Rezension über:

Rob Johnson: Pulverfass am Hindukusch. Dschihad, Erdöl und die Großmächte Zentralasiens, Stuttgart: Theiss 2008, 248 S., ISBN 978-3-8062-2214-2, EUR 9,90
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Rezension von:
Tonia Schüller
Bonn
Redaktionelle Betreuung:
Stephan Conermann
Empfohlene Zitierweise:
Tonia Schüller: Rezension von: Rob Johnson: Pulverfass am Hindukusch. Dschihad, Erdöl und die Großmächte Zentralasiens, Stuttgart: Theiss 2008, in: sehepunkte 11 (2011), Nr. 10 [15.10.2011], URL: https://www.sehepunkte.de
/2011/10/19280.html


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Forum:
Diese Rezension ist Teil des Forums "Islamische Welten" in Ausgabe 11 (2011), Nr. 10

Rob Johnson: Pulverfass am Hindukusch

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In seinem Werk Pulverfass am Hindukusch befasst sich der Historiker Rob Johnson mit Zentralasien als Schnittstelle von Kulturen. Ziel seiner Studie ist es, die aktuellen Probleme der zentralasiatischen Republiken seit dem Ende der UdSSR zu analysieren und ihre Zukunft zu prognostizieren.

Johnson erstellt seine Studie anhand vorliegender Forschungsarbeiten in englischer Sprache, Materialien in den Landessprachen der zentralasiatischen Republiken werden nicht verwendet. Dadurch bietet das Werk in Teilen lediglich eine Zusammenfassung der bisherigen Forschungslage zu Zentralasien mit minimalen neuen Erkenntnissen. Verglichen mit dem 2007 erschienen Werk Machtmosaik Zentralasien, herausgegeben von Sapper u.a., sowie mit der 2008 publizierten Studie Descent into Chaos von Ahmed Raschid kann die Abhandlung von Johnson nicht wirklich als Einführung in die Problematik von Zentralasien angesehen werden. Dazu mangelt es ihr an vielen Stellen an der erforderlichen Tiefe.

Johnson geht von der These aus, dass Zentralasien sich zum neuen Fokus der Weltmächte und zur neuen Konfliktregion der Welt entwickeln wird. Um diese Theorie zu prüfen, stellt Johnson zunächst die historische Entwicklung der Region dar und geht dann auf die aktuelle Lage (Stand 2007) ein. Abschließend will der Autor Chancen zur Konfliktlösung analysieren.

Pulverfass am Hindukusch gliedert sich in zehn Kapitel. Die ersten drei Kapitel bilden dabei die thematische und begriffliche Einführung, worauf in den Kapiteln vier bis acht einzelne Regionen in Zentralasien exemplarisch vorgestellt werden. Die beiden letzten Abschnitte setzen sich mit der Rolle von Rohstoffen für die Entwicklung Zentralasiens und den Zukunftschancen der Region auseinander.

Das erste Kapitel fasst die Entwicklung Zentralasiens im 20. Jahrhundert zusammen, wobei Johnson seine These von einer Region am Scheideweg gut zu verdeutlichen weiß. Des Weiteren arbeitet der Autor heraus, inwieweit der Islam die lokale Politik beeinflusst hat. Das folgende zweite Kapitel liefert eine kurze historische Einführung in die Entwicklung der zentralasiatischen Republiken Kasachstan, Usbekistan, Tadschikistan, Kirgistan, Turkmenistan und Afghanistan sowie einen Überblick über die aktuelle Situation vor Ort. In Kapitel 3 definiert der Autor das seiner Studie zugrundeliegende Verständnis von Islam und Islamismus, darüber hinaus stellt er wichtige zentralasiatische islamische Gruppierungen - so etwa die Hizb al-Tahrir - vor. Damit leitet Johnson zu den folgenden Kapiteln über, in denen er den Islamismus als Ursache für die meisten Konflikte zugrunde legt.

In den fünf länderbezogenen Kapiteln geht Johnson zuerst auf den tadschikischen Bürgerkrieg und die Rolle der Partei der Islamischen Wiedergeburt ein. Er liefert eine Darstellung der Hintergründe und des Verlaufes der Auseinandersetzung und beschreibt die Rolle von Regierung und Opposition. Im anschließenden Abschnitt befasst sich der Autor mit der Situation in Afghanistan, wobei die Taliban im Zentrum stehen. Es fällt auf, dass Johnson vor allem die Gräueltaten der Taliban als islamischer Gruppierung in den Vordergrund rückt, so dass unterschwellig ein negatives Bild vom Islam als Ursache der Konflikte Zentralasiens entsteht. Dies zeigt sich auch im folgenden Kapitel zur islamischen Bewegung in Usbekistan und ihrer Wirkung auf umliegende Länder. Der Autor macht deutlich, dass die transregionale Funktionsweise von islamistischen Gruppen einerseits ihre Bekämpfung erschwert, andererseits zu ihrer Radikalisierung beiträgt.

Mit den Kapiteln sieben und acht wendet sich Johnson Randregionen Zentralasiens zu: Tschetschenien sowie der chinesischen Provinz Sinkiang. Nach einer Skizze der schwierigen Gesamtsituation in beiden Gebieten befasst sich der Autor mit der Analyse von Teilaspekten. Dabei liegt sein Schwerpunkt erneut auf der Rolle der Islamisten innerhalb der Konflikte.

Kapitel 9 wendet sich der Rolle von Öl, Gas und den Großmächten in der Region zu. Johnson stellt heraus, dass die natürlichen Rohstoffe sowohl neues Konfliktpotenzial im Hinblick auf die Abbaurechte beinhalten als auch die Chance für Kooperationen. Dabei kommt den Großmächten als möglichen Investoren beim Bau von Pipelines laut Johnson eine wichtige Rolle zu, während Transportgebühren und neue Arbeitsplätze wirtschaftliche Entwicklungschancen bieten. Zugleich weist der Autor am Beispiel des Aralsees daraufhin, dass auch die Umweltverschmutzung in Zentralasien den Kern für weitreichende Auseinandersetzungen beinhaltet und daher internationales Engagement erfordert.

Das abschließende Kapitel "Entwicklungslinien" betont die Rolle von islamis(tis)chen Bewegungen gegen jede ausländische Intervention als Problem der Region und identifiziert Afghanistan als regionalen Ausgangspunkt für den überregionalen Islamismus. Außerdem stellt Johnson kurz das Engagement einzelner muslimischer Staaten in Zentralasien und der Großmächte Amerika und China vor. Abschließend fasst er die sozioökonomischen Probleme der Region zusammen.

Insgesamt liefert die Studie von Johnson einen Einblick in die aktuelle Lage Zentralasiens, wobei der Autor die Rolle islamistischer Gruppierungen als Konfliktversursacher sehr stark betont. Mit Blick auf den Untertitel des Werkes liegt der Schwerpunkt eindeutig auf dem Begriff Dschihad, während die anderen beiden Themen (Erdöl und Großmächte) nur ein Drittel des Werkes einnehmen. Vor allem durch die Darstellung der Grausamkeiten von islamistischen Gruppen gewinnt die Studie stellenweise einen reißerischen Charakter und lässt Wissenschaftlichkeit vermissen.

Tonia Schüller