Rezension über:

Cynthia W. Shelmerdine (ed.): The Cambridge Companion to the Aegean Bronze Age, Cambridge: Cambridge University Press 2008, XXXVI + 452 S., ISBN 978-0-521-89127-1, GBP 17,99
Inhaltsverzeichnis dieses Buches
Buch im KVK suchen

Rezension von:
Tobias Mühlenbruch
Vorgeschichtliches Seminar, Philipps-Universität Marburg
Redaktionelle Betreuung:
Mischa Meier
Empfohlene Zitierweise:
Tobias Mühlenbruch: Rezension von: Cynthia W. Shelmerdine (ed.): The Cambridge Companion to the Aegean Bronze Age, Cambridge: Cambridge University Press 2008, in: sehepunkte 12 (2012), Nr. 5 [15.05.2012], URL: https://www.sehepunkte.de
/2012/05/15744.html


Bitte geben Sie beim Zitieren dieser Rezension die exakte URL und das Datum Ihres Besuchs dieser Online-Adresse an.

Cynthia W. Shelmerdine (ed.): The Cambridge Companion to the Aegean Bronze Age

Textgröße: A A A

Bis vor wenigen Jahren war die Anzahl einführender und übergreifender gedruckter Werke zur Ägäischen Bronzezeit relativ gering.[1] Das 1987 von Hans-Günter Buchholz und Kollegen verfasste Ägäische Bronzezeit [2] behandelte nur ausgewählte Themen, die Gliederung von Oliver Dickinsons 1994 erstmalig erschienenem The Aegean Bronze Age [3] nach Befunden und Fundgruppen, die separat chronologisch vorgestellt werden, mag nicht jedem Leser zusagen. Jörg Schäfers Die Archäologie der altägäischen Hochkulturen [4] von 1998 beschäftigte sich vor allem mit der Chronologiediskussion und Methode, wohingegen Aegean Prehistory. A Review [5] 2001 eine wichtige Übersicht für die Fachwissenschaft lieferte.

Umso erfreulicher war und ist das Erscheinen des hier zu besprechenden Bandes von Cynthia W. Shelmerdine aus dem Jahr 2008, das sich in der Tradition anglo-amerikanischer Lehrbücher in erster Linie an Studierende richtet, aber auch für Fachkollegen ein wichtiges Nachschlagewerk sein soll und ist (Vortitelblatt). Hinzuweisen ist jedoch auf das mittlerweile, 2010 publizierte Oxford Handbook zur Ägäischen Bronzezeit [6], das einen generellen Überblick über die Ägäische Bronzezeit anstrebt (XXXI). Für eine 2012 verfasste Rezension liegt der Vergleich beider Werke trotz einer unterschiedlichen Hauptzielgruppe nahe.

Der Aufbau des Cambridge Companion ist folgender: Den 15 Kapiteln vorgeschaltet sind unter anderem Karten; am Ende des Buches finden sich ein Glossar, eine Auswahlbibliographie sowie ein Index. Auf eine Einführung von Shelmerdine folgen zwei Kapitel zur Frühbronzezeit Südgriechenlands und der Kykladen von Daniel Pullen und Cyprian Broodbank, dann ein Block von sechs Kapiteln zum minoischen Kreta von David Wilson, Sturt W. Manning, Carl Knappett, John G. Younger, Paul Rehak, Jack L. Davis und Philip B. Betancourt. Der zweite große Block von sechs Kapiteln zum mykenischen Griechenland wurde verfasst von James C. Wright, Janice L. Crowley, Shelmerdine, John Bennet, Laura Preston, William Cavanagh, Thomas G. Palaima, Christopher Mee und Sigrid Deger-Jalkotzy. Neben zahlreichen Textabbildungen ist der Band mit zwei Blöcken mit Tafelabbildungen ausgestattet.

Der Umfang des Oxford Handbook beträgt an Seiten mehr als das doppelte des Cambridge Companion, und es wurde, ebenfalls, von einem international besetzten Team an Fachgelehrten zur Ägäischen Bronzezeit verfasst. Allein aufgrund des größeren Umfanges konnte das Oxford Handbook neben einer Einführung umfassende Übersichten zum Neolithikum und zur Früh-, Mittel- und Spätbronzezeit auf dem griechischen Festland, auf Kreta und auf den Kykladen bieten, sowie anschließend zum einen spezifische Themen behandeln und zum anderen auf eine Vielzahl ausgewählter Regionen und Fundplätze eingehen, die nach Möglichkeit von den GrabungsleiterInnen vorgestellt wurden.

Nur einzelne AutorInnen haben sowohl am Cambridge Companion als auch am Oxford Handbook mitgearbeitet, so dass der Leser sich mit aktuell unterschiedlichen Sichtweisen zu bestimmten Themen beschäftigen kann - mit Gewinn für den wissenschaftlichen Diskurs. Die AutorInnen des Cambridge Companion, die Shelmerdine gewinnen konnte, sind ausgewiesene SpezialistInnen im Bereich der Ägäischen Bronzezeit - es fällt allerdings auf, dass unter ihnen fast ausschließlich anglo-amerikanische ForscherInnen vertreten sind. Namhafte VerfasserInnen aus einer Vielzahl von Ländern zeugen dagegen im Oxford Handbook von der schönen, wichtigen internationalen Tradition der Forschungen zur Ägäischen Bronzezeit. Betrachtet man die Forschungsinteressen der AutorInnen des Cambridge Companion genauer, dann fällt auf, dass unter ihnen mehrere, wie auch die Herausgeberin selbst, einen Schwerpunkt in der Schrift-/Sprach- und Siegelforschung besitzen (XXIII-XXVIII). Diese Themen verdrängen aber nicht die archäologischen Aspekte der Befunde und Funde, so dass das Buch insgesamt ein abgerundetes Bild liefert. Der Mittelbronzezeit außerhalb Kretas sind zwar keine eigenen Kapitel gewidmet. Über diese Phase auf den Kykladen kann man sich aber etwa im Kapitel "Minoan Crete and the Aegean Islands" und über diese Phase in Südgriechenland, aus Sicht des Rezensenten unerwartet, im Kapitel "Early Mycenaean Greece" informieren.

Hinsichtlich des wissenschaftlichen Zitierens ist der Rezensent ein Freund von ausführlichen Literaturverzeichnissen in Listenform. Für das vorliegende Werk wurden, sicherlich aufgrund der Vorgaben der Cambridge Companion-Reihe (XIX), die zitierten Arbeiten in den Endnoten der einzelnen Kapitel angegeben. Dies erschwert es, sich einen Überblick über die verwendete Literatur zu verschaffen. Vor die Endnoten sind Empfehlungen zur vertiefenden Lektüre geschaltet. Dort wie in der Auswahlbibliographie dominieren englischsprachige Werke bei weitem, was der primären Zielgruppe, (anglophonen) Studierenden (Vortitelblatt) zwar entgegenkommen mag, aber nicht dazu beiträgt, sich mit fremdsprachlichen Texten zu beschäftigen. Es fällt etwa auf, dass im Beitrag zur Frühbronzezeit Südgriechenlands die ja durchaus verwendete und zitierte (43 Endnote 13) Habilitationsschrift von Joseph Maran nicht unter die fünf Tipps zum weiteren Lesen aufgenommen wurde (41/42) - mutmaßlich, da sie auf Deutsch publiziert wurde? Sicherlich kann der interessierte Leser sich hinsichtlich naturwissenschaftlicher Verfahren im zitierten Werk von Colin Renfrew und Paul Bahn informieren (10/11 mit Endnote 29), doch hätte der Rezensent zum Beispiel an dieser Stelle konkret etwa die Studie von Giannis Tzedakis und Stephanos Alexandrou [7] angegeben.

Shelmerdines Band ist insgesamt ein sehr wichtiger und empfehlenswerter, der hilft, fundierte Antworten auf interessierende Fragen zu finden und sich einen schnellen Einstieg in die Materie zu verschaffen. Dafür gebührt der Herausgeberin großer Dank, unabhängig von den genannten Kritikpunkten aus der subjektiven Sichtweise eines Rezensenten, der zugeben muss, dass er seit dem Erscheinen des Oxford Handbook zumeist erst in dieses schaut.


Anmerkungen:

[1] Online: Jeremy B. Rutter, Aegean Prehistoric Archaeology; URL: http://www.dartmouth.edu/~prehistory/aegean/ (19.04.2012)

[2] Hans-Günter Buchholz, unter Mitwirkung zahlreicher Fachgelehrter des In- und Auslands: Ägäische Bronzezeit. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1987.

[3] Oliver Dickinson: The Aegean Bronze Age. Cambridge World Archaeology. Cambridge: Cambridge University Press 1994.

[4] Jörg Schäfer: Die Archäologie der altägäischen Hochkulturen. Einführung in die Bedeutung des Fachgebietes und in die methodische Forschung. Mit einem Beitrag zur Siegelglyptik von Paul Yule. Heidelberg: Winter 1998.

[5] Tracey Cullen (ed.): Aegean Prehistory. A Review. American Journal of Archaeology Supplement 1. Boston: Archaeological Institute of America 2001.

[6] Eric H. Cline (ed.): The Oxford Handbook of The Bronze Age Aegean (ca. 3000-1000 BC). Oxford: Oxford University Press 2010.

[7] Giannis Tzedakis / Stephanos Alexandrou (eds.): Minoans and Mycenaeans - flavours of their time. National Archaeological Museum, 12 July - 27 November 1999. Athen: Greek Ministry of Culture, General Directorate of Antiquities 1999.

Tobias Mühlenbruch