Tom Buk-Swienty: Schlachtbank Düppel. 18. April 1864. Geschichte einer Schlacht. Übersetzt von Ulrich Sonnenberg, Berlin: Osburg Verlag 2011, 360 S., ISBN 978-3-940731-72-2, EUR 26,90
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Die verlorene Schlacht auf den Düppeler Schanzen am 18. April 1864 ist noch heute ein nationales Trauma für Dänemark, das daraufhin die Herzogtümer Schleswig, Holstein und Lauenburg abtreten musste und von einer europäischen Mittelmacht zu einem Kleinstaat degradiert wurde. Obwohl schon über 3.000 Titel dazu erschienen sind, hat sich der dänische Historiker und Journalist Tom Buk-Swienty erneut des Themas angenommen. Sein Werk Schlachtbank Düppel: Geschichte einer Schlacht wurde in Dänemark ein großer kommerzieller Erfolg und 2008 als bestes Sachbuch ausgezeichnet. Seit 2011 liegt es auch in einer deutschen Übersetzung vor. Was macht dieses Buch anders, welche neuen Erkenntnisse bringt es?
Tom Buk-Swienty personifiziert die Geschichte dieser im europäischen Kontext des 19. Jahrhunderts vergleichsweise kleinen Schlacht. Gleich zu Beginn stellt er etwa ein Dutzend Kriegsteilnehmer vor. Diese Soldaten - Dänen und Deutsche, hohe Offiziere und einfache Mannschaften, Kriegsfreiwillige und Wehrpflichtige, gestandene Familienväter und blutjunge Burschen - begleitet der Leser fortan auf ihrem Gang in die Düppeler Schanzen, wo sich ihre Lebenswege am 18. April 1864 auf verhängnisvolle Art kreuzen und sie sich als Feinde in den Schützengräben gegenüberstehen. Ihre Briefe, Tagebuchaufzeichnungen und Berichte sind die Quellen, anhand derer der Autor den Verlauf der Schlacht aus vielen ganz unterschiedlichen Blickwinkeln erzählen wird. Darüber hinaus lässt er auch ausländische Kriegsberichterstatter, Militärärzte auf beiden Seiten und die Beobachter des Roten Kreuzes zu Wort kommen.
Im ersten Kapitel erläutert der Autor ausführlich die militärische Ausgangslage am Vorabend der Entscheidungsschlacht, stellt die Heerführer auf beiden Seiten und ihre taktischen Pläne vor. Aufgrund der detaillierten Beschreibung der ungleichen Waffen und der daraus resultierenden militärischen Unterlegenheit der dänischen Armee beschleicht den Leser das ungute Gefühl, dass die dänischen Soldaten in einen chancenlosen Waffengang gegen das preußische und österreichische Expeditionskorps getrieben werden. Das zweite Kapitel ist ein chronologischer Rückgriff auf die politische Entstehungsgeschichte des Deutsch-Dänischen Krieges 1864, der sich phasenweise wie eine Anklage gegen die damalige nationalliberale dänische Regierung unter Ministerpräsident Monrad liest, die in völliger Verkennung der politischen und militärischen Realität grob fahrlässig das Wagnis eines Krieges mit Preußen und Österreich einging. Dass sich der durch die Heeresreform innenpolitisch schwer angeschlagene preußische Ministerpräsident Bismarck diese Gelegenheit eines überschaubaren Waffengangs gegen Dänemark zur Durchsetzung seiner politischen Ziele nicht entgehen lassen wollte, ist eine ebenso zynische und menschenverachtende Facette dieses ungleichen Krieges. Im dritten Kapitel schildert Buk-Swienty die wochenlange Belagerung und den ununterbrochenen Beschuss der dänischen Stellungen durch die überlegene preußische Artillerie. Anhand der Augenzeugenberichte gibt der Autor einen emotional ergreifenden Eindruck vom Grauen und Sterben der dänischen Soldaten in den Verteidigungsanlagen und ihrer völligen Hilflosigkeit gegenüber den Tausenden von Granaten und dem fast schon industriellen Töten mit modernen Kriegswaffen, wie es später für die Schützengräben des Ersten Weltkriegs so charakteristisch werden sollte. Im vierten Kapitel kommt es zum kriegsentscheidenden Sturm auf die Schanzen am 18. April und dem Rückzug der dänischen Armee auf die Insel Alsen, während im letzten Kapitel die Versorgung der Verwundeten und die Bergung der Toten im Mittelpunkt stehen.
Tom Buk-Swienty hat für sein Buch nicht nur Augenzeugenberichte herangezogen. Er bekam erstmals auch Zugang zum persönlichen Archiv und dem Briefwechsel des damaligen dänischen Königs Christian IX., der den dänischen Gesamtstaat bis zuletzt retten wollte, und konnte so neue, bisher nicht bekannte Quellen in seine Darstellung einbringen. Anstelle einer weiteren, nüchtern distanzierten Analyse der Schlacht lässt der Autor die Augenzeugen sprechen. Aus der Vielzahl der einzelnen, subjektiven Eindrücke gelingt es ihm mit großem literarischen Geschick, die Geschichte der Schlacht mitreißend zu erzählen. Wenn Buk-Swienty die Kriegsteilnehmer sprechen lässt, hält er sich im Hintergrund zurück, streut lediglich die notwendigen Sachinformationen ein und fügt die vielen Einzeleindrücke der Soldaten wie Mosaiksteine zu einem schlüssigen Gesamtbild des Kampfgeschehens zusammen.
Während sich Buk-Swienty einer moralischen Bewertung der subjektiven Eindrücke der Soldaten enthält, fällt sein Urteil über die politische und militärische Führung der Dänen umso härter aus. Er wirft Ministerpräsident Monrad und Kriegsminister Lundbye völliges politisches Versagen und romantisches Wunschdenken vor, das Tausende von dänischen Soldaten ihr Leben gekostet hat. Der militärischen Führung um General Gerlach macht er zum Vorwurf, den völlig illusorischen Vorgaben der politischen Führung nicht energisch genug widersprochen zu haben, um das dänische Heer doch noch vor der absehbaren Vernichtung zu bewahren. In seiner gut begründeten Analyse der politischen Situation 1863/64 bricht der Autor auch mit der bisher in Dänemark weit verbreiteten Sichtweise, dass der Deutsch-Dänische Krieg den Dänen von der preußischen Regierung aufgezwungen worden sei, um so die deutsche Einigung voranzutreiben. Tom Buk-Swienty gibt der damaligen "eiderdänischen" Regierung die Hauptschuld für den Ausbruch des Krieges und die anschließende verheerende Niederlage. Diese These hat und wird in Dänemark auch weiterhin für viel Diskussion sorgen.
Eine etwas ausgewogenere Sichtweise wäre dem Autor allerdings auch in Bezug auf seine Ausführungen zur Schleswig-Holsteinischen Erhebung von 1848-51 zu wünschen gewesen. Wenn er wiederholt von den Schleswig-Holsteinern als "Aufständischen" (137, 138) spricht, greift seine Analyse zu kurz. Dass dänisch-nationalliberale Politiker schon vor dem 23. März 1848 den politischen Konflikt mit den Schleswig-Holsteinern bewusst angeheizt und ausgenutzt haben, um in Kopenhagen an die Macht zu kommen, hat Hans Vammen in seinem Aufsatz "Die Casino-"Revolution" in Kopenhagen 1848" in ZSHG 123 (1998), 57-90, deutlich gezeigt. Hier fällt der Autor in eine nationale, dänische Sichtweise zurück, die er in Bezug auf 1863/64 so energisch und erfolgreich bekämpft.
Überhaupt kommen die Schleswig-Holsteiner in Buk-Swientys Buch deutlich zu kurz, denn es handelte sich 1863/64 keineswegs um einen rein deutsch-dänischen Gegensatz, wie es die preußisch dominierte Geschichtsschreibung nach 1864 lange Zeit erfolgreich suggeriert hat. Der Wunsch vieler Schleswig-Holsteiner 1864 nach einem eigenständigen Staat unter Herzog Friedrich VIII. von Augustenburg wird von Buk-Swienty so übergangen, wie er von Bismarck im Rahmen seiner deutschen Einigungspolitik unterdrückt wurde.
Die Schlachtteilnehmer und ihre Berichte, die menschlichen Tragödien und Schicksale, in den Mittelpunkt zu rücken, ist eine echte Bereicherung der Literatur über Düppel 1864. Die teilweise unvorstellbar grauenerregenden Augenzeugenberichte über die im Kampf erlittenen Verletzungen und das nicht minder furchterregende Handwerk der Militärärzte sind allerdings so beklemmend, dass sie bis an die Grenze dessen gehen, was dem Leser an Schilderungen von Leiden und Tod zuzumuten ist. Dennoch ist Tom Buk-Swienty mit Schlachtbank Düppel ein packendes Sachbuch und zugleich betroffen machendes Antikriegsbuch gelungen.
Martin Rackwitz