Rezension über:

Cordula van Wyhe (ed.): Female Monasticism in Early Modern Europe. An Interdisciplinary View (= Catholic Christendom, 1300-1700), Aldershot: Ashgate 2008, XVIII + 281 S., ISBN 978-0-7546-5337-0, GBP 60,00
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Rezension von:
Sigrid Hirbodian
Eberhard Karls Universität, Tübingen
Redaktionelle Betreuung:
Matthias Schnettger
Empfohlene Zitierweise:
Sigrid Hirbodian: Rezension von: Cordula van Wyhe (ed.): Female Monasticism in Early Modern Europe. An Interdisciplinary View, Aldershot: Ashgate 2008, in: sehepunkte 11 (2011), Nr. 10 [15.10.2011], URL: https://www.sehepunkte.de
/2011/10/17024.html


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Cordula van Wyhe (ed.): Female Monasticism in Early Modern Europe

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Gisela Muschiol konstatierte noch 2002 gewaltige Forschungslücken für die nachreformatorische, insbesondere die nachtridentinische Geschichte geistlicher Frauengemeinschaften im deutschsprachigen Raum. [1] Wenn seither diese Lücken auch teilweise verkleinert wurden, so bleibt eine Synthese der frühneuzeitlichen Geschichte geistlicher Frauen noch immer ein Forschungsdesiderat auch für die anglophone Forschung, wie die Herausgeberin des zu besprechenden Bandes feststellt (2).

Auch dieser Sammelband kann das Desiderat nicht beseitigen, er fügt jedoch ein differenziertes und interdisziplinär breit aufgefächertes Bild hinzu, das sich vorwiegend mit dem geistlichen und kulturellen Leben in Frauengemeinschaften verschiedener europäischer Länder (Spanien, Italien, Deutschland, England, Frankreich, Niederlande und Belgien) auseinandersetzt. Beteiligt sind allerdings ausschließlich Forscherinnen bzw. ein Forscher aus angelsächsischen Universitäten (USA, UK und Australien), weshalb z.B. die deutsch- und französischsprachige Forschung nur sporadisch rezipiert wird. Leider beschränken sich die Angaben zu den Autorinnen / dem Autor auf die Nennung ihrer Herkunftsuniversitäten, so dass es in einigen Fällen nicht leicht fällt, die im Einzelbeitrag gerade maßgebliche Disziplin zu identifizieren, die Beiträge in die jeweilige Fächerkultur einzuordnen und dementsprechend zu würdigen.

Das Buch ist in vier Abschnitte eingeteilt, zu vier verschiedenen zentralen Aspekten weiblichen religiösen Lebens: Teil 1 thematisiert "Femininity and Sanctity" und damit die besonderen Bedingungen weiblicher Heiligkeit im 17. und 18. Jahrhundert. Helen Hills ("Nuns and relics: Spiritual Authority in Post-Tridentine Naples") untersucht die Verwendung von Reliquien im nachtridentinischen Neapel am Beispiel der Nonnen von Santa Patrizia. Sie zeigt, wie die Nonnen die Gründungsheilige ihres Klosters zu einer der Hauptheiligen der Stadt machen konnten, unter anderem indem sie deren Reliquien in den Dom überführen ließen. Von dort wurden die Reliquien seitdem jährlich in einer Prozession durch die Stadt zu ihrem Kloster und wieder zurück geführt. Als Schutzheilige der Stadt repräsentierte die Heilige die geistliche Macht "ihrer" Nonnen und die Wirkmächtigkeit ihrer Gebete. Hills meint zudem, eine Sakralisierung der Nonnen durch eine Parallelität mit der Reliquienverehrung beobachten zu können: "The dialetical movement between being shown and being hidden, between rituals of veiling and unveiling, common to relics and to nuns, is at the hart of the dual nature of holiness" (34) und: "We can usefully think of nuns as living relics" (35).

Ulrike Strasser ("Clara Hortulana of Embach or How to Suffer Martyrdom in the Cloister") untersucht die Frage, wie eine Nonne in einem klausurierten Kloster zur Märtyrerin werden konnte, am Beispiel der Clara Hortulana von Embach im Münchner Klarissenkloster des ausgehenden 17. Jahrhunderts. Es zeigt sich, trotz des tendenziell zu beobachtenden Wechsels von asketischer und charismatischer Lebensführung hin zur Wertschätzung von Disziplin und Gehorsam sowie der nachlassenden Bedeutung weiblicher Heiliger in nachtridentinischer Zeit, doch ein Fortleben mystischer Frömmigkeit in Frauenklöstern und eine hohe Wertschätzung dieser Frauen durch Angehörige des hohen Klerus zumindest in Bayern. "Rather than suppressing female mysticism, these men continued to value it as a source of counsel and consolation" (56).

Margit Thøfner ("How to look like a (Female) Saint: The Early Iconography of St. Teresa of Avila") schließlich stellt die Darstellung Theresas von Avila in der frühen Ikonografie vor, die prägend für deren künftige Darstellung in der Kunst, aber auch für die Konstruktion der Heiligen insgesamt wurde.

Teil 2 thematisiert Theater und Musik in den Frauenklöstern des 17. und 18. Jahrhunderts. Trotz zahlreicher Verbote, nicht nur von polyphonem Gesang, sondern auch von "plainchant", finden sich in spanischen Frauenklöstern zahlreiche Nachweise für Gesang und Instrumentalmusik (Colleen Baade, "Music and Misgiving: Attitudes Towards Nuns' Music in Early Modern Spain"). Das in Mailand 1630 gedruckte Motettenbuch der Humiliatin Claudia Rusca war eher auf die Verwendung im Konvent als auf eine Öffentlichkeitswirksamkeit hin konzipiert (Robert Kendrick, "Traditions and Priorities in Claudia Rusca's Motet Book"). Elissa Weaver ("The Wise and Foolish Virgins in Tuscan Convent Theatre") zeigt anhand der in Frauenklöstern beliebten Szene von den klugen und den törichten Jungfrauen, wie Theateraufführung und die Aufnahme von Nonnen im Kloster miteinander in Beziehung gesetzt wurden.

In Abschnitt 3 wird die "Spiritual Directorship" untersucht, sowohl auf der Ebene von geistlichen Freundschaften zwischen Nonnen und Beichtvätern (Jodi Bilinkoff, "Soul Mates: Spiritual Friendship and Life-Writing in Early Modern Spain (and Beyond)") wie auch zwischen einer einflussreichen Patrizierin und den von ihr protegierten Klöstern am Beispiel der Barbara Acarie, die maßgeblich für die Gründung der französischen unbeschuhten Karmeliter wie auch der Pariser Ursulinen wurde. Das Kapitel endet mit einer Untersuchung der "Idea Vitae Teresianae", insbesondere dessen Illustrationen und deren Wirkungsgeschichte, in den Niederlanden (Cordula van Wyhe, "The Idea Vitae Teresianae (1687): The Teresian Mystic Life and ist Visual Represantation in the Low Countries").

Das letzte Kapitel befasst sich mit dem Themenkomplex "Community and Conflict". Alison Weber untersucht die in Einzelfällen vorkommende Aufnahme von Kindern durch Theresa von Avila in ihren Klöstern - ein ihren eigenen Statuten offen widersprechendes Verhalten - und die daraus sich ergebenden Konflikte in den Konventen. Dabei wird (für die Mediävistin wenig überraschend) deutlich, dass auch auf die heilige Theresa ihre Familie und deren finanzielle und politische Unterstützung maßgeblichen Einfluss ausübten. In Claire Walkers Beitrag ("Securing Souls or Telling Tales? The Politics of Cloistered Life in an English Convent") steht der innere Konflikt in einem Benediktinerinnenkloster (den englischen Benediktinerinnen in Brüssel) in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts im Mittelpunkt. Anhand der Briefe, die in dieser Angelegenheit von verschiedenen Nonnen sowie der Äbtissin überliefert sind, untersucht sie das Konfliktverhalten, genauer gesagt die Funktion von "gossip" für die Gemeinschaft und deren Außendarstellung. "Far from woman's 'idle talk' and chatter it was central to communal, spiritual and political identity in the early modern English convent" (244).

Der letzte Beitrag des Bandes (Charlotte Woodford, "Writing the Thirty Years' War: Convent Histories by Maria Anna Junius and Elisabeth Herold") kehrt noch einmal ins Deutsche Reich zurück, indem er vergleichend zwei Klosterchroniken aus der Zeit des Dreißigjährigen Krieges untersucht: Die Chronik des Zisterzienserinnenklosters Oberschönenfeld bei Augsburg, in der die Odyssee der Schwestern während des Krieges geschildert wird, und die Chronik des Bamberger Heiliggrabklosters, eines Dominikanerinnenklosters, das während der schwedischen Besetzung in der Stadt blieb und daher auf eine Zusammenarbeit mit den Fremden angewiesen war. Die Interpretation der Chroniken erfolgt vorwiegend auf sprachwissenschaftlicher Ebene und macht deutlich "how the writers dealt with the horrors of the War" (260).

Der Sammelband nähert sich auf verschiedenen Wegen dem geistigen und kulturellen Leben frühneuzeitlicher Nonnen. Es sind vorwiegend diskursive und kulturwissenschaftliche Annäherungen, die die nachtridentinischen Klöster in ihrem Innern beleuchten und ein in seiner Differenziertheit und individuellen Gestaltung erstaunlich lebendiges Konventsleben offenbaren, trotz der von Trient vorgegebenen extremen Abschließung nach außen. Was aus Sicht der deutschen Forschung fehlt, ist eine intensivere Berücksichtigung der sozialen und politischen Kontexte, gerade da, wo die Außenbeziehungen der Klöster und die aus ihnen sich ergebenden Konflikte im Innern untersucht werden (also vor allem in Abschnitt 4). Doch hat gerade die deutschsprachige Forschung in Hinblick auf die nachtridentinischen Frauenklöster noch erheblichen Nachholbedarf; der angezeigte Sammelband vermag hierfür eine Vielzahl anregender und innovativer Impulse zu geben.


Anmerkung:

[1] Gisela Muschiol: "ein jammervolles Schauspiel..."? Frauenklöster im Zeitalter der Reformation, in: Sigrid Schmitt (Hg.): Frauen und Kirche (=Mainzer Vorträge; 6), Stuttgart 2002, 95-114, hier: 108f.

Sigrid Hirbodian