Felix Mundt (Hg.): Kommunikationsräume im kaiserzeitlichen Rom (= Topoi - Berlin Studies of the Ancient World; Vol. 6), Berlin: De Gruyter 2012, XVIII + 278 S., ISBN 978-3-11-026593-4, EUR 79,95
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Der Band versammelt eine Reihe von Aufsätzen, die ursprünglich bei einer Tagung des Berliner Exzellenzclusters 'TOPOI' im Jahre 2010 in Rom präsentiert wurden. Untersucht werden Phänomene der öffentlichen Kommunikation in der Stadt Rom sowie solche über und durch die Stadt und ihre Bauten. Besonders berücksichtigt wird dabei die in den letzten Jahren verstärkt in den Blick geratene Gegenseitigkeit der Beeinflussung aller an Kommunikation beteiligten Aktanten (Sender - Medium - Empfänger). Der Band weist eine diesbezüglich sinnvolle Unterteilung in drei Abschnitte auf, deren Beiträge sich dem Thema aus jeweils verschiedenen Perspektiven nähern.
In die Gliederung führt Felix Mundt im Einleitungskapitel (VII-XVIII) ebenso ein wie in wesentliche theoretische Grundlagen (so zur stadtsoziologischen Verortung und zu gegenseitigen Bedingtheit von Sozialität und öffentlichem Raum). [1] Wichtige medientheoretische Überlegungen stellt außerdem auch Joachim Knape in seinem Beitrag (123-141) an. So beleuchtet er unter anderem die medialen Voraussetzungen öffentlicher Kommunikation in der stadtrömischen Gesellschaft und erläutert in konsequenter Weise das Potential einer analogen Betrachtung von Menschen, Räumen und Bauten als 'Medien'.
Im Fokus des ersten Teils des Buches ('Kommunikation durch Monumente', 1-102) stehen Räume und ihre bauliche Gestaltung als Medien öffentlicher Kommunikation. Susanne Muth zeigt in Ihrem Beitrag (3-47), auf welche Weise die in der späten Republik in die Krise geratene monumentale Leistungsschau des republikanischen Staates in augusteischer Zeit auf die Person des princeps ausgerichtet wurde. So wurde die monumentale Erinnerung an republikanische Leistungsträger im Umfeld des comitium entindividualisiert und in eine "kontrollierte" teleologische Memorialkultur eingebunden, die die Vergangenheit der römischen Republik als zielgerichteten Weg hin zum augusteischen Prinzipat umdeutete. Klaus Stefan Freyberger (49-76) versucht, die durch spätere Umgestaltung überlagerte sakrale Topographie des republikanischen Forum Romanum zu rekonstruieren. Überzeugend sind vor allem Freybergers Vorschläge zur Identifizierung der an der Südfront der Basilica Aemilia gelegenen sacella, deren Symbolgehalt er in einer Markierung des Ortes der mythischen Einigung zwischen Römern und Sabinern sieht. Der Umgang mit eben solchen mythischen Erzählungen von der Frühzeit Roms ist indes bisweilen wenig kritisch [2], manche Quelle wird im Sinne der vorgeschlagenen These gegen den Wortlaut gedeutet [3], und aus recht hypothetischen Annahmen werden bisweilen weitreichende Schlussfolgerungen gezogen. [4] Steht bei Muth und, weniger deutlich, Freyberger die Prägung des öffentlichen Geschichtsbewusstseins durch Gestaltung des öffentlichen Raums im Vordergrund, so zeigt der Beitrag von Ulrich Schmitzer (77-102), auf welche Weise das ideologische Programm des Augustusforums in der literarischen Überlieferung, vor allem bei Ovid, mit unterschiedlichen Themen alltäglicher Nutzung dieses Raumes konfrontiert wird. Hier werden insbesondere auch Grenzen der Steuerung öffentlicher Kommunikation durch Raumgestaltung aufgezeigt.
Demgegenüber steht im zweiten Teil ('Der städtische Raum als Bedingung privater und öffentlicher Kommunikation', 103-168) die Frage im Vordergrund, auf welche Weise der öffentliche Raum Kommunikation unter Bürgern erst ermöglicht oder diese beeinflusst. Simone Voegtle (105-121) untersucht in diesem Sinne die Rolle und Wirkung der Anbringungsorte von Graffiti. So fänden sich bildliche Darstellungen häufiger im (semi-öffentlichen) Innenraum von Gebäuden, Texte eher an Straßen und Plätzen. Unklar bleibt indes, ob sich dies für alle Arten von Gebäuden und Graffiti feststellen lässt oder nur für die von Voegtle in den Mittelpunkt gestellten Jagd- und Gladiatorenszenen in größeren domus, bei denen sie die Häufung von Wandritzereien als unintentionalen, aber dennoch schon zeitgenössisch wirksamen Beleg für die soziale Bedeutung der Hausbesitzer wertet. Jan Stenger (143-168) befasst sich am Beispiel Julius Caesars auf überzeugende Weise mit der Theatralität sozialer Rollen und der Funktion der öffentlichen Bühnen in Rom für deren Performanz. So habe Julius Caesar auf der Bühne des Forum Iulium durch die demonstrative Konterkarierung des von Politikern erwartbaren Rollenverhaltens nicht nur einen Gesichtsverlust des Senats vor dem Publikum der römischen Bürger bewirkt, sondern dadurch zugleich die Maske des in den Bahnen der Republik gemeinsam mit dem Senat agierenden Diktators sinken lassen.
Teil III ('Literarisch konstruierte urbane Kommunikationsräume', 169-264) widmet sich literarischen Instrumentalisierungen des Raumes, insofern hier untersucht wird, auf welche Weise die literarische Beschreibung realer und Erschaffung fiktionaler Räume als Mittel der Lesersteuerung in antiken Texten Verwendung findet. Felix Mundt (173-194) überprüft das Potential einer Deutung von Raumdarstellungen als fiktive Bühnenszenen bei Historiographen der hohen und späten Kaiserzeit. Sein Interesse gilt dabei insbesondere der Funktion von markanten Raumdarstellungen für das literarische Programm der behandelten Werke. Ulrike Egelhaaf-Gaiser (197-226) wendet das literaturtheoretische Konzept des Chronotopos auf die Anna Perenna-Erzählung im dritten Buch der ovidianischen Fasti an und macht deutlich, auf welche Weise Ovid hier räumliche, zeitliche und literarische Gliederungseinheiten miteinander verknüpft. In einem weiteren Aufsatz zu Ovids Fasti analysiert Mario Labate (227-238) im Vergleich zu zeitgenössischen Paralleltexten die Beschreibung ausgewählter mythischer Episoden und ihrer Orte sowie deren Integration in das vom Dichter gezeichnete augusteische Rom. Im vorletzten Aufsatz des Bandes (241-252) untersucht Therese Fuhrer, welche symbolische Rolle der fiktionalen Lokalisierung literarischer Philosophengespräche zukommt. Insbesondere deutet sie die Entrückung des Philosophengesprächs in ländliche (Cicero) sowie den gewaltsamen staatlichen Eingriff in städtische philosophische Szenen (Tacitus) als Kritik an den Zwängen des kaiserzeitlichen Staates. Einen ähnlichen Ansatz verfolgt auch der Beitrag von Maria Bettetini (253-264), die sich mit der ethischen Symbolik verschiedener Räume in Augustins Confessiones befasst.
Die große Breite der fachlichen und methodischen Zugangsweisen spiegelt das weite Anwendungsfeld raumtheoretischer Modelle wider, die sich gleichermaßen auf reale, virtuelle und abstrakt-kommunikative Räume (literarische Strukturen, Gattungstraditionen etc.) anwenden lassen. Dementsprechend sind die einzelnen Beiträge eher exemplarischen Charakters, als dass sie zusammen eine strenge inhaltliche oder methodische Kohärenz aufwiesen (so auch der Hinweis in der Einleitung, XVII-XVIII). Die Interpretationen sind größtenteils überzeugend und in vielen Fällen von allgemeinem Interesse. Nichtsdestoweniger weisen die einzelnen Beiträge eine große Heterogenität in der theoretischen Durchdringung auf, und nicht jede Argumentation kann gleichermaßen überzeugen. Insgesamt weist der Band jedoch zahlreiche anregende Interpretationen auf und eröffnet Perspektiven für weitere Untersuchungen. Abschließend sei außerdem auf die gute Redaktion und sehr ansprechende bildliche Ausstattung des Buches hingewiesen, das sich auch aufgrund seiner optischen Gestaltung mit Genuss und Gewinn lesen lässt.
Anmerkungen:
[1] Genannt werden vor allem die Arbeiten von Martina Löw (Soziologie der Städte, Frankfurt a.M. 2008; Städte als sich unterscheidende Erfahrungsräume. Grundlagen für eine sinnverstehende Stadtsoziologie, in: Heike Hermann u.a. (Hg.): Die Besonderheiten des Städtischen. Entwicklungslinien der Stadt(soziologie), Wiesbaden 2011, 49-69) und Bernhard Schäfers (einschlägig: Architektursoziologie. Grundlagen - Epochen - Themen, Opladen 2003).
[2] Stellvertretend eine Formulierung auf Seite 49: "Der Gründer des Bauwerks war der mythische König Numa Pompilius, der in diesem Gebäude seinen Amtssitz hatte".
[3] Vgl. 65-66, wo aus einer Aufzählung von Bauwerken im Katalog der Regionen Roms (Cur. urb. Romae reg. IV 11-15, Not. urb. Romae reg. IV 13-16) die These abgeleitet wird, mit der durch mehrere Bauten getrennten Erwähnung des Tempels für Iuppiter Stator und des Tempels für Faustina sei ein und dasselbe Gebäude gemeint.
[4] So beruht die Identifizierung des Templum Antonini et Faustinae mit dem Templum Iovis Statoris auf einer, nicht unplausiblen aber ebensowenig zwingenden, Frühdatierung des Quadermauerwerks der Cellamauern.
Thomas Blank