Rezension über:

John Healey: Law and Religion between Petra and Edessa. Studies in Aramaic Epigraphy on the Roman Frontier (= Variorum Collected Studies Series), Aldershot: Ashgate 2011, 320 S., ISBN 978-1-4094-0367-8, GBP 80,00
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Rezension von:
Julia Hoffmann-Salz
Universität zu Köln
Redaktionelle Betreuung:
Mischa Meier
Empfohlene Zitierweise:
Julia Hoffmann-Salz: Rezension von: John Healey: Law and Religion between Petra and Edessa. Studies in Aramaic Epigraphy on the Roman Frontier, Aldershot: Ashgate 2011, in: sehepunkte 12 (2012), Nr. 3 [15.03.2012], URL: https://www.sehepunkte.de
/2012/03/19189.html


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John Healey: Law and Religion between Petra and Edessa

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John F. Healey ist einem breiteren Publikum insbesondere durch seine Sammlung aramäischer Inschriften und Dokumente in der Reihe Textbook of Syrian Semitic Inscriptions bekannt. Im vorliegenden neuesten Band der Variorum Collected Studies Series finden sich 23 bereits publizierte Aufsätze des Autors, die eine ganze Reihe von Themen aus dem Umfeld der aramäischen Epigraphik ansprechen. Sie umfassen chronologisch einen Rahmen von ca. 300 v. bis 300 n.Chr. und damit eine Phase, die Healey als "transitional period" [ix] zwischen der Welt des Alten Orients mit den Zivilisationen in Mesopotamien, Syrien und Südarabien auf der einen und dem griechisch-römischen Einfluss auf der anderen Seite begreift. Geographisch bearbeitet er dabei den Raum des sogenannten Fruchtbaren Halbmonds, den er jedoch als "Aramaic Crescent" bezeichnen möchte, um den Raum nicht nur als agrarische, sondern insbesondere als sprachlich-kulturelle Einheit zu definieren [x]. Wie angemessen diese Begrifflichkeit ist, offenbaren Healeys Analysen, die deutlich machen können, wie stark die gemeinsame Sprache diesen Raum in Rechts-, Glaubens- und Kulturtraditionen zusammenbrachte und prägte.

Healey hat sich dabei selbst drei Schwerpunkte für die Auswahl seiner Schriften gewählt, die auch seinen aktuellen Forschungsinteressen entsprechen: Petra und das nabatäische Aramäisch, Edessa und das frühe Syrisch sowie Aramäisch und die Gesellschaft des Römischen Nahen Ostens. Unter diese Überschriften sind dann auch die Beiträge gegliedert, die - wie in der Reihe üblich - ihre ursprüngliche Paginierung und ihr ursprüngliches Layout behalten haben. Immerhin sind die Beiträge durchgehend mit römischen Zahlen nummeriert, was die Orientierung im Band erleichtert.

Im ersten Abschnitt zu Petra und dem nabatäischen Aramäisch finden sich insgesamt zehn Beiträge, die die deutlichen sprachwissenschaftlichen Interessen des Autors wiederspiegeln. Dabei werden aber nicht nur Fragen nach Sprache und Schrift in nabatäischen Inschriften oder der Entwicklung vom Nabatäischen zum frühen Arabisch gestellt, sondern etwa auch anhand der linguistischen Zeugnisse Überlegungen zur Ethnizität der Nabatäer oder zu ihrem Rechtssystem vorgestellt.

Anhand des Beitrags "Were the Nabateans Arabs?", der 1989 in Aram 1 erschien, lässt sich dabei ein guter Einblick in die Arbeitsweise Healeys gewinnen. Ausgehend von der Frage, ob denn die Nabatäer als Araber oder Aramäer zu verstehen seien, stellt Healey zunächst allgemeine Überlegungen zur Definition ethnischer Identität an. Hier betont er die schwierige Quellenlage gerade bei antiken Randvölkern, um dann anhand seiner eigenen Familiengeschichte und dem dort tradierten Namensgut die mit einer Definition eben über Namen einhergehende Unsicherheit zu unterstreichen. Es folgen kurze grundsätzliche Überlegungen dazu, was wir überhaupt unter den Begriffen Nabatäer, Aramäer und Araber verstehen können. In einem zweiten Teil trägt der Beitrag dann die Quellen zusammen, die Auskunft über eine ethnische Identität der Nabatäer geben könnten. Hier stellt er kurz das Problem der Sprache vor - die Nabatäer schrieben ihre Inschriften in einem aramäischen Dialekt, aber müssen nicht unbedingt diese Sprache auch im Alltag genutzt haben - bevor er Selbstzeugnisse, Aspekte der Glaubenswelt, der Gesellschaftsorganisation, der Namenstradition und linguistische Feinheiten des nabatäischen Aramäisch anspricht. Er kommt zu dem Schluss: "From all these considerations it looks likely that the Nabataeans were not Aramaeans and the evidence suggests that they might in fact have been Arabs of one sort or another." [II 42] Diesen Befund überprüft Healey in einem letzten Schritt am historischen Kontext, um die Wahrscheinlichkeit einer solchen Aussage zu hinterfragen, bevor dann in der Zusammenfassung kurz Vergleiche zu anderen Beispielen wie Palmyra, Hatra und Edessa gezogen werden. Auf insgesamt nur sieben Seiten werden damit wesentliche Fragen zur Forschung über die Nabatäer angestoßen und dank der hervorragenden Quellenkenntnis Healeys auch beantwortet sowie zahlreiche Hinweise für zukünftige Forschungen gegeben.

Auch der zweite Abschnitt mit den Beiträgen zu Edessa und der Entstehung des frühen Syrischen ist deutlich sprachwissenschaftlich ausgerichtet. Hier sprechen die insgesamt sechs Beiträge Fragen der Entstehung des frühen Syrischen, dessen Schrift und dessen Anleihen aus benachbarten Sprachen an. Vor allem im dritten Abschnitt zu Aramäisch und der Gesellschaft im Römischen Nahen Osten mit insgesamt sieben Beiträgen zeigt sich dann, dass Healey eben auch ein tiefes historisches Interesse an seinem Material hat und dabei dank seiner sprachwissenschaftlichen Forschungen viele neue Impulse zum Verständnis des Nahen Ostens in römischer Zeit liefern kann. Hier bilden Beiträge zur aramäischen Rechtstradition aber auch zur Religionsgeschichte des Raumes deutliche Schwerpunkte.

Die Beschäftigung mit der aramäischen Rechtstradition findet sich etwa im Beitrag "New evidence for the Aramaic legal tradition: from Elephantine to Edessa", der zuerst 2005 in den Studia Semitica veröffentlich wurde. Hier werden zunächst wichtige Papyrus-Funde mit aramäischen Rechtstexten vorgestellt und kommentiert. Es folgt eine Analyse der Begrifflichkeiten, des Formulars und der Rechtspraxis dieser Papyri, bevor ein letzter Teil sich der historischen Frage widmet, inwieweit diese Texte über die Einflüsse älterer Kulturen hinaus eine Art "Aramaic common law" [XVIII 124] erkennen lassen. Dabei kommt Healey zu dem Schluss, dass sich trotz der deutlichen Einflüsse benachbarter Kulturen und insbesondere der keilschriftlichen Rechtstradition eine eigenständige lokale aramäische Rechtstradition entwickelte, deren genaues Aussehen dank der vorgestellten Dokumente in Zukunft näher beleuchtet werden kann.

Auch wenn die einzelnen Beiträge bereits publiziert wurden, ist der vorliegende Band dennoch eine insbesondere für Bibliotheken nützliche Anschaffung, da das hier zusammengetragene Material dank des breiten Interesses des Autors in ganz unterschiedlichen Publikationsorganen herausgebracht wurde, die eben nicht überall vorhanden sein dürften. Gerade das ist - neben dem Sprachproblem - sicher einer der Gründe, warum die für das Studium auch des griechisch-römischen Nahen Ostens fruchtbaren aramäischen Quellen in der althistorischen Forschung noch nicht ihre volle Würdigung erfahren haben. Umso praktischer ist also Healeys Zusammenstellung, die gemeinsam mit seiner Sammlung aramäischer Inschriften einen guten Einstieg in dieses Feld bietet. Eine Stärke des Bandes sind sicherlich auch die Addenda und Corrigenda, in denen Healey seinen Beiträgen neuere Literatur und Quellenfunde anfügt.


Anmerkung:

[1] John F. Healey: Aramaic Inscriptions and Documents of the Roman Period. Textbook of Syrian Semitic Inscriptions IV, Oxford 2009.

Julia Hoffmann-Salz