Rezension über:

Christina Riggs (ed.): The Oxford Handbook of Roman Egypt, Oxford: Oxford University Press 2012, XXI + 791 S., 156 s/w-Abb., ISBN 978-0-19-957145-1, GBP 95,00
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Rezension von:
Kerstin Droß-Krüpe
Seminar für Alte Geschichte, Philipps-Universität, Marburg
Redaktionelle Betreuung:
Matthias Haake
Empfohlene Zitierweise:
Kerstin Droß-Krüpe: Rezension von: Christina Riggs (ed.): The Oxford Handbook of Roman Egypt, Oxford: Oxford University Press 2012, in: sehepunkte 13 (2013), Nr. 7/8 [15.07.2013], URL: https://www.sehepunkte.de
/2013/07/21827.html


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Christina Riggs (ed.): The Oxford Handbook of Roman Egypt

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Dieses fast 800 Seiten starke Handbuch will Studierenden wie Spezialisten eine umfassende Orientierung über Forschungsstand und aktuelle Forschungskontroversen zum römischen Ägypten bieten. Die Herausgeberin Christina Riggs betont in der Einleitung (1-8) neben dem stetig wachsenden Forschungsinteresse unterschiedlicher Disziplinen am römischen Ägypten vor allem den daraus resultierenden interdisziplinären Ansatz des Handbuches. Der Fokus aller Beiträge soll dabei "questioning of old assumptions" sowie "incorporation of new information" sein (5).

Der Einleitung, die neben einem Überblick über den Aufbau des Handbuches auch einen knappen historischen Überblick über das römische Ägypten bietet, folgen sieben thematische Sektionen, die den Band gliedern. Über vierzig internationale Experten haben insgesamt 45 Einzelabschnitte in diesen Sektionen beigetragen. Alle Beiträge schließen mit einer knappen "Conclusion", gefolgt von "Suggested Reading" und einer (unterschiedlich umfangreichen) Bibliographie zum behandelten Thema. Abgerundet wird das reich bebilderte Handbuch von einem umfangreichen Index (763-791); einen Quellenindex sowie eine Gesamtbibliographie sucht man leider vergebens. Eine Karte mit den zentralen Ortsnamen (antik wie modern) erleichtert einen ersten geographischen Überblick.

Die Vielzahl der Beiträge macht eine angemessene Würdigung jedes einzelnen im Rahmen dieser Rezension unmöglich. Um nicht nur einen sehr subjektiven Ausschnitt aus dem breiten inhaltlichen Spektrum des Bandes zu liefern, wird auf die Besprechung einzelner Beiträge verzichtet. Stattdessen werden die einzelnen Sektionen grob umrissen.

"Part I - Land and State" vereint sechs Beiträge zu Provinzwerdung (Herklotz, 11-21), Landwirtschaft (Blouin, 22-37), Wirtschaft (Gibbs, 38-55), politischem und juristischem System (Jördens, 56-67), Armee (Haensch, 68-82) und Kaiserkult (Pfeiffer, 83-100).

"Part II - City, Town, and Chora" versammelt acht Artikel zu einzelnen Siedlungen (Alexandria [Venit, 103-121], das Nildelta [Wilson, 136-151], das Gebiet des Fayum [Davoli, 152-170], der Raum um Theben [Lajtar, 171-188], Tuna el-Gebel [Lembke, 205-222] und Karanis [Wilfong, 223-243]), zur Architektur (Bailey, 189-204) und allgemein zu Besiedlung und Bevölkerung (122-135).

"Part III - People" enthält fünf Beiträge über (Bürger-)Status (Jördens, 247-259), Identität (Vandorpe, 260-276), Juden (Harker, 277-287), Familienstrukturen (Malouta, 288-304) und Alter und Gesundheitswesen (Scheidel, 305-316).

"Part IV - Religion" umfasst die meisten Beiträge, neun, Wissenschaftler äußern sich hier zu Aspekten der Religionsausübung in unterschiedlichen Kulten und Religionen (Frankfurter, 319-336, Minas-Nerpel, 362-382, Stadler 383-397, Tallet, 398-418, Bommas, 419-435, Tallet & Zivie-Coche, 436-456, Stadler, 457-473, Choat 474-489) und Magie (Dieleman, 337-361).

"Part V - Texts and Language" bietet sieben Artikel. Sie umfassen Sprachgebrauch und Literalität (Depauw, 493-506), Papyri (Verhoogt, 507-515) sowie die einzelnen in Ägypten gebräuchlichen Sprachen (Latein [Evans, 516-525], Griechisch [Benaissa, 526-542], Hieratisch und Demotisch [Hoffmann, 543-562], Hieroglyphen [Klotz, 563-580] und Koptisch [Choat, 581-593]).

"Part VI - Images and Objects" widmet sich in sechs Unterkapiteln archäologischen Funden/Fundgattungen (Porträts [Borg 613-629], Terrakotten [Sandri, 630-647], Töpferwaren [Gates-Foster, 648-663]), Bestattung und Mumifikation (Cannata, 597-612; Gessler-Löhr, 664-683) sowie "Nilotica" (Swetnam-Burland, 684-697).

Der letzte - sehr heterogene - Abschnitt "Borders, Trade and Tourism" umfasst vier Beiträge. Sie widmen sich Reisen (Rutherford, 701-716) sowie unter verschiedenen Aspekten einzelnen (Grenz-)Regionen (Oasen der westlichen Wüste [Kaper, 717-735], östliche Wüste und Rotmeerhäfen [Gates-Foster, 736-748], Meroe/Nubia [Török, 749-762]).

Manchmal erscheint die Zuordnung der Beiträge zu den Sektionen nicht ganz stimmig; so hätte der Beitrag über den Kaiserkult statt in der Sektion "Land and State" auch in die Sektion "Religion" gepasst, der Artikel über "Manufacture, Trade and the Economy" findet sich ebenfalls unter "Land and State" und nicht in Part VII, der ja mit "Borders, Trade (sic!), and Tourism" überschrieben ist. Auch kommt es zum Teil zu inhaltlichen Überschneidungen. Da die Mehrheit der Leser aber nicht den gesamten Band, sondern eher einzelne Beiträge daraus lesen wird, fallen diese nicht sehr ins Gewicht. Bedauerlicher ist, dass die zum Teil enthaltenen widersprüchlichen Ansichten und Interpretationen der Autoren oft unkommentiert nebeneinander stehen. Sicherlich ist es dem Leser zu überlassen, welcher Argumentationslinie er sich anschließen möchte, doch wäre es hilfreich, wenn konsequenter auf die Beiträge mit anderen Sichtweisen hingewiesen wird. Überhaupt wäre eine stärkere Verzahnung der einzelnen Beiträge wünschenswert, sie stehen häufig eher monolithisch nebeneinander.

Gleichzeitig werden leider einige Bereiche nicht abgedeckt: Im Abschnitt "Images and Objects" beispielsweise fehlen die Textilien, auch auf Ernährungsgewohnheiten oder die Bautätigkeit der römischen Kaiser wird im Rahmen des Bandes nicht in einem eigenen Beitrag eingegangen. Genauso wenig wird der Frage nach Möglichkeiten der Übertragbarkeit der ägyptischen Befunde auf andere Regionen des Imperium Romanum nachgegangen. Ägypten erscheint dadurch wieder einmal als "Sonderfall" - ein Bild, das sich in der aktuellen Forschungsentwicklung zunehmend auflöst.

Dass dieser Band für den englischsprachigen Markt konzipiert wurde, ist offensichtlich. Schon der Blick auf die Auswahl der Beiträger zeigt ein deutliches Übergewicht auf englischsprachige Universitäten und Forschungseinrichtungen. Relativ stark vertreten sind außerdem Beiträge von deutschen Wissenschaftlern/innen. Die übrige europäische Wissenschaftswelt ist dagegen nur schwach vertreten. Dies ist per se nicht problematisch, spiegelt aber nur bedingt die aktuelle Forschungslandschaft zum römischen Ägypten wider. Natürlich ist es verständlich, der Zielgruppe zunächst englische Literatur zu empfehlen. In einem Band, der sich insbesondere der Aufarbeitung von aktuellem Forschungsstand und Forschungsdebatten verschrieben hat, würde man sich aber doch wünschen, dass alle Beiträger auch nicht-englische Forschungsliteratur wahrgenommen, zitiert und als für ihr jeweiliges Themenfeld als maßgeblich eingestuft hätten. Durch eine starke Fokussierung der englischen Literatur (besonders auffällig bei Tacoma, Wilfong oder Evans) gehen wichtige Forschungsergebnisse verloren, die Bedeutung anderer Wissenschaftssprachen (die die Herausgeberin in ihrer Einleitung übrigens ausdrücklich betont [3]) wird zurückgedrängt.

Trotz dieser Kritikpunkte bildet der Band einen Meilenstein. Ohne Zweifel wird das Handbuch zu einem Standardwerk für die (erste) Beschäftigung mit dem römischen Ägypten werden - und das ganz sicher nicht nur im englischsprachigen Raum.

Kerstin Droß-Krüpe