Géza Pállfy: Die Anfänge der Militärkartographie in der Habsburgermonarchie. Die regelmäßige kartographische Tätigkeit der Burgbaumeisterfamilie Angielini an den kroatisch-slawonischen und den ungarischen Grenzen in den Jahren 1560-1570, Budapest: Ungarisches Nationalarchiv 2011, 108 S., 32 Farbtaf., 1 CD, ISBN 978-963-631-210-7, 39,90
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Petr Mat'a / Thomas Winkelbauer (Hgg.): Die Habsburgermonarchie 1620 bis 1740. Leistungen und Grenzen des Absolutismusparadigmas, Stuttgart: Franz Steiner Verlag 2006
Václav Bůžek: Ferdinand von Tirol zwischen Prag und Innsbruck. Der Adel aus den böhmischen Ländern auf dem Weg zu den Höfen der ersten Habsburger, Wien: Böhlau 2009
Rainer Bendel / Norbert Spannenberger (Hgg.): Kirchen als Integrationsfaktor für die Migranten im Südosten der Habsburgermonarchie im 18. Jahrhundert, Münster / Hamburg / Berlin / London: LIT 2010
Jörg Deventer: Gegenreformation in Schlesien. Die habsburgische Rekatholisierungspolitik in Glogau und Schweidnitz 1526-1707, Köln / Weimar / Wien: Böhlau 2003
Michael Hochedlinger: Austria's Wars of Emergence. War, State and Society in the Habsburg Monarchy 1683-1797, London / New York [u.a.]: Longman 2003
Es ist ein interessanter Band, der hier vorgestellt werden soll, man kann ihn drehen und wenden: Von der einen Seite ist das Buch in deutscher, von der anderen Seite in ungarischer Sprache (A haditérképészet kezdetei a Habsburg Monarchiában) zu lesen. Mangels ausreichender ungarischer Sprachkenntnisse musste sich der Rezensent auf den - sicherlich exzellent übersetzten - deutschen Text konzentrieren. Aber auch in diesem Fall erahnt der Leser / die Leserin an Hand so mancher ungewöhnlich anmutenden Floskel und Satzstellung, dass der Originaltext in ungarischer Sprache verfasst worden ist. Ein deutschsprachiger Übersetzer oder Lektor hätte einige geringfügige orthographische Fehler eliminiert, die dem ungarischen Lektorat entgangen sind - ja wohl entgehen mussten; damit hätte dem Buch freilich ein gewisses Flair gefehlt: Mit ein wenig Phantasie meint man beim Lesen des deutschen Textes sogar den ungarischen Akzent zu hören.
Ausgangspunkt der Untersuchung waren insgesamt fünf Codices mit Grundrissen und Plänen ungarischer Grenzfestungen: Je zwei Exemplare werden in der Österreichischen Nationalbibliothek in Wien sowie im Sächsischen Hauptstaatsarchiv Dresden aufbewahrt, einer im Badischen Generallandesarchiv Karlsruhe. Die Karlsruher Handschrift sowie das aufwendiger gestaltete Wiener Exemplar enthalten darüber hinaus Karten der habsburgisch-osmanischen Grenzen in Ungarn und Kroatien; und in einem der beiden Dresdener Codices ist eine der ältesten handgezeichneten Karten des Königreichs Ungarn überliefert, die auf den italienischen Kartographen Nicolo Angielini zurückgeht.
Waren die meisten Historiker bisher von einem einzigen Autor namens Angielini ausgegangen, so kann Géza Pálffy dank seiner hervorragenden Kenntnis der Quellen und auf Grund detaillierter Forschungen der im Österreichischen Staatsarchiv aufbewahrten Protokolle und Akten des Wiener Hofkriegsrats und der kaiserlichen Hofkammer nachweisen, dass wir es mit einem regelrechten Familienunternehmen zu tun haben: Der aus Mailand stammende Natale Angielini war gemeinsam mit seinem jüngeren Bruder Nicolo zunächst in der innerösterreichischen Residenzstadt Graz als Festungsbaumeister tätig, als beide wegen ihrer fachlichen Kompetenz 1564 an den Wiener Kaiserhof berufen wurden. Im folgenden Jahrzehnt visitierten die Brüder Angielini die kaiserlichen Burgen und Festungen an der Grenze gegen das Osmanische Reich. Als Architekten und Burgbaumeister waren sie für Planung und Durchführung von Um- und Ausbauten der Festungen verantwortlich. Natales Sohn setzte die Tätigkeit seines 1574 verstorbenen Vaters fort, dürfte ihn aber nicht lange überlebt haben. Und nach dem August 1577 "verschwindet" auch Nicolo Angielini aus den von Géza Pálffy akribisch erforschten Quellen.
Die biographischen Forschungen zur Familie Angielini bilden den Kern des von Géza Pálffy selbst als "Kleinmonographie" bezeichneten Werks. Seine Ergebnisse werden freilich - sollten nicht unerwartet Quellen auftauchen - auch durch künftige Forschungen keine wesentlichen Ergänzungen mehr erfahren können.
Das historische Verdienst des "Familienunternehmens" Angielini besteht vor allem darin, dass die Festungsbaumeister detaillierte Baupläne beziehungsweise genaue Karten der visitierten Grenzen anfertigten, die sie ständig überarbeitet, korrigiert und ergänzt haben. Diese Karten und Pläne sind zwar nicht als Originale erhalten geblieben, sie bildeten aber die Vorlagen für die Kopien in jenen Handschriften, die am Ausgangspunkt der Untersuchung standen. Die Grenzkarten waren auch wesentliche Grundlage für die Erstellung der berühmten Ungarn-Karte im eingangs erwähnten Dresdener Codex, wie der Autor an Hand seiner detaillierten Forschungen überzeugend nachweisen kann.
Ein ausführliches Quellen- und Literaturverzeichnis erlaubt einen Überblick über die bekannten Quellen und bietet eine Auflistung der bisherigen Sekundärliteratur. Ein Orts- und Personenregister erleichtert das Auffinden der entsprechenden Begriffe.
Dem Band liegt eine CD mit dem kompletten Text (238 Seiten) bei, beginnend mit dem Bucheinband. Der ungarischen Fassung folgt der Abbildungsteil (99-130) und zuletzt die deutsche Version (131-238). Sämtliche 32 Abbildungen sind darüber hinaus auch in einer wesentlich höher auflösenden Datei (Melléklet_Anhang) zu betrachten. Dadurch bietet sich dem Leser / der Leserin die sicherlich willkommene Möglichkeit, die 15 abgebildeten Landkarten zu vergrößern und die darin enthaltenen Details in erstaunlicher Schärfe zu erkennen.
Es war vor allem die osmanische Bedrohung der habsburgischen Erblande im 16. Jahrhundert, die in engem Zusammenhang mit der Entstehung und Entwicklung der mitteleuropäischen Militärkartographie stand. Géza Pálffy klärt in seinem Buch nicht bloß die bisher ungelösten Rätsel um das "Familienunternehmen" Angielini, er gewährt auch interessante Einblicke in Aufgaben und Arbeitsweise von Festungsbaumeistern und (Militär-)Kartographen in jener frühen Zeit. Und nicht zuletzt gelingt es dem Autor, Licht ins Dunkel der Entstehungsgeschichte und Zusammenstellung der untersuchten ungarischen Grenzkartenwerke zu bringen, deren Vorlagen die mehrfach überarbeiteten Karten und Pläne der Angielinis bildeten. Abschließend stellt Géza Pálffy fest, dass in Zukunft noch weitere Forschungen notwendig wären: Als Desiderate nennt er beispielhaft Untersuchungen zu den verwendeten Ortsbezeichnungen wie auch zum Einfluss der Angielini-Karten auf später gedruckte Kartenwerke. Dennoch ist es Géza Pálffy dank seiner intensiven Archivforschungen in dieser "Kleinmonographie" gelungen, die wesentlichen, grundlegenden Fragen der Anfänge der Militärkartographie im Habsburgerreich zu klären.
Ernst D. Petritsch