Allen Brent: Cyprian and Roman Carthage, Cambridge: Cambridge University Press 2010, XV + 365 S., 31 s/w-Abb., ISBN 978-0-521-51547-4, GBP 60,00
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Cyprian von Karthago ist eine der wichtigsten Figuren der Kirchengeschichte. Seine Schriften bieten unschätzbare Informationen über den Aufbau kirchlicher Strukturen und zu den Bedingungen christlichen Lebens und Lehrens in der Zeit der Verfolgungen Mitte des dritten Jahrhunderts. Brent versucht in seinem neuen Buch, die Entwicklung und den Entstehungszusammenhang des cyprianischen Kirchenmodels nachzuzeichnen und zu erklären. Dieses Vorhaben verfolgt er durch einen klaren Aufbau der einzelnen Kapitel, in denen wiederholt auf die Einbettung der cyprianischen Gedankenwelt in den paganen intellektuellen Kontext des römischen Karthago - Brents Hauptanliegen - hingewiesen wird.
Das einleitende Kapitel "Cyprian's life and controversies" (2-22) bietet eine kompakte Zusammenfassung der in den folgenden sieben Kapiteln ausgebreiteten Argumentation. Letztlich konstatiert Brent dabei ein Scheitern der cyprianischen Kirchenordnung, einem "close network of episcopal interrelations and mutual recognition" (13), im Zuge der Auseinandersetzung mit Stephanus von Rom.
In "Cyprian's background in Roman Carthage" (23-75) führt Brent den Leser über teils sehr weite Umwege, beispielsweise über die kultische Wiedergründung Karthagos als colonia (29-41), in den biographischen Hintergrund Cyprians und die pagane sowie christliche Gedankenwelt in der prosperierenden Hafenstadt des dritten Jahrhundert ein. Cyprians Vorstellungen von der Ausübung des Amts des Bischofs seien eine Umdeutung einer "Roman constitutional authority defined by sacred space" (65). Brent argumentiert im dritten Kapitel "Historiography in the age of Decius" (76-116) weiter überzeugend, dass Cyprian ebenso wie seine Zeitgenossen erheblich von im dritten Jahrhundert verbreiteten stoisch-eschatologischen Vorstellungen vom senectus mundi, vom "decline and renewal" der Welt (120), beeinflusst gewesen sei.
Anschließend erläutert Brent "Decius' religious policy and the political rhetoric" (117-192) am Beispiel vom Münzen. Er betont, dass es dem Kaiser Decius um die imperiale Einheit und nicht um eine dezidiert antichristliche Maßnahme gegangen sei, eine in der Forschung bereits seit längerem vertretene Position. Die supplicatio habe apotropäische Bedeutung gehabt. Ob man allerdings mit Brent von der Einführung eines "universal cult, now organized by his [Decius'] edict, centrally and not locally" (190) sprechen kann, ist fraglich. In "The Decian persecution" (193-249) greift Brent nochmals die Motive des Kaisers auf, die zu dem Opferbefehl führten. Er diskutiert ausführlich Herkunft und Charakter der Opferbescheinigungen, setzt sie in Verbindung zu der Bürgerrechtsverleihung unter Caracalla und schließt nicht aus, dass auch die Censuslisten bei der Arbeit der örtlichen Kommissionen eine Rolle spielten.
Das während und nach der Verfolgung aufkommende Problem der lapsi und ihrer Reintegration sowie das Verhalten von Märtyrern und Bekennern, die die Wiederaufnahme der lapsi gewährten, steht im Mittelpunkt von "The Church of the Martyrs" (250-289). Die Märtyrer und Bekenner selbst beriefen sich nach Brent auf die ordinatio per confessionem, die in der Traditio Apostolica erwähnt wird [1], und legitimierten so ihr vom Bischof unabhängiges Handeln in der Frage der Wiederaufnahme. Brent macht an dieser Stelle die Schwierigkeiten Cyprians deutlich, seine eigene Autorität innerhalb der Gemeinde bei der Frage der Wiederaufnahme zu behaupten. Er stellt Cyprian als Neuerer dar, der die Wiederaufnahme an feste Bußzeiten und an das Handauflegen des Bischofs binden wollte (257. 266). Cyprian habe auf diese Weise versucht, die Autorität der Märtyrer und Bekenner zu untergraben. Nur dem Bischof sei es gemäß dem cyprianischen Kirchenverständnis möglich, rechtmäßig wieder in die Gemeinden aufzunehmen. Obwohl Cyprian den Märtyrern Zugeständnisse bei der Wiederaufnahme von lapsi machte, kam es dennoch zu Schismen in der Gemeinde (286). Nach Brent folgt Cyprian hier dem "model of pagan jurisprudence, and its concept of jurisdiction in terms of imperium" (287). [2] Gleichzeitig integrierte er durch Ordination Bekenner in die Kirchenhierarchie, was Brent als einen Sieg im "propaganda war" (286) gegen die Märtyrer ausmacht. Nach dem Ende der Verfolgung erweiterte Cyprian zudem den Märtyrer- bzw. den Bekennerbegriff erfolgreich, wie der Autor herausarbeiten kann.
Als letzten großen Konflikt nennt Brent sodann die Auseinandersetzung mit dem römischen Bischof Stephanus um die erneute Taufe von 'häretischen' Christen. Wiederum sieht Brent aufgrund von "Stephen's challenge to the sacramentum unitatis" (290-237) in Cyprian einen Neuerer. Cyprian sei geprägt durch die römische Gedankenwelt, in der "potestas and ius" nur mit einem "legitimate command (imperium) within a sanctified geographical space (provincia)" (295) ausgeübt werden durften, d.h. eine außerhalb der Kirche vollzogene Taufe war für Cyprian ungültig. Dieser Streit entwickelte sich zu einer Auseinandersetzung um den Primat Roms. Brent stellt zu Recht fest, dass Cyprian selbst maßgeblichen Einfluss auf die Anerkennung der römischen Bischöfe innerhalb der christlichen Welt hatte. Problematisch bleibt in Brents Darstellung aber der Umgang mit der anonym verfassten Schrift de rebaptismate, deren Herkunft nicht bestimmt werden kann. Durch die Einbettung der Zitate suggeriert Brent, dass Stephanus selbst der Verfasser sei (308f.).
Das letzte Kapitel "A final postscript: Cyprian's legacy" (328-329) verweist zusammenfassend auf die cyprianischen Konzepte von "unity", "division" und "ecclesiastical authority", die im Kontext der paganen Vorstellungswelt Karthagos im dritten Jahrhundert entstanden seien.
Brent betont leider kaum, dass die Schwierigkeiten Cyprians durch seine Flucht aus Karthago entstanden. Ferner ist die Akzeptanz der Traditio apostolica mit ihrer Bestimmung der ordinatio per confessionem für Nordafrika fraglich. Ob es sich bei einer offiziellen Weihung der Bekenner tatsächlich um eine Neuerung handelte, kann aufgrund fehlender Quellen kaum endgültig behauptet werden. Kleinere sachliche Fehler fallen dagegen kaum ins Gewicht, so z.B. die Verwechselung der Bischöfe Marcian und Martialis (229). Weiterhin ist die fehlende Auseinandersetzung Brents mit einigen neueren Arbeiten zu Cyprian und dem christlichen Nordafrika anzumerken. Besonders die Studien von Dunn zum Verhältnis von Cyprian und den römischen Bischöfen sucht man im Literaturverzeichnis vergeblich. Auch das wichtige Buch von Duval zum christlichen Nordafrika fand offensichtlich keine Berücksichtigung. [3]
Dessen ungeachtet gewährt Brents Buch einen anschaulichen und methodisch reflektierten Einblick in die Gedanken- und Lebenswelt des karthagischen Bischofs. Die Breite der rezipierten Quellen überzeugt dabei besonders. Diese Monographie leistet einen wichtigen Beitrag zu einer besseren Kenntnis des cyprianischen Kirchenverständnisses, das nur aus seiner Zeit heraus verstehbar ist, wie Brent treffend belegt.
Anmerkungen:
[1] Traditio Apostolica 9 (=Fontes Christiani, 1).
[2] So schon A. Hoffmann: Kirchliche Strukturen und Römisches Recht bei Cyprian von Karthago, Paderborn 2000.
[3] Zuletzt G. Dunn: Cyprian and the Bishops of Rome. Questions of Papal Primacy in the Early Church, Strathfield 2007; Y. Duval : Les chrétientés d'occident et leur évêque au IIIe siècle. Plebs in ecclesia constituta (Cyprien, Ep. 63), Paris 2005.
Eva Baumkamp