Manel García Sánchez: El Gran Rey de Persia. Formas de representación de la alteridad persa en el imaginario griego (= Col.lecció Instrumenta; 33), Barcelona: Universitat de Barcelona 2009, 463 S., ISBN 978-84-475-3410-4, EUR 50,00
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Manel García beabsichtigt in dem anzuzeigenden Titel eine Darstellung der Wahrnehmung der Perser durch die Griechen. Im Kontext der Auseinandersetzungen zwischen beiden Völkern stellten die Griechen die Perser in zunehmendem Maße sehr negativ - als Inbegriff des "Bösen" und aller möglichen Laster - dar. Die Griechen und später auch die Römer hielten sich selbst für das einzig zivilisierte Volk und waren nicht in der Lage, das Perserreich objektiv zu betrachten. Orientalische Herrscher, Könige und Königinnen, Eunuchen und Konkubinen, sowie andere Frauen im königlichen Haus wurden häufig wie im Märchen dargestellt oder negativ stereotypisiert. Demnach war die orientalische Welt in griechischen Augen immer exotisch, rätselhaft, gefährlich und dekadent.
Der Schwerpunkt des Buches liegt auf dem Bild des persischen Großkönigs im Licht der griechischen Überlieferung. Die Problematik der Quellen basiert in erster Linie auf den Vorurteilen (22ff.), die die Griechen der Außenwelt gegenüber schon vor den Perserkriegen hatten, was man unter anderen an ihrem Verhältnis zu Skythen und Lydern erkennen kann: eine sinnstiftende Rhetorik, die durch die Konstruktion einer Alterität, welche von einer anti-persischen Haltung geprägt war, ermöglichte die Entstehung einer eigenen griechischen Identität. Die Perser wurden mit Barbarei, Grausamkeit, Schwäche und Tyrannis gleichgesetzt, während die Griechen die Ideale von Freiheit und Kultur verkörperten.
Das Buch ist in zehn Kapitel unterteilt. Vom ersten Kapitel an, in dem die methodischen Grundlagen (19ff.) formuliert werden, kommt der Leser mit der Rhetorik der Alterität in Bezug auf die Perser in Berührung, die für Barbaren gehalten wurden. In den folgenden neun Kapiteln werden die verschiedenen Züge des persischen Großkönigs aus der Sicht der griechischen Rhetorik betrachtet. Nach der Meinung von griechischen Schreibern wurde die orientalische Monarchie als eine entartete Regierungsform verstanden. Ein Beispiel dafür findet man zum ersten Mal in der Geschichte vom König Gyges aus Lydien (60), der aufgrund seines sprichwörtlichen Reichtums berühmt war und den der Dichter Archilochus als Tyrann bezeichnete (vgl. Archilochus 22 D).
Die Darstellung der späteren persischen Großkönige aus der Sicht der Griechen sollte nicht anders sein. Der persische Großkönig war die lebende Verkörperung einer ganzen Reihe von negativen Vorurteilen: Listigkeit, Grausamkeit, Übermut, Wollust, Gottlosigkeit und Habsucht. Mit wenigen Ausnahmen waren die persischen Könige von hybris, asebeia, anandria und schweren moralischen Makeln geprägt (82ff.), so z.B. Kambyses I., der Freveltaten gegenüber seinen ägyptischen Untertanen verübte; Xerxes I., der aufgrund seines Übermutes die Dekadenz der Achämeniden-Dynastie verursachte; Artaxerxes II., der als Symbol der Verweichlichung schlechthin gesehen wurde.
Hierin sieht García eine moralisierende Art, das Bild des persischen Königs aufzuzeichnen. Sogar eine positive Ausnahme wie der vorbildhafte König Kyros (89), der positiv bei Herodot, Xenophon und Onesikritos beurteilt wurde (vgl. Esra 1. 7-11; 5. 14-15), sollte nur zeigen, wie auch ein tugendhafter Herrscher scheitern kann, wenn er versucht, über ein Volk von wilden Barbaren zu regieren.
Besonders wichtig innerhalb der Rhetorik der Alterität ist die Rolle, die die Frauen und Eunuchen im königlichen Haus spielen (177ff.). Frauen und Eunuchen werden häufig als dubiose Untertanen dargestellt, als Anstifter von Verschwörungen und Menschen, die immer zu Intrigen bereit sind. Die Rolle der Frauen wurde, so behauptet García, von den traditionell frauenfeindlichen Griechen sehr hart beurteilt. Das sexuelle Verhalten und die Rolle der Frauen und der (nicht immer) entmannten Eunuchen standen in einem engen Verhältnis zueinander. Vielehe und Inzest wurden als Bestandteil der entarteten Lebensform im Perserreich verstanden, wo das Schicksal des Reiches viel zu oft durch eine Haremsverschwörung entschieden werden konnte.
Einen Zusammenhang mit der übertriebenen Sexualität der Könige und
ihrer Frauen gibt es zu den Tischsitten und dem "pantagruelischen"
Bankett des Großkönigs (327ff.). Die Völlerei, den Wein betreffende Trinksucht und die Maßlosigkeit der Perser, sowie ihre riesige Auswahl an exotischen Rezepten erweckten Empörung und Skandal bei den Griechen (334; vgl. Polyainos, Strategika IV, 3, 32)
Die Verrohung der persischen Sitten erklärte den Griechen auch die persische Lust auf blutige Kriege. So grausam die Perser auch sein konnten, im Krieg zeigten sie jedenfalls kaum Mut, sondern Feigheit (275ff.), wie z.B. Dareios III. vor Alexander dem Großen. Krieg oder Frieden konnte eine willkürliche Entscheidung sein, wie z.B. Dareios I. nur deshalb gegen die Griechen kämpfte, weil seine Gemahlin Atosa Sklavinnen aus Lakonien, Athen, Korinth und Argos haben wollte (189, 277, vgl. Herodot III 134, 5; Aelianus, Natura Animalium XI, 27).
Es ist nicht schwierig nachzuvollziehen, wie durch die griechische Überlieferung eine rhetorische Konstruktion der persischen Welt geschaffen wurde. Die Frage nach einer objektiven Beschreibung von Leben und Wesen der Perser hat hier keinen Sinn. Der augenfällige Mangel an Objektivität und Neutralität verlangt von uns eine andere historische Sichtweise: Geschichte als Ideologie und Rhetorik. Durch die moralisierende Betrachtung der Außenwelt und die künstliche Gegenüberstellung von Hellas und Persien haben die Griechen sich ihre eigene Identität geschaffen. Was wir in griechischen Quellen finden, ist eine reine Rhetorik der Konfrontation, um die beängstigende Bedrohung des Persischen Reiches verkraften zu können.
Mit Sicherheit stellen die ausführlichen und treffenden Beobachtungen von García einen wichtigen Beitrag zur Forschung der Alterität im Altertum dar.
Er bringt uns ihre Rhetorik nahe und zeigt, wie sich die Griechen durch sie ihre eigene Identität geschaffen haben. Der Verfasser versucht aber auch, den Standpunkt der Perser zu erklären (wie z.B. die persische Religion, die die Griechen nur schlecht kannten, (219ff.). Überdies überzeugt er durch eine gute Kenntnisse nicht nur der griechischen und römischen Autoren, sondern auch orientalischer Quellen.
Die Frage nach der westlichen bzw. griechischen Identität und die Formulierung der Alterität gegenüber den Völkern des Orients hat schon eine lange Kontinuität in der heutigen Erforschung der Antike. Auch in der spanischen Geschichtsschreibung ist die Alterität zu einer grundlegenden Kategorie geworden [1], wie die neuesten Forschungen im Rahmen der Amerikanistik [2] oder des Mittelalters [3] beweisen. Man vermisst im Anhang ein weiteres Kapitel zur Wirkungsgeschichte und zur Rezeptionsgeschichte der Perser, gerade weil García ein ausgezeichneter Kenner des Themas ist. [4] Das Werk ist mit einer ausführlichen Bibliographie, Orts-, Personen- und Sachregistern ausgestattet, dank derer es zu einem unentbehrlichen Hilfsmittel und Nachschlagewerk in der Erforschung der Beziehungen zwischen Persern und Griechen werden wird.
Anmerkungen:
[1] Vgl. die Monographie El otro, el extranjero, el extraño in der spanischen Zeitschrift Revista de Occidente 140, 1993; ebenso grundlegende Studien von Autoren, die García gut kennt wie beispielsweise F. Hartog (Le miroir d'Hérodte. Essai sur la représentation de l'autre, Paris 1980) und E. Said (Orientalism, New York 1978), aber auch das von ihm nicht erwähnte Buch von M. Bernal, Black Athena. The Afroasitical Roots of Classical Civilization, 1. Band, Rutgers University Press, 1987.
[2] P. E. García, "La representación del otro. Figuras de la alteridad en la conquista de América", Investigaciones fenomenológicas: Anuario de la Sociedad Española de Fenomenología 7, 2010, 219-231.
[3] R. Bakai, El enemigo en el espejo. Cristianos y musulmanes en la España medieval, Madrid 2007, die Araber werden von den hispanischen Quellen als verräterisches, grausames und aufständisches Volk bezeichnet (24ff.).
[4] M. García, "La representación del Gran Rey Aqueménida en la novela histórica contemporánea", Historiae 2, 2005, 91-113.
José Antonio Molina Gómez