Orléans 511 und schließlich auf die Synoden der frühen Karolinger, 742-755, eingegangen wird. Das Fehlen von Unterschriften bei den Synodalbeschlüssen aus der Mitte des 8. Jahrhunderts führt der Verfasser darauf zurück, dass in jener Zeit die Autorität der Kanones nicht mehr auf den Unterschriften beruhte, da auch in den Kanonessammlungen die Subskriptionen der Bischöfe weggelassen wurden.
Im Kapitel 5 wird der Weg der Synodalkanones in die Sammlungen des kirchlichen Rechts beschrieben, wobei beispielhaft die Kanones des Konzils von Mâcon 581/3 etwas näher betrachtet werden (164-168).
In Kapitel 6 wird unter dem Titel "Kontiniutät und Wandel" die Frage behandelt, warum die Untersuchung bis zum Tod Pippins geführt wurde (siehe dazu oben!).
Insgesamt wird im vorliegenden Buch eine Reihe von interessanten und bisher wenig behandelten Fragen angesprochen, aber wegen der ungeordneten und nicht von Wiederholungen freien Darstellung drohen manche originellen Aussagen verloren zu gehen.
In den Anhängen werden noch folgende Informationen über die Synoden der untersuchten Epoche zusammengestellt:
1. Appendix A (223-245): führt insgesamt 80 fränkische Konzilien aus der Zeit von 511 bis 768 an, wobei jeweils Ort, Datum, Zahl der Teilnehmer, teilnehmende Provinzen, Einfluss des Königs, die Quellen und eine (allzu) kurze Bibliographie angegeben werden. Leider sind diese Synoden nicht mit laufenden Nummern versehen.
2. Appendix B (247-261): Auch die 51 zweifelhaften Synoden tragen keine laufende Nummer. Es gibt hier zwar eine zusätzliche Rubrik "Additional Notes", aber in dieser wird die eigentlich an dieser Stelle zu erwartende Auseinandersetzung mit der Frage nach der Echtheit einer Synode nicht geliefert.
3. In Appendix C (263 f.) wird die Verteilung der bekannten Synoden auf die einzelnen Monate dargestellt.
Zu Appendix A und B wäre noch manches anzumerken, hier möchte ich nur kritisieren, dass Halfond ohne weiteres die äußerst problematischen Ausführungen Pontals (französische Fassung 241-243) über die Synoden von Nantes (240) und Rouen (261) übernommen hat (vgl. dazu jedoch W. Hartmann: Die capita incerta im Sendhandbuch Reginos von Prüm, in: Scientia veritatis. Festschrift für Hubert Mordek zum 65. Geburtstag, hg. von Oliver Münsch und Thomas Zotz, Ostfildern 2004, 207-226, bes. 209-211).
Abschließend sei noch auf zwei kleinere Fehler hingewiesen:
Wenn es auf Seite 162 heißt, dass Karl der Große die Dionysio-Hadriana "promulgiert" habe, so ist das sicher unzutreffend. Was der Verfasser auf Seite 180 über c.7 von Metz 893 sagt, ist so nicht richtig: die Anspielung auf Mâcon 581/83 verweist nämlich nicht auf eine Kenntnis der merowingischen Synode auf dem Metzer Konzil, sondern sie geht auf c. 73 der Synode von Meaux-Paris (845/46) zurück.
Wilfried Hartmann