Carl Pfaff: Nonnen streben nach Autonomie. Das Frauenkloster Engelberg im Spätmittelalter, Zürich: Chronos Verlag 2011, 287 S., ISBN 978-3-0340-1054-2, EUR 43,00
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Nachdem die Liturgie- und Bibliothekshandschriften des Engelberger Frauenkonvents in den letzten Jahren vermehrt in das Blickfeld der germanistischen und kunsthistorischen Forschung gerückt sind [1], widmet sich nun Carl Pfaff dem archivalischen Schriftgut des Hauses aus historischer Perspektive. Ziel der Arbeit ist es, die Geschichte des Frauenkonvents des benediktinischen Doppelklosters durch eine umfassende Auswertung der Quellen "in neuer Perspektive darzustellen" (10), wobei ein besonderer Schwerpunkt darauf gesetzt wird, das weitgespannte Beziehungsnetz der Frauengemeinschaft nachzuzeichnen.
In Teil A bietet Pfaff zunächst einen knappen Überblick über die Geschichte des Konvents (13-14) und untersucht das Haus im Folgenden unter wirtschaftshistorischen Aspekten. Da das Kloster in einem kargen Hochtal gelegen war, hatte es dauerhaft mit materiellen Schwierigkeiten und Versorgungsproblemen zu kämpfen (15-20) und zudem war der Frauenkonvent stets überbesetzt, was die Lage noch verschärfte (20-22). Pfaff stellt die verschiedenen Maßnahmen zur Eindämmung des wirtschaftlichen Notstands detailliert dar (22-31) und kommt zu dem Ergebnis, dass Abt und Männerkonvent offensichtlich nicht in der Lage waren, das wirtschaftliche Problem der Frauengemeinschaft zu lösen, so dass Anfang des 14. Jahrhunderts die Meisterin schließlich selbst die Initiative ergriff (33-39). Dieser Tatsache, der Unterstützung des Papstes und nicht zuletzt dem Engagement der Königinnen Elisabeth und Agnes von Ungarn war es zu verdanken, dass der Frauenkonvent nach und nach mehr Selbständigkeit und Handlungsvollmacht erhielt und sich zudem die Unterstützung weiterer Familien sichern konnte, so dass zumindest eine gewisse Verbesserung der wirtschaftlichen Lage erzielt wurde (39-63).
Im folgenden Abschnitt (65-116) widmet sich Pfaff den internen Verhältnissen des Frauenkonvents. Pfaff untersucht zunächst seine soziale Zusammensetzung ebenso wie die Handhabung von Gemeinschafts- und Eigenbesitz in dem von steter wirtschaftlicher Not bedrängten Haus (65-76). Schließlich werden Aspekte des klösterlichen Alltags in den Blick genommen: Die Konventsgebäude, die Liturgie, die geistliche Betreuung der Frauen ebenso wie das Skriptorium, die Bibliothek, handwerkliche Arbeiten der Nonnen und auch spirituelle Tendenzen und Einflüsse (77-116). Nach der Darstellung der inneren Verhältnisse des Frauenklosters geht Pfaff folgerichtig auf dessen Verflechtungen mit der sozialen Umgebung ein (117-151), denn die Beziehungen des Konvents nach außen seien durch die gewachsene Eigenständigkeit und Handlungsmacht der Nonnen intensiviert worden (65). Speziell auf der Basis der nekrologischen Quellen werden zunächst die verschiedenen sozialen Gruppen eruiert, mit denen der Konvent in Verbindung stand, und diese in ihren politisch-sozialen Kontext gestellt.
Teil B bietet schließlich die Beschreibung und detaillierte Auswertung der nekrologischen Quellen selbst mit der Erläuterung der verschiedenartigen Zuwendungen (165-174) sowie der Typisierung (174-176) und Identifizierung der in den Quellen genannten Wohltäter des Konvents (177-260). Dabei wird das 13. Jahrhundert aufgrund der Quellenlage in einem kürzeren Kapitel gesondert behandelt, während das Hauptaugenmerk auf dem 14. und 15. Jahrhundert liegt, die gemeinsam dargestellt werden, wobei die Personen nach sozialer Schicht und Herkunftsort gruppiert sind. Die Einträge zu den einzelnen Personen bzw. Personengruppen bieten jeweils den Wortlaut des Eintrags in der Quelle, gegebenenfalls den Schreiber, weitere Daten und Erläuterungen zu der genannten Person sowie die Quellen- und Literaturangaben. So entsteht ein umfassender Einblick in die weitverzweigten Vernetzungen des Konvents mit seiner laikalen Umwelt, der umso wertvoller ist, als die Verbindungen eines geistlichen Hauses, sei es mit direkten Verwandten der Klosterfrauen, sei es mit anderen laikalen Gruppen außerhalb der Konventsmauern oder geistlichen Institutionen nicht nur in wirtschaftlicher und politischer Hinsicht, sondern auch im Hinblick auf Literatur- und Briefaustausch, auf künstlerische Produktion und auf das geistliche Leben eine unverzichtbare und prägende Grundlage darstellten.
Gerade das umfangreiche Personenregister in Teil B des Bandes wird daher ein wichtiges und überaus nützliches Hilfsmittel für weitere historische, germanistische und kunsthistorische Forschungen zum Frauenkonvent Engelberg sein. Auch für wirtschafts- und sozialgeschichtlich ausgerichtete Arbeiten zu Frauenklöstern allgemein ist die Arbeit insgesamt von großem Interesse, wie auch für landeshistorische Forschungen, die die berührten Regionen betreffen. Es zeigt sich jedoch auch, wie schwierig es ist, ein Bild der Frömmigkeit, der Bildung und des Selbstverständnisses der Frauen zu zeichnen. Hierbei hätte man sich eine stärkere Berücksichtigung der neueren Literatur zu diesen Themenbereichen gewünscht, so dass zum Teil problematische Vorannahmen hätten vermieden werden können (vergleiche etwa 83 oder 91f.). Auch wäre das methodische Problem zu thematisieren gewesen, auf der Basis von immer nur lückenhaft überlieferten Beständen eines Konvents zu allgemeinen Aussagen und Deutungen zu kommen, ohne wissen zu können, wo und welcher Art die Lücken in der Überlieferung sind und wie sie zustande kamen. Bedauerlich ist zudem, dass viele abgekürzt zitierte Titel in Teil A nicht im Literaturverzeichnis aufscheinen, was die Benutzbarkeit des Bandes etwas erschwert. Dies kann jedoch nicht das Verdienst von Carl Pfaff schmälern, die komplexen und weitgespannten Verbindungen des Frauenkonvents in Engelberg für die Forschung erschlossen zu haben.
Anmerkung:
[1] Vgl. Susan Marti: Malen, schreiben und beten. Die spätmittelalterliche Handschriftenproduktion im Doppelkloster Engelberg, Zürich 2002; Johanna Thali: Regionalität als Paradigma literarhistorischer Forschung zur Vormoderne. Das Beispiel des Benediktinerinnenklosters St. Andreas in Engelberg, in: Barbara Fleith / René Wetzel (Hgg.): Kulturtopographie des deutschsprachigen Südwestens im späteren Mittelalter. Studien und Texte, Tübingen 2009, 229-262.
Almut Breitenbach